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Rassismus

Amsterdam: Antisemitische Attacken und Hooligans – das sind die Fakten

In this image taken from video, a group of pro-Palestinian protesters walk toward police line, with police vans driving in the background, near the soccer stadium in Amsterdam, Netherlands, Thursday,  ...
Propalästinensische Demonstrierende am Abend des Fussballspiels.Bild: keystone

Hooligans und antisemitische Angriffe in Amsterdam – was wir wissen

Letzte Woche machten junge Männer in Amsterdam mutmasslich Jagd auf Juden. Zuvor gab es auch Pöbeleien durch israelische Fans. Was wir wissen.
13.11.2024, 19:1714.11.2024, 13:07
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Die Welt reagierte schockiert auf die Berichte aus den Niederlanden nach einem Fussballspiel von Ajax Amsterdam gegen den israelischen Klub Maccabi Tel Aviv. Schnell war die Rede von einem antisemitischen «Pogrom» und in den sozialen Medien wurden viele Videos geteilt.

Doch das ist nicht die ganze Geschichte. Gerade vor dem Fussballspiel kam es auch zu Provokationen und Sachbeschädigungen durch einzelne Maccabi-Fans.

Wir suchten in einem Durcheinander von Emotionen und Ideologien die Fakten:

Der niederländische Bericht

Die Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema wollte es genau wissen und liess einen Bericht zu den Ereignissen rund um den Fussballmatch erstellen. Dieser wurde in der Nacht auf Dienstag veröffentlicht – auch im Namen der Justiz und der Polizei, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.

Geheimdienst-Einschätzung

Laut Bericht wussten die Amsterdamer Behörden bereits im Voraus, dass es sich um ein heikles Spiel handeln würde, das auch gleich am Vorabend des Jahrestags der Reichspogromnacht stattfand. Die Stadt wandte sich darum an den Geheimdienst für eine Einschätzung. Dieser meinte, von einer konkreten Bedrohung der Fans oder Spieler könne keine Rede sein.

Bereits Tage vor dem Spiel habe es Spannungen gegeben. In WhatsApp- und Telegram-Gruppen kam es zu Drohungen gegen Fans des israelischen Vereins Maccabi Tel Aviv – mit «viel Aggression und Aktionsbereitschaft».

Sachbeschädigungen durch Teile der Maccabi-Fans

Bereits in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag zog eine Gruppe von 50 Maccabi-Fans durch die Amsterdamer Innenstadt. Dabei zerstörten sie eine palästinensische Flagge an einem Haus. Einige von ihnen zogen ihre Gürtel aus und beschädigten Taxis.

Mehrere Taxifahrer folgten einem Onlineaufruf und fuhren zum Holland Casino – dort befanden sich zu dem Zeitpunkt rund 400 Maccabi-Fans. Zu einer grösseren Konfrontation kam es dank der Polizei nicht.

Die Amsterdamer Behörden dachten am Donnerstag darüber nach, das Spiel abzusagen. Dies sei jedoch juristisch nicht möglich gewesen und hätte wohl für mehr Unruhe gesorgt.

Angriffe auf israelische Fans

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag kam es nach dem Spiel zu antisemitischen Szenen und Misshandlungen einzelner Maccabi-Fans. Fünf mussten im Spital behandelt werden, 20 bis 30 Personen wurden leichter verletzt. Verschiedene Videos und Fotos hielten die Taten fest. Ein Teil der auf Social Media geteilten Aufnahmen würde aber «weder Amsterdam noch den Zeitraum, in dem sich die Vorfälle abspielten», betreffen, so der Bericht.

Ein Video, das an die Agentur Reuters verkauft wurde, zeige in Wirklichkeit gar keine Verfolgung von Juden, sondern eine Gruppe von Maccabi-Fans, die ihrerseits Personen in Amsterdam attackierten.

Die Festnahmen

Rund um das Fussballspiel nahm die Polizei 62 Personen fest. 49 davon wohnen in den Niederlanden, zehn in Israel. Vier Personen im Alter von 16 bis 26 Jahren sind weiterhin in Haft. Fünf weitere Verdächtige konnten dank Aufnahmen von Überwachungskameras identifiziert und festgenommen werden.

