SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht durch die Beteiligung Chinas an einem Containerterminal in Hamburg nicht die kritische Infrastruktur Deutschlands gefährdet. Er sprach am Dienstag bei «Markus Lanz» von einer «völligen Überhöhung dieser Entscheidung».
«Für die SPD ist ganz klar: Die klare Lehre aus dem, was wir bei der Energieabhängigkeit von Russland erlebt haben, auch mit den Infrastrukturen, ist, dass sich das nicht wiederholen darf», betonte Kühnert zwar in der ZDF-Talkshow. Aber:
«Ich bin voll dabei, über Abhängigkeiten zu sprechen», sagte der SPD-Generalsekretär mit Blick auf Deutschlands wichtigsten Handelspartner. «Aber die Abhängigkeit liegt in dem Handelsvolumen, das wir haben und nicht in dieser Beteiligung» in Höhe von 35 Prozent «am kleinsten der Umschlagplätze im Hamburger Hafen». Kühnert unterstellte ausländischen Kritikern an dem Deal zudem eigennützige Motive.
«Es ist einfach durchsichtig, dass uns andere europäische Standorte, die um ein Vielfaches mehr als diese Beteiligung zugelassen haben und mit dem Hamburger Hafen in direkter Konkurrenz stehen, uns jetzt zurufen ‹Macht nicht, was wir schon gemacht haben›, ohne dass sie selbst Abstand davon nehmen», sagte Kühnert. Stattdessen werde eine europäische Strategie benötigt, um sich geschlossen von China unabhängig zu machen.
Der Sozialdemokrat hatte mit seiner Haltung die gesamte Runde im Studio gegen sich, allen voran den Gastgeber. Beim Hafen im griechischen Piräus habe es auch mit einer geringen chinesischen Beteiligung angefangen – «jetzt kontrollieren sie das ganze Ding», meinte Lanz. «Das strebt hier ja überhaupt gar keiner an», erwiderte Kühnert. «Niemand hat die Absicht...?», provozierte der Moderator (und bezieht sich dabei auf die Rhetorik aus 1961 von Walter Ulbricht, der mit dem Satz «Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu erbauen» zum grössten Lügner der deutschen Geschichte wurde). «Das ist jetzt nun wirklich albern. Das ist unter Ihrem Niveau», meinte der Gast.
Lanz liess nicht locker. Kühnerts Ruf nach einer Chinastrategie kanzelte der Moderator ab: «Das ist Blasensprechen. Das ist wirklich warme Luft. Sie können doch nicht sagen, wir brauchen eine Strategie und müssen raus aus Abhängigkeit und dafür steigen wir dann erst mal ein? Ich bitte Sie. Welcher Logik folgt das?»
Sönke Neitzel, Professor für Militärgeschichte an der Universität Potsdam, sah das ähnlich. Er zog Parallelen zur russischen Gaspipeline Nord Stream 2, die von der Grossen Koalition gegen alle Widerstände aus den USA, von osteuropäischen Staaten oder Sicherheitsexperten durchgesetzt worden war, als er vorschlug: «Treffen wir uns in fünf Jahren und schauen, was dabei rausgekommen ist.»
«Natürlich kauft sich China Einfluss», ordnete die FAZ-Wirtschaftsexpertin Julia Löhr den von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterstützten Deal ein. «Man verliert ein Stück weit die Kontrolle», laute auch die Warnung aus dem Bundeswirtschaftsministerium.
Eine Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns in Höhe von 35 Prozent klinge nicht nach viel. Deutschland sei aber ein Puzzleteil in einer grossen Strategie. «Wollen wir das zulassen?», fragte Löhr. Sie warnte vor unabsehbaren Konsequenzen für den Hamburger Hafen, sollte China tatsächlich Taiwan angreifen und der Westen daraufhin Sanktionen gegen die Volksrepublik erlassen.
Neitzel sah in der Unterstützung des Kanzlers und ehemaligen Ersten Bürgermeisters Hamburgs Olaf Scholz für den Deal auch die Gefahr, dass der Verdacht des Klüngels aufkommt. Scholz wende sich gegen die Meinung von sechs Bundesministerien: «Das ist fürs Vertrauen nicht gut.»
Versäumnisse sah der Militärexperte auch bei der deutschen Unterstützung für die Ukraine. «Wir müssen mehr tun», forderte Neitzel und hielt fest: Hätte sich die Ukraine auf Deutschland verlassen, würde es sie heute nicht mehr geben.
Der Historiker warnte vor falschen Hoffnungen, dass Russland im Angriffskrieg die Mittel ausgehen. «Es ist noch nicht mal der Anfang vom Ende, aber das Ende vom Anfang», sagte Neitzel bei «Markus Lanz». Der Krieg habe quasi gerade erst begonnen. «Wir sind am Ende der ersten Phase. Die Russen spielen auf Zeit. Jetzt ist die grosse Frage: Wozu sind die Ukrainer in der Lage?»
Zur aktuellen, brutalen Offensive Russlands meinte der Experte: «Die gute Nachricht ist: Mit diesen Methoden hat noch niemand einen Krieg gewonnen.» Stattdessen würde dieser Terror die Moral und den Widerstandswillen der Bevölkerung stärken, trotz aller furchtbaren Folgen für sie.
Dass der russische Machthaber Wladimir Putin nun iranische Kampfdrohnen einsetzt, wertete der Militärexperte als Zeichen der Schwäche: «Das ist, als wenn die Amerikaner bei Amazon ihre Waffen kaufen würden.»
Ähnlich sah es der aus der Ukraine zugeschaltete CNN-Reporter Frederik Pleitgen. Der ehemalige Moskau-Korrespondent des US-Nachrichtensenders berichtet seit einigen Wochen aus der Ukraine und war gerade an der Front.
Er sprach bei Lanz von einer «Vernichtungsschlacht» des Kreml. Die Drohnen würden in der Bevölkerung natürlich Angst und Schrecken verbreiten, wenn solch ein Schwarm über einer Stadt auftauche. Der Sohn des ehemaligen WDR-Intendanten Fritz Pleitgen sah aber eher einen Schockeffekt als einen langfristigen strategischen Vorteil für Russland. Der Ukraine gelinge es mittlerweile, mehr von diesen Kampfdrohnen abzufangen.