Im vergangenen September wurde der Rapper Sean Combs wegen zahlreicher mutmasslicher Sexualstraftaten festgenommen. Seit dem 5. Mai läuft der Prozess. Am Donnerstag werden die Abschlussplädoyers gehalten, das Urteil wird nächste Woche erwartet.
Er war einst einer der erfolgreichsten Männer im Musikbusiness. Mit Hits wie «I’ll Be Missing You» und «Bad Boy For Life» wurde Sean Combs in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der erfolgreichsten Rapper der Welt. 1993 gründete er sein Label Bad Boy Records und produzierte grosse Namen wie The Notorious B.I.G. oder Craig Mack. Im Laufe seiner Karriere nutzte er unter anderem die Pseudonyme «Puff Daddy», «P. Diddy» und «Diddy».
Die Staatsanwaltschaft wift Combs unter anderem Sexhandel, Drohungen und organisierte Kriminalität vor. Heute wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft einen Tag vor den Abschlussplädoyers diverse Klagen gegen den Rapper fallen lässt. Dazu gehören Entführung, Brandstiftung und Beihilfe zum Sexhandel, berichtet «TMZ».
Jahrelang soll der Rapper Frauen und Männer missbraucht und bedroht haben. In tagelangen Orgien, sogenannten Freak Offs, soll Combs ein «kriminelles Unternehmen» mit zahlreichen Helfern geführt haben. Laut Anklage wurden dafür Menschen aus dem gesamten Land eingeflogen und teilweise unter Drogen gesetzt und vergewaltigt.
Die Staatsanwältin Emily Johnson hat den Musiker der Manipulation von Frauen bezichtigt. «Er nutzte seine Unternehmen, um Frauen zu manipulieren und dazu zu zwingen, mit männlichen Prostituierten zu schlafen, während er zusah», sagte sie in ihrem Eröffnungsplädoyer. Die Staatsanwältin betonte, es gehe in dem Prozess nicht um sein Privatleben, sondern um «Zwang und kriminelle Taten».
Die Freak Offs wurden auch mit den berühmten «White Partys» des Rappers in den 2000ern in Verbindung gebracht. Diese starteten laut verschiedenen Zeugenaussagen als «normale» Feiern und endeten in Orgien.
Bei einer Verurteilung droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Der Rapper hat bislang alle Vorwürfe zurückgewiesen und plädiert auf nicht schuldig.
Unabhängig vom New Yorker Gerichtsverfahren gibt es zahlreiche Zivilklagen gegen den Rapper. Eine texanische Anwaltskanzlei vertritt rund 120 Männer und Frauen, die Combs verklagt haben.
Zu Beginn des Prozesses wurden die 12 Geschworenen ausgewählt, die am Ende darüber entscheiden werden, ob Combs seine Macht ausgenutzt hat, um über Jahrzehnte Menschen sexuell auszubeuten, wie es in der Anklage der Staatsanwaltschaft heisst. Ausgewählt wurden acht Männer und vier Frauen. Dazu gibt es sechs Ersatzjuroren. Ein Juror wurde am 16. Juni vom Richter wegen «Widersprüchlichkeiten», wie deutsche Medien berichten. Er habe falsche Angaben zu seinem Wohnsitz gemacht.
Im Auswahlprozess waren die potenziellen Geschworenen auf ihre Fähigkeit hin überprüft worden, unvoreingenommen Aussagen von Hip-Hop-Musikern, Sexarbeiterinnen und Drogenkonsumenten verfolgen zu können.
Die Geschworenen im Prozess blieben anonym und wurden nicht unter Aufsicht gestellt. Sie müssen sich selbst von der Berichterstattung über den Prozess fernzuhalten, um nicht in ihrer Urteilsfindung beeinflusst zu werden.
Während des Prozesses wurde Combs vom Richter verwarnt, da dieser wiederholt versucht habe, mit den Geschworenen per Blickkontakt zu kommunizieren. Während einer Zeugenaussage habe Combs genickt und zu den Geschworenen geblickt, was der Richter mit Blick auf eine unzulässige Beeinflussung der Jury als «inakzeptabel» kritisierte.
Der Jury wurden vor Gericht Videos sowie Textnachrichten der Beteiligten gezeigt.
Schon im Vorfeld des Prozesses wurde eine Videoaufnahme aus dem Jahr 2016 veröffentlicht, in welcher Combs in einem Hotelflur zu sehen war, wie er seine damalige Freundin Cassie Ventura schlägt und tritt, als sie auf dem Boden liegt. Ventura hatte Combs deswegen verklagt, sie einigten sich aber Ende vergangenen Jahres auf einen Vergleich.