Das Fazit der Bürgermeisterin

Bürgermeisterin Halsema hält nach dem Bericht fest, was in Amsterdam passiert sei, sei «das Ergebnis eines giftigen Cocktails aus Antisemitismus, Hooliganismus und Wut über den Krieg in Palästina und Israel sowie in anderen Ländern des Nahen Ostens».

Die «Times»-Fakten

Antisemitische Angriffe

Die «New York Times» (NYT) konnte laut eigenen Angaben zwölf Videos verifizieren, die Gruppen von Männern zeigen, die auf der Suche nach Maccabi-Fans Personen ausfragten, verfolgten oder auf sie einschlugen.

Eines der Videos zeigt, wie ein Mann einen anderen über den Boden schleift, während ihn ein anderer beleidigt.

Interviews mit Augenzeugen und Amsterdamer Beamten sowie Screenshots von Kurznachrichten und Online-Videos, die von der NYT geprüft wurden, legen nahe, dass die Angreifer spezifisch israelische und jüdische Opfer suchten. Einige der Opfer wurden angehalten und gefragt, ob sie Israelis oder Juden seien. Von der «New York Times» geprüfte Videos zeigen, wie von einzelnen Personen verlangt wurde, dass sie ihre Pässe zeigen. Einige sagten in ihrer Not, sie seien keine Juden. Dieses Video zeigt einen solchen Vorfall (Trigger-Warnung: Gewalt).

Das Casino, in dem israelische Fans Zuflucht suchten, sagte laut NYT, es habe einen Wachmann gefeuert, der in einem Gruppenchat versprochen habe, dort zu informieren, sollten die Israelis wieder auftauchen. Jemand in der Gruppe antwortete:

«Morgen nach dem Spiel kommt Teil zwei der Judenjagd.»

Gewalt von Maccabi-Fans

Zwei Videos sollen gemäss NYT zeigen, wie eine Gruppe Männer, von denen mehrere Maccabi-Trikots tragen, einen Mann verfolgen und auf ihn einschlagen.

Ein von der «New York Times» verifiziertes Video zeigt, wie ein Mann mit einem Gegenstand auf ein Taxi einschlägt:

Ein weiteres von der NYT verifiziertes Video zeigt, wie eine Gruppe Männer, von denen viele Maccabi-Farben tragen, Gegenstände von einer Baustelle aufheben und damit auf einen Mann losgehen:

Die «New York Times» konnte ein weiteres Video verifizieren, das Maccabi-Fans bei ihrer Ankunft am Flughafen zeigt. Einige von ihnen stimmten anti-arabische Gesänge an:

Die «New York Times» veröffentlichte keine vollständige Liste der von ihr verifizierten Videos.

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120 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bivio
13.11.2024 21:25registriert März 2018
Also 1. selbst wenn es Provokationen durch 🇮🇱 Fans gegeben hätte, rechtfertigt nichts die Progrome durch die muslinischen Migranten. Da wurde nicht nur Jagd auf Juden gemacht sondern Leute wurden aufgefordert ihre Pässe vorzuzeigen, wie in Holland der 40er Jahre.
2) Warum wurde denn in den Tagen danach immer noch randaliert und weiter Jagd gemacht?
3) Ich sage es hier klipp und klar: Europa hat ein riesen Problem mit muslinischen Migranten. Da haben wir uns eine imense Gefahr für unser aller Leben und unsere Demokratie ins Land geholt.
Heute sind es die Juden und morgen jemand anders.
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Esther R.
13.11.2024 22:49registriert November 2018
In den sozialen Medien haben die Angreifer selber von „Jodenjacht“ gesprochen. Judenjagd. Nicht Jagd auf Maccabi Hooligans oder Zionisten oder gar Israelis. Juden.
Die Randalen haben weitergemacht auch nachdem die Israelis längst nicht mehr in Amsterdam waren.
Das sollte genug aussagen.

https://x.com/JudiskaUngdom/status/1856296953337786541

Diese Attacke auf einen Orthodoxen Teenager fand übrigens in Antwerpen, Belgien statt. Gab keinen Maccabi match in Antwerpen.
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Grüsel
13.11.2024 21:36registriert Dezember 2023
„junge Männer“

es sind ganz bestimmte „junge Männer“
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120
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