Nach der Parlamentswahl in Polen bleiben die Nationalkonservativen laut Prognosen stärkste politische Kraft – dennoch könnten drei Oppositionsparteien die neue Regierung bilden. Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kam auf 36,8 Prozent der Stimmen, wie am Sonntagabend Nachwahlbefragungen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos ergaben. Zweitstärkste Kraft mit 31,6 Prozent wurde demnach die oppositionelle liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) des ehemaligen Ministerpräsidenten Donald Tusk.
In den Prognosen wurden der PiS 200 Sitze im neuen Parlament vorhergesagt. Die Mehrheit liegt bei 231 der 460 Mandate. Als Koalitionspartner kommt nur die ultrarechte Konfederacja infrage, mit der es laut Prognosen aber ebenfalls nicht für eine Regierungsmehrheit reicht. Das endgültige Wahlergebnis steht wohl erst am Dienstag fest.
Die oppositionelle Bürgerkoalition (KO) käme laut Prognosen auf 163 Mandate. Sie könnte mit dem christlich-konservativen Dritten Weg (13 Prozent) und dem Linksbündnis Lewica (8,6 Prozent) eine Koalition bilden. Das Dreierbündnis käme auf 248 Abgeordnete und hätte eine Mehrheit im Parlament.
Oppositionsführer Donald Tusk sah sich am Abend daher schon als Sieger: «Ich habe mich noch nie so sehr über den zweiten Platz gefreut. Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen, das ist das Ende der PiS-Regierung», sagte er am Wahlabend. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sagte, man warte auf den weiteren Verlauf der Ereignisse.
Bei der Wahl konnten gut 29 Millionen Wahlberechtigte abstimmen. Nach der Prognose lag die Wahlbeteiligung bei 73 Prozent. Dies wäre der höchste Wert bei einer Wahl seit dem Ende des Kommunismus in Polen. Hochrechnungen sind in Polen nicht üblich. Das offizielle Endergebnis wird am Dienstag erwartet.
Regierungssprecher Piotr Müller betonte, es sei in Polen politische Gepflogenheit, dass die stärkste politische Kraft den Auftrag zur Regierungsbildung erhalte. Diesen Auftrag vergibt der Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt. Duda hatte bereits vor der Wahl angekündigt, dass er sich an die Regel halten werde, die stärkste Fraktion zu beauftragen. Voraussichtlich wird er Morawiecki für diese Aufgabe auswählen.
Der mit der Regierungsbildung beauftragte Politiker stellt ein Kabinett zusammen. Dieses wird dann vom Präsidenten nominiert und muss sich vor dem Parlament zur Wahl stellen. Findet die neue Regierung keine Mehrheit im Parlament, kann das Parlament ein alternatives Kabinett vorschlagen.
Das Kräfteverhältnis im Parlament kann sich noch durch Nuancen von wenigen Prozentpunkten für kleinere Parteien verschieben. Erwartet wird eine langwierige Regierungsbildung.
Parallel zur Parlamentswahl sollten die Polen in einem Referendum unter anderem auch über den EU-Asylkompromiss abstimmen. Laut der Prognose beteiligten sich allerdings nur 40 Prozent der Wahlberechtigten an der Volksabstimmung. Damit wäre das für eine Gültigkeit nötige Quorum von mindestens 51 Prozent nicht erreicht. (sda/dpa)