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EU-Kommission billigt Plan für Auszahlung von Corona-Hilfen an Polen

EU-Kommission billigt Plan für Auszahlung von Corona-Hilfen an Polen

01.06.2022, 20:14
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Die EU-Kommission hat sich nach monatelangem Streit mit der polnischen Regierung auf einen Plan für die Auszahlung milliardenschwerer Corona-Hilfen verständigt. Der Plan sehe eine umfangreiche Reform des Justizwesens vor, um die Unabhängigkeit der polnischen Richter zu stärken, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwochabend. Sie will an diesem Donnerstag nach Warschau reisen und Details der Einigung vorstellen.

European Commission President Ursula von der Leyen talks with the press after an extraordinary meeting of EU leaders to discuss Ukraine, energy and food security at the Europa building in Brussels, Mo ...
Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mitteilte, sei eine Einigung erzielt worden.Bild: keystone

Bis Polen tatsächlich Geld aus dem 800 Milliarden Euro schweren Corona-Fonds erhält, wird es noch dauern - dazu muss Polen erst im Aufbauplan vereinbarte Zwischenziele erfüllen. Diese betreffen unter anderem das Justizwesen.

Insgesamt kann Polen der EU-Kommission zufolge auf die Auszahlung von 23.9 Milliarden Euro an Zuschüssen sowie zusätzlichen 11.5 Milliarden Euro an Krediten hoffen. Zuvor muss jedoch auch noch der Rat der 27 EU-Staaten den polnischen Plan billigen.

Dem Beschluss vom Mittwoch vorangegangen war ein erbitterter Streit über das polnische Justizsystem, das nach Ansicht der EU-Kommission die Unabhängigkeit der Richter beschneidet und europäische Standards unterläuft. Polen hatte seinen Corona-Aufbauplan bereits im Mai 2021 eingereicht. Um Geld aus der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) der EU zu erhalten, müssen Mitgliedstaaten einen Plan mit Investitions- und Reformvorhaben vorlegen, der eigentlich innerhalb von zwei Monaten von der Kommission beurteilt werden sollte. Die Genehmigung des polnischen Plans wurde allerdings verschoben.

Im Oktober kam es im Strassburger Europaparlament sogar zu einer persönlichen Konfrontation zwischen von der Leyen und Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. «Wir werden die Rechtsstaatlichkeit und die Verträge der Europäischen Union verteidigen, mit allen Mitteln», sagte von der Leyen damals. Polen werde nur dann Geld erhalten, wenn bestimmte Justizreformen zurückgenommen werden.

Die nun getroffene Einigung sieht nach Angaben der EU-Kommission unter anderem vor, dass Disziplinarverfahren gegen Richter von einem unabhängigen Gericht und nicht der umstrittenen Disziplinarkammer entschieden werden. Zudem dürfen Richter nicht disziplinarisch belangt werden, wenn sie den Europäischen Gerichtshof um Auslegung von EU-Recht bitten. Richter, die bereits von Entscheidungen der Disziplinarkammer betroffen sind, müssen diese Entscheidungen von einem unabhängigen Gericht überprüfen lassen dürfen.

Poland's Prime Minister Mateusz Morawiecki speaks to media before the second day's session of an extraordinary meeting of EU leaders to discuss Ukraine, energy and food security at the Europ ...
Mateusz Morawiecki.Bild: keystone

Nach jahrelanger Konfrontation hatte Warschau zuletzt ein Gesetz zu Änderungen des Justizsystems ins Parlament eingebracht. Ende Mai beschloss die erste Kammer des polnischen Parlaments, der Sejm, die Disziplinarkammer, die jeden Richter oder Staatsanwalt bestrafen und entlassen kann, abzuschaffen. Sie soll nun durch ein neues Gremium ersetzt werden. Am Mittwoch befasste sich auch noch die zweite Kammer des Parlaments, der Senat, mit dem von Präsident Andrzej Duda eingebrachten Gesetzentwurf. Stimmt der Senat zu, könnte Duda das Gesetz unterschreiben.

Polen war auch durch den russischen Krieg gegen die Ukraine in eine bessere Verhandlungssituation gekommen. Seit Kriegsbeginn sind bereits mehr als 3.5 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine in Polen angekommen. Die polnische Hilfsbereitschaft wurde immer auch durch von der Leyen positiv hervorgehoben.

Aus dem Europaparlament kam dennoch harsche Kritik. «Die EU Kommission lässt sich mit einem polnischen Justizreförmchen abspeisen», sagte die SPD-Politikerin Katarina Barley. Die tiefgreifenden Probleme im polnischen Justizsystem blieben. Nach wie vor gebe es keine Kontrolle der Regierung durch eine unabhängige Justiz und Urteile des Europäischen Gerichtshofs würden ignoriert.

Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund sprach von einem Signal, «dass Angriffe auf die unabhängige Justiz mit vielen Milliarden EU-Steuergeldern belohnt werden können». Die Taktik, erst radikal Schaden anzurichten und dann ein Stückchen zurückrudern, zahle sich aus. Der CSU-Politiker Markus Ferber kommentierte: «Polen hat sich in den vergangenen Wochen auf die EU zubewegt. Es ist aber noch nicht alles Gold, was glänzt.» Die Kommission müsse nun mit Argusaugen über die Umsetzung des polnischen Plans wachen. (saw/sda/dpa)

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