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Hamburger Bürgermeister verteidigt China-Deal bei «Anne Will»

Hamburgs Oberbürgermeister bei «Anne Will».
Hamburgs Oberbürgermeister Peter Tschentscher sah sich bei «Anne Will» mit kritischen Fragen konfrontiert wegen des Hafen-Deals mit China.Screenshot: ARD
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Hamburger Bürgermeister verteidigt China-Deal bei «Anne Will»

07.11.2022, 20:07
Daniel Guggeis, watson.de
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Olaf Scholz war zu Besuch in China bei Staatspräsident Xi Jinping, der vor wenigen Tagen noch seinen Vorgänger Hu Jintao öffentlich auf dem Parteitag gedemütigt hat. Das Treffen kommt zu einem schwierigen Zeitpunkt, sagen Kritiker der China-Reise.

Olaf Scholz spricht hingegen von einem Erfolg, denn der chinesische Staatschef spricht sich gegen den Einsatz nuklearer Waffen Russlands gegenüber der Ukraine aus.

Moderatorin Anne Will fragt zu diesem Anlass: «Raus aus der Abhängigkeit von Autokraten – wie ernst ist es Kanzler Scholz mit der Zeitenwende?»

Die Gäste

  • Omid Nouripour (Die Grünen): Co-Parteivorsitzender und Mitglied des Bundestags
  • Peter Tschentscher (SPD): Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg
  • Stormy-Annika Mildner: Direktorin Aspen Institute Germany, Expertin für Aussenhandelspolitik
  • Norbert Röttgen (CDU): Mitglied im Auswärtigen Ausschuss
  • Melanie Amann: Leiterin Hauptstadtbüro «Der Spiegel» und Mitglied der Chefredaktion

Der Auftakt

Röttgen: Die USA schüttelt über deutsche Rhetorik zu China nur den Kopf

Der aussenpolitisch erfahrene CDU-Politiker Norbert Röttgen sieht die Reise von Olaf Scholz als kein gutes Zeichen und spricht davon, dass der chinesische Präsident schon vorher den Einsatz von Nuklearwaffen in der Ukraine seitens Russlands nicht geduldet hätte.

Der Solo-Trip von Olaf Scholz nach China bringt Deutschland viele Nachteile, da aus seiner Sicht Partner wie Frankreich verstimmt sind und «die Rhetorik gegenüber China in den USA mit Kopfschütteln kommentiert wird».

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Norbert Röttgen äusserte sich in der TV-Talk-Runde kritisch über Scholz' Reise nach China.archivBild: keystone

Aus Röttgens Sicht hätte die Delegation, welche nur aus Konzernchefs besteht, und sowohl auf Macron als auch den tschechischen EU-Ratspräsidenten verzichtete, anders aufgestellt sein müssen.

Der für die SPD in der Sendung sitzende Oberbürgermeister Hamburgs Tschentscher wird kritisch von Anne Will auf die Delegation angesprochen, weicht aber aus und weist lediglich auf den Erfolg der Reise hin. Denn es wurden kritische Themen angesprochen und es muss jemand auch vor Ort sein, diesen Job hat Scholz gemacht.

Stormy-Annika Mildner wird erstmals ins Spiel gebracht und kritisiert ähnlich wie Röttgen die Auswahl der Delegation durch Scholz. Sie versteht zum einen die wirtschaftlichen Abhängigkeiten, China ist wichtiger Absatzmarkt, zugleich entwickelt sich für die Expertin für Aussenhandelspolitik das Land immer mehr zu einer Diktatur.

Koalitionspartner Grüne und SPD im Streit bei China-Frage

«Spiegel»-Chefredakteurin Amann kritisiert an der Reise vor allem, dass Scholz sich von der chinesischen Propaganda instrumentalisieren lässt, die Berichterstattung in China und generell das Timing ist für sie mehr als unglücklich, dazu ist für Europa schwierig, dass für China ein Dissens innerhalb Europas sichtbar wird.

Auch innerhalb der Ampel-Koalition gibt es zum Umgang mit China Streitigkeiten. So machte Aussenministerin Baerbock zuletzt bei einem Termin in Usbekistan Bundeskanzler Olaf Scholz unmissverständlich klar, dass im Koalitionsvertrag eine Haltung zu China bereits feststeht. Worauf hin SPD-Fraktionschef Mützenich die Aussenministerin rüffelte.

Darauf angesprochen findet Co-Vorsitzender der Grünen Nouripour die Scholz-Reise nach China richtig, betont aber nochmal Baerbocks Aussagen, wie diese Reise unterfüttert sein muss, beispielsweise durch eine andere Delegation. «Denn China braucht klare Leitplanken», so Nouripour. Über Mützenich sagt der Grünen-Politiker: «Ich kann vieles nicht nachvollziehen, was mein wundervoller Freund Rolf die letzten Tage so von sich gegeben hat» und bezieht sich dabei auch auf Aussagen zum Ukraine-Konflikt.