Im Prozess sagte der Ex-Hotelangestellte Eddie Garcia aus, dass Combs ihm 100'000 US-Dollar in Cash bot, damit er das Video verschwinden liess, was er dann auch tat.
Das Video wurde als Beweisstück im New Yorker Prozess zugelassen. Die Delikte wie Körperverletzung, die im Video zu sehen sind, sind verjährt und Combs kann dafür nicht mehr belangt werden.
Den Geschworenen wurden drei der Freak-Off-Videos gezeigt. Sie schauten mit Kopfhören je etwa 30 Sekunden pro Video an. Für die Öffentlichkeit sind diese Aufnahmen nicht zugänglich.
Im Prozess hat die Jury zahlreiche Text-Nachrichten zu Drogen, Sex und Gewalt zu sehen bekommen. Unter anderem ging es in den Nachrichten, die den Geschworenen gezeigt wurden, um die Bestellung von Drogen und um die Organisation von Sex-Veranstaltungen in Hotels, wie US-Medien übereinstimmend berichteten.
Neben dutzenden Flaschen mit Babyöl fanden die Ermittler eine Tasche mit diversen Drogen. Darin befanden sich den Angaben zufolge Pillen, Kokain und Ketamin. Bei der Razzia fanden die Ermittler auch volle Magazine und Teile von Waffen. Die Seriennummer bei der betreffenden Waffe sei entfernt worden, Combs habe sie unerlaubt besessen.
Im Prozess sagten einige Zeugen gegen Sean Combs aus, dazu gehören unter anderem ein Sexarbeiter, Ex-Freundinnen und Ex-Assistentinnen. Die wichtigsten Aussagen sind nachfolgend aufgelistet:
Ein Sexarbeiter erzählte vor Gericht detailliert von den mutmasslichen sexuellen Aktivitäten des Rappers. Er behauptete, er sei von Combs' Ex-Freundin Cassie Ventura mit mehreren Tausend Dollar dafür bezahlt worden, Sex mit ihr zu haben, während Combs mit im Zimmer sass und ihnen zusah. Er sagte ausserdem aus, er habe beobachtet, wie Combs gegenüber Ventura gewalttätig geworden sei.
R&B-Sängerin Cassie Ventura war die Hauptzeugin im Prozess. Mit 19 ging sie mit dem damals 36-jährigen Combs eine Beziehung ein. Kennengelernt haben sie sich, weil sie bei Diddy's Label «Bad Boy Records» als Sängerin unterschrieb. Die heute 38-Jährige, die bei ihrer Aussage im achten Monat schwanger war, führte rund 11 Jahre eine On-off-Beziehung mit dem Rapper.
Mit kompromittierenden Sex-Videos soll er sie erpresst haben. Combs soll sie beauftragt haben, Sex mit anderen Männern vor den Augen von Combs zu haben. Diese Sex-Treffen beschrieb Ventura als teilweise mehrtägige Orgien. Die Orte, wo die Freak-Offs stattgefunden haben, seien danach «völlig verwüstet» und die Bettwäsche teilweise mit Blut und Urin befleckt gewesen.
Sie habe sich dabei «ekelhaft» und «gedemütigt» gefühlt, sagte Ventura. Um die Sexpartys zu überstehen, habe sie Drogen wie Marihuana, Ketamin, Ecstasy oder Psilocybin konsumiert. Kokain habe ausserdem dafür gesorgt, dass sie wach blieb.
Combs sei gemäss Ventura immer kontrollierender geworden, sei es bezüglich Karriere, ihrer Kleidung oder bei alltäglichen Entscheidungen: «Er kontrollierte jede Minute meines Tages – einfach alles, was ich tat», sagte die Sängerin. Wenn sie nicht auf Anrufe oder Nachrichten reagiert hatte, schickte Diddy seine Sicherheitsleute zu ihr nach Hause, um sie zu suchen.
Ventura berichtete von Streit in der Beziehung. «Wenn es gewalttätige Auseinandersetzungen waren, endeten sie in der Regel in irgendeiner Form von körperlicher Misshandlung», sagte sie. Auf die Frage, wie oft Combs ihr gegenüber gewalttätig geworden sei, antwortete sie: «Zu oft.»
Zu den schweren Misshandlungen sagte Ventura aus: «Er hat mir auf den Kopf geschlagen, mich umgeworfen, gezerrt, getreten und mir auf den Kopf getreten, wenn ich am Boden lag.» Immer wieder habe sie blaue Flecken am ganzen Körper sowie andere Wunden gehabt – so gaben mehrere US-Medien übereinstimmend die Aussage Venturas wieder.
Um die Gewalt und die Verletzungen zu zeigen, wurden neben dem Prügelvideo Beweisfotos veröffentlicht. Zudem wurden auch Fotos aus Combs Hotelzimmer herausgegeben, welche die Polizei im September 2024 aufgenommen hatte, als der Rapper verhaftet wurde.
