Olaf Scholz war zu Besuch in China bei Staatspräsident Xi Jinping, der vor wenigen Tagen noch seinen Vorgänger Hu Jintao öffentlich auf dem Parteitag gedemütigt hat. Das Treffen kommt zu einem schwierigen Zeitpunkt, sagen Kritiker der China-Reise.
Olaf Scholz spricht hingegen von einem Erfolg, denn der chinesische Staatschef spricht sich gegen den Einsatz nuklearer Waffen Russlands gegenüber der Ukraine aus.
Moderatorin Anne Will fragt zu diesem Anlass: «Raus aus der Abhängigkeit von Autokraten – wie ernst ist es Kanzler Scholz mit der Zeitenwende?»
Der aussenpolitisch erfahrene CDU-Politiker Norbert Röttgen sieht die Reise von Olaf Scholz als kein gutes Zeichen und spricht davon, dass der chinesische Präsident schon vorher den Einsatz von Nuklearwaffen in der Ukraine seitens Russlands nicht geduldet hätte.
Der Solo-Trip von Olaf Scholz nach China bringt Deutschland viele Nachteile, da aus seiner Sicht Partner wie Frankreich verstimmt sind und «die Rhetorik gegenüber China in den USA mit Kopfschütteln kommentiert wird».
Aus Röttgens Sicht hätte die Delegation, welche nur aus Konzernchefs besteht, und sowohl auf Macron als auch den tschechischen EU-Ratspräsidenten verzichtete, anders aufgestellt sein müssen.
Der für die SPD in der Sendung sitzende Oberbürgermeister Hamburgs Tschentscher wird kritisch von Anne Will auf die Delegation angesprochen, weicht aber aus und weist lediglich auf den Erfolg der Reise hin. Denn es wurden kritische Themen angesprochen und es muss jemand auch vor Ort sein, diesen Job hat Scholz gemacht.
Die @CDU sollte mehr @n_roettgen wagen ! Außenpolitisch wieder mit klarer Analyse und Haltung. Gegenüber den politischen Wettbewerbern konstruktiv. Keine populistischen Ausfälle wie zurzeit andere aus der Union. 👏#annewill
— Stefanswelt 🇪🇺🏳️🌈 (@Stefanswelt) November 6, 2022
Stormy-Annika Mildner wird erstmals ins Spiel gebracht und kritisiert ähnlich wie Röttgen die Auswahl der Delegation durch Scholz. Sie versteht zum einen die wirtschaftlichen Abhängigkeiten, China ist wichtiger Absatzmarkt, zugleich entwickelt sich für die Expertin für Aussenhandelspolitik das Land immer mehr zu einer Diktatur.
«Spiegel»-Chefredakteurin Amann kritisiert an der Reise vor allem, dass Scholz sich von der chinesischen Propaganda instrumentalisieren lässt, die Berichterstattung in China und generell das Timing ist für sie mehr als unglücklich, dazu ist für Europa schwierig, dass für China ein Dissens innerhalb Europas sichtbar wird.
Auch innerhalb der Ampel-Koalition gibt es zum Umgang mit China Streitigkeiten. So machte Aussenministerin Baerbock zuletzt bei einem Termin in Usbekistan Bundeskanzler Olaf Scholz unmissverständlich klar, dass im Koalitionsvertrag eine Haltung zu China bereits feststeht. Worauf hin SPD-Fraktionschef Mützenich die Aussenministerin rüffelte.
Darauf angesprochen findet Co-Vorsitzender der Grünen Nouripour die Scholz-Reise nach China richtig, betont aber nochmal Baerbocks Aussagen, wie diese Reise unterfüttert sein muss, beispielsweise durch eine andere Delegation. «Denn China braucht klare Leitplanken», so Nouripour. Über Mützenich sagt der Grünen-Politiker: «Ich kann vieles nicht nachvollziehen, was mein wundervoller Freund Rolf die letzten Tage so von sich gegeben hat» und bezieht sich dabei auch auf Aussagen zum Ukraine-Konflikt.
Interessant wird es, als es um den Hamburger Hafen geht. Norbert Röttgen spricht nämlich den nächsten Punkt an, bei dem die Koalition sich uneins war, als Olaf Scholz gegen sechs Bundesministerien einen Deal mit dem chinesischen Konzern Cosco zum Kauf von Anteilen (24.9 Prozent) am Hamburger Hafen durchsetzt. In der China-Politik sieht der CDU-Politiker ein schweres Versagen, woraufhin Nouripour kontert, dass auch die CDU bezüglich Unabhängigkeit zu China zuvor nichts gemacht habe.