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Omid Nouripour, Co-Parteivorsitzender der Grünen, sieht hinsichtlich der China-Politik auch bei der CDU schwere Versagen.archivBild: keystone

Der Eklat

Tschentscher: Medien stellten es so dar, als würde China den Hafen kaufen

Interessant wird es, als es um den Hamburger Hafen geht. Norbert Röttgen spricht nämlich den nächsten Punkt an, bei dem die Koalition sich uneins war, als Olaf Scholz gegen sechs Bundesministerien einen Deal mit dem chinesischen Konzern Cosco zum Kauf von Anteilen (24.9 Prozent) am Hamburger Hafen durchsetzt. In der China-Politik sieht der CDU-Politiker ein schweres Versagen, woraufhin Nouripour kontert, dass auch die CDU bezüglich Unabhängigkeit zu China zuvor nichts gemacht habe.

Der Hamburger Oberbürgermeister Tschentscher verteidigt den Deal, es dürfen eben Handelsbeziehungen nicht abgebaut werden. Zugleich kauft sich China hier keine kritische Infrastruktur, was auch der Finanzminister Christian Lindner bestätigt hat, wie der SPD-Politiker gleich zweimal betont. Auch in anderen europäischen und amerikanischen Häfen hat Cosco Anteile, es ist aus seiner Sicht absolut branchenüblich, was in Hamburg passiert.

Anne Will hakt kritisch nach, dass Tschentscher wie Scholz zuvor hier besserwisserisch klingt, als hätten die kritischen Stimmen den Deal nicht verstanden. Woraufhin der Oberbürgermeister noch mal betont, dass er es gut finde, dass der Cosco-Einstieg kritisch beäugt wurde, man sich zugleich aber keine Sorgen machen müsse.

Nachdem die Redaktion eine Bevölkerungs-Umfrage dazu, ob die chinesische Beteiligung am Hamburger Containerterminal eine richtige Entscheidung war, eingeblendet hat, verliert der sonst ruhige Oberbürgermeister leicht die Fassung und teilt gegen die Medien aus.

Immerhin 69 Prozent lehnten die Beteiligung ab, was aus einer Sicht an der Überschrift geleiteten Berichterstattung liegen würde, schliesslich dachte jeder Bürger dadurch, dass China direkt den Hafen kauft.

Auch den Social-Media-Plattformen kreidet der SPD-Politiker Stimmungsmache bezüglich des Cosco-Einstiegs an.

Nouripour von den Grünen, immerhin Koalitionspartner, kritisiert den Hamburger Oberbürgermeister für seine Haltung scharf und wirft ihm vor, die Leute für blöd zu verkaufen: «So wie Sie es darstellen, ist es nicht.»

Die Grünen waren aus seiner Sicht klar gegen den Verkauf, «jede vergrösserte Abhängigkeit ist schlecht für Deutschland», so der Co-Vorsitzende der Grünen.

Der Grünen-Politiker betont zugleich, dass Olaf Scholz sich den Abhängigkeiten gegenüber bewusst ist und auch der Fall der Halbleiter-Fabrik in Dortmund, welche China kaufen möchte, zeigt, wie engagiert die SPD in dieser Frage abgesehen vom Einzelfall Hamburg ist. Hier setzt sich vor allem Kevin Kühnert gegen einen Verkauf ein.

Was ist mit Iran?

Mildner: Brauchen eine gemeinsame europäische Position gegenüber China

Kurz spricht Anne Will den in Teheran geborenen Nouripour auf die Problematik im Iran an. In einem emotionalen Monolog berichtet er davon, dass die Lage ihn quält und zugleich noch viel zu wenig gegen das Regime gemacht wird. Er kann zugleich aber versprechen, dass im Moment alles in ihrer Macht Stehende getan wird, um beispielsweise für im Iran für Gewalt verantwortliche Gruppierungen auf die EU-weite Terrorliste zu setzen.

Das Schlusswort hat die Aussenhandels-Expertin Mildner, welche die Einstiegsfrage der Sendung beantworten darf und Bundeskanzler Olaf Scholz darin bestärkt, eine starke europäische Position gegenüber China und generell Autokratien zu finden. Querelen innerhalb der Koalition und vor allem innerhalb der EU machen «uns» angreifbar.

Quellen

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MartinZH
07.11.2022 20:30registriert Mai 2019
Peinlicher Auftritt des Hamburger Bürgermeisters Tschentscher. Aber eigentlich nicht verwunderlich, dass er ein SPD-ler ist...

Seine Argumentation greift in vielen Punkten viel zu kurz: Z.B. wenn er behauptet, dass "China" einfach festlegen könne, dass der Hamburger Hafen nicht mehr bedient wird – und dass damit dann der Wohlstand gefährdet sei.

Wie lange will sich Deutschland denn noch weiter erpressen lassen? Nichts von Russland gelernt?

Der SPD-Kanzler könnte ja 'mal auf Mark Rutte zugehen und einen europ. Pakt anstreben, damit China nicht einfach DE/Hamburg mit Rotterdam erpressen kann.
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