Im Prozess hat Combs ehemalige Assistentin, die zwischen 2009 und 2017 für den Rapper arbeitete, vor Gericht von mehrfacher sexueller und körperlicher Misshandlung berichtet, was sie über Jahre traumatisiert habe. Neben Vergewaltigungen habe er sie auch immer wieder körperlich angegangen.
Sie sprach auch über den mutmasslichen Kontrollwahn des heute 55-Jährigen. Die Zeugin, die unter dem Pseudonym Mia auftrat, sagte gemäss übereinstimmenden US-Medien aus, Combs habe sie und seine frühere Freundin Cassie Ventura ausspioniert. Combs habe mehrfach ihre und Venturas Telefone gestohlen und Ventura zusätzlich Ortungsgeräte ins Auto eingebaut.
Während ihrer Zeit als Assistentin habe sie Combs Ex-Freundin Ventura mit «aufgeplatzter Lippe», «Prellungen» und «blauem Auge» gesehen, berichtete Mia. Eines Nachts sei Ventura um ihr Leben fürchtend zu ihr gerannt. Combs habe Mia als seine Assistentin damit beauftragt, Ventura nach dessen Gewaltausbrüchen zu versorgen. Es sei ihnen nicht erlaubt gewesen, das Haus zu verlassen, bis deren Verletzungen verheilt waren.
Rapper Kid Cudi, der kurzzeitig eine Beziehung mit Cassie Ventura hatte, sagte vor Gericht aus, dass Combs nach Bekanntwerden seiner Beziehung mit der Sängerin in sein Haus eingedrungen sei und damit gedroht habe, sein Auto in die Luft zu jagen. Kurze Zeit später habe Cudis blauer Sportwagen dann tatsächlich gebrannt. Laut Cudis Aussage wurde ein Brandsatz offenbar durch das Dach des Fahrzeugs ins Innere geworfen.
Zuvor hatte der Feuerwehrmann und Brandstiftungsexperte Lance Jimenez ausgesagt, dass nach einem Einbruch in das Haus von Musiker Kid Cudi 2011 Fingerabdrücke gefunden worden seien. Diese seien aber später vernichtet worden. Der Richter wies die Jury an, die Aussage von Jimenez über die Fingerabdrücke für ihre Urteilsfindung zu ignorieren.
Nun wurde die Anklage wegen Brandstiftung fallengelassen.
Die ehemalige Assistentin Capricorn Clark hat vor Gericht gemäss übereinstimmenden Medienberichten ausgesagt, dass Combs Mordabsichten gegen Rapper Kid Cudi gehegt habe. Combs habe in dessen Wohnung einbrechen und ihn angreifen wollen, weil er eifersüchtig war und glaubte, dass Cudi in einer Beziehung mit seiner Ex-Freundin Cassie Ventura war. «Die Waffe war in seiner Hand», so Clark. Cudi war jedoch nicht zu Hause.
Combs habe Ex-Freundin Ventura in der Folge per Telefon erpresst, damit diese mit ihm nach Hause komme. Dort habe er sie schwer misshandelt und immer wieder getreten, obwohl Ventura wehrlos am Boden lag, berichtete Clark. Sie habe nicht eingegriffen, weil der heute 55-jährige Combs auch sie bedroht habe – sogar mit dem Tod.
Die Ex-Assistentin berichtete zudem, dass Combs sie zu Lügendetektor-Tests gezwungen habe, weil er sie verdächtigt habe, Schmuck gestohlen zu haben. Für den Fall, dass sie diese nicht bestehe, habe er ihr damit gedroht, sie «in den East River zu schmeissen». Er habe sie auch mehrfach körperlich angegriffen. Trotzdem habe sie ihm auch später noch immer wieder versöhnliche Nachrichten geschickt, gab Clark zu. Sie habe sich komplett unter seiner Kontrolle gefühlt und habe weiter in der Musikbranche arbeiten wollen.
Eine weitere Ex-Freundin hat vor Gericht von jahrelangen schweren sexuellen und körperlichen Misshandlungen durch Combs berichtet. Unter anderem aus Angst vor dem Verlust ihres Hauses habe sie an von ihm arrangierten Sex-Veranstaltungen mit Drogen teilgenommen, sagte die Ex-Freundin unter dem Pseudonym Jane vor Gericht, wie US-Medien übereinstimmend berichteten. Combs zahle nach wie vor die Miete für ihr Haus in Los Angeles sowie ihre Anwaltskosten.