Der Hamburger Oberbürgermeister Tschentscher verteidigt den Deal, es dürfen eben Handelsbeziehungen nicht abgebaut werden. Zugleich kauft sich China hier keine kritische Infrastruktur, was auch der Finanzminister Christian Lindner bestätigt hat, wie der SPD-Politiker gleich zweimal betont. Auch in anderen europäischen und amerikanischen Häfen hat Cosco Anteile, es ist aus seiner Sicht absolut branchenüblich, was in Hamburg passiert.
Anne Will hakt kritisch nach, dass Tschentscher wie Scholz zuvor hier besserwisserisch klingt, als hätten die kritischen Stimmen den Deal nicht verstanden. Woraufhin der Oberbürgermeister noch mal betont, dass er es gut finde, dass der Cosco-Einstieg kritisch beäugt wurde, man sich zugleich aber keine Sorgen machen müsse.
Tschentscher argumentiert, dass Chinas Einstieg in den Hamburger Hafen doch nur richtig sei, weil es in anderen europäischen Häfen längst stärkere Anteile habe. Als wäre es besonders clever, bei Chinas Machtspiel einfach mitzuspielen. Mir wird ein bisschen schwindlig. #AnneWill
— Marius Mestermann (@DerMestermann) November 6, 2022
Nachdem die Redaktion eine Bevölkerungs-Umfrage dazu, ob die chinesische Beteiligung am Hamburger Containerterminal eine richtige Entscheidung war, eingeblendet hat, verliert der sonst ruhige Oberbürgermeister leicht die Fassung und teilt gegen die Medien aus.
Immerhin 69 Prozent lehnten die Beteiligung ab, was aus einer Sicht an der Überschrift geleiteten Berichterstattung liegen würde, schliesslich dachte jeder Bürger dadurch, dass China direkt den Hafen kauft.
Tiefpunkt: @TschenPe wirft Presse in Deutschland „Desinformation“ vor, weil sie falsch über Beteiligung Chinas an #hamburgerhafen berichte. Alternativ hätten Bürger den Deal nicht verstanden. #Deutschlandtrend nur deswegen ablehnend (69% gegen Deal). #Annewill pic.twitter.com/Lx1XXa9cJZ
— Leon Müller (@LeonTMueller) November 6, 2022
Auch den Social-Media-Plattformen kreidet der SPD-Politiker Stimmungsmache bezüglich des Cosco-Einstiegs an.
Nouripour von den Grünen, immerhin Koalitionspartner, kritisiert den Hamburger Oberbürgermeister für seine Haltung scharf und wirft ihm vor, die Leute für blöd zu verkaufen: «So wie Sie es darstellen, ist es nicht.»
Die Grünen waren aus seiner Sicht klar gegen den Verkauf, «jede vergrösserte Abhängigkeit ist schlecht für Deutschland», so der Co-Vorsitzende der Grünen.
Wie #Nouripour gerade ggü Tschentscher die Geduld verliert ist mehr als verständlich. Tschentscher ist ein furchtbarer Politiker, der sich alles dreht wie er will, losgelöst von der Realität, schon beim Thema Corona, jetzt immer weiter #AnneWill
— Jean Mikhail (@JeanMunk) November 6, 2022
Der Grünen-Politiker betont zugleich, dass Olaf Scholz sich den Abhängigkeiten gegenüber bewusst ist und auch der Fall der Halbleiter-Fabrik in Dortmund, welche China kaufen möchte, zeigt, wie engagiert die SPD in dieser Frage abgesehen vom Einzelfall Hamburg ist. Hier setzt sich vor allem Kevin Kühnert gegen einen Verkauf ein.
Kurz spricht Anne Will den in Teheran geborenen Nouripour auf die Problematik im Iran an. In einem emotionalen Monolog berichtet er davon, dass die Lage ihn quält und zugleich noch viel zu wenig gegen das Regime gemacht wird. Er kann zugleich aber versprechen, dass im Moment alles in ihrer Macht Stehende getan wird, um beispielsweise für im Iran für Gewalt verantwortliche Gruppierungen auf die EU-weite Terrorliste zu setzen.
Das Schlusswort hat die Aussenhandels-Expertin Mildner, welche die Einstiegsfrage der Sendung beantworten darf und Bundeskanzler Olaf Scholz darin bestärkt, eine starke europäische Position gegenüber China und generell Autokratien zu finden. Querelen innerhalb der Koalition und vor allem innerhalb der EU machen «uns» angreifbar.