Im Zeugenstand erzählte sie vom längsten Freak Off, der drei Tage lang dauerte. Drei Männer waren beteiligt. Sie erzählte weiter, Combs habe sie unter anderem geschlagen, getreten, gewürgt und gezwungen, Drogen zu nehmen. Mindestens einmal habe er sie gezwungen, bei den Misshandlungen entstandene Verletzungen unter anderem mit Make-up zu überdecken. Zudem habe sie Angst gehabt, dass Combs Videos der Sex-Veranstaltungen anderen Menschen zeigen würde.
Sie habe aber auch ausgesagt, dass sie den Rapper trotz jahrelanger Misshandlungen immer noch liebe. «Er war wie mein Baby», sagte Jane, wie US-Medien übereinstimmend berichteten. «Aber ich nehme es ihm übel, dass er mich unter viel emotionaler Manipulation und Druck zu diesem Lifestyle gebracht hat», sagte sie weiter.
Im Prozess sagten auch weitere Zeugen wie Ex-Mitarbeiter von Combs, Sicherheitsleute, Feuerwehrmänner oder Bekannte aus. Die Staatsanwaltschaft rief insgesamt 34 Zeugen auf.
Combs Anwälte plädieren auf Freispruch, eine aussergerichtliche Einigung wurde abgelehnt. Ein Schuldeingeständnis komme für den Rapper nicht infrage, da die Sex-Orgien im gegenseitigen Einvernehmen geschehen seien und zum «Swinger-Lifestyle» von Combs gehörten. Dies ist laut der Verteidigung nicht illegal. Sie räumen aber ein, Combs sei möglicherweise durch Drogen nicht komplett zurechnungsfähig gewesen und auch die häusliche Gewalt träfe zu.
Die Verteidigung sagte, Combs sei eine Person mit grossen charakterlichen Schwächen – doch er sei kein Menschenhändler und habe auch niemanden zum Sex gezwungen. «Er ist gewalttätig, er nimmt Drogen, und Sie wissen vielleicht von seiner Liebe zu Babyöl. Ist das ein Verbrechen? Nein!», meinte Combs Anwältin Teny Geragos. Das FBI hatte laut Anklageschrift 1000 Flaschen des Öls und Gleitmittel in seinem Anwesen entdeckt.
Sean Combs sagt im Prozess nicht aus. Die Verteidigung ruft auch keine Zeugen auf, um zu Combs Gunsten auszusagen.
Um zu zeigen, dass die Beteiligten freiwillig mitgemacht hätten, mussten Zeugen wie Cassie Ventura ihre Textnachrichten an Combs laut vorlesen, worin sie die Zuneigung gegenüber Combs ausdrückten. In einer hatte Ventura geschrieben, sie sei «immer bereit» für die Freak Offs oder dass sie ihn liebe.
Ex-Freundin Jane soll einem Sex-Arbeiter, der regelmässig an den Freak Offs teilgenommen habe, mehrmals geschrieben haben und mit ihm selbst die Sex-Treffen ausgemacht haben.
In einer Nachricht schrieb Ex-Assistentin Capricorn Clark, sie sei «total verknallt» in Combs und bei Mias Kreuzverhör wurde sie mit Social-Media-Posts konfrontiert, in denen sie von ihrer Arbeit für den Rapper schwärmte.
Vor dem Prozess wurde über zahlreiche hochkarätige A-Lister spekuliert, ob sie an den Freak Offs beteiligt seien. Im Prozess wurden jedoch keine grossen Enthüllungen gemacht. Demnach bestanden die Freak Offs meistens aus drei Personen: Sean Combs, seiner Partnerin und einem Prostituierten.
Trotz der schweren Anschuldigungen gegen Combs hält sein Kumpel Kanye West zu ihm. Mehrmals nahm er an den Prozessverhandlungen als Unterstützung für seinen Rapper-Kollegen teil.
Wie Insider berichten, sollen enge Vertraute von Combs seit Monaten Kontakte zu Personen aus dem Umfeld von US-Präsident Donald Trump knüpfen, um einen allfälliges Gnadengesuch zu erreichen.
Trump sagte bei einer Pressekonferenz auf den Rapper angesprochen: «Ich würde mir sicherlich die Fakten ansehen.» Demnach sei eine Begnadigung nicht ausgeschlossen.
Daraufhin schaltete sich auch Rapper 50 Cent ein, der seit Jahren ein erbitterter Erzfeind von Combs ist. «Er hat wirklich schlimme Dinge über Trump gesagt, das geht nicht», schrieb der Rapper auf Instagram. Beim besagten Video, in dem Combs bezüglich der Black-Lives-Matter-Proteste schlecht über Trump redete, verlinkte er auch gleich den US-Präsidenten.
(kek) mit Material von sda und dpa
Ich fasse zusammen:
In den USA müssen weiterhin nur Menschen ins Gefängnis, die weniger als 100 Millionen auf dem Konto haben.