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Wie Wladimir Putin versucht, Russlands Verletzlichkeit zu kaschieren

Kreml-Propaganda-Maschine läuft: Putin versucht, seine Verletzlichkeit zu kaschieren

Mit gleich mehreren Auftritten in der Öffentlichkeit positioniert sich Russlands Präsident Wladimir Putin nach der Mini-Revolte vom Wochenende als Bewahrer des inneren Friedens. Nicht, ohne zur Zielscheibe des Spotts zu werden.
28.06.2023, 10:4028.06.2023, 10:40
Inna Hartwich, Moskau / ch media
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Am Dienstagmittag schreitet Russlands Präsident Wladimir Putin über den roten Teppich die Treppen des Facettenpalastes im Kreml herunter. Hunderte von Soldaten in Camouflage haben sich auf dem Gelände versammelt. Er dankt ihnen für «die Entschlossenheit und den Mut», sie hätten «faktisch einen Bürgerkrieg verhindert». Es ist Putins Signal der Einheit, das Heraufbeschwören des «patriotischen Zusammenhaltes», ohne den das «Vaterland in diesen schwierigen Zeiten» nicht zu halten sei.

Russian President Vladimir Putin delivers a speech to the units of the Russian Defense Ministry, the Russian National Guard (Rosgvardiya), the Russian Interior Ministry, the Russian Federal Security S ...
Putins Dank an die Streitkräfte geht ins Leere: In Moskau kümmert sich die Bevölkerung kaum noch über die Ereignisse vom Wochenende.Bild: keystone

Bereits am Abend zuvor hatte sich Putin nach dem gescheiterten Aufstand von Jewgeni Prigoschin und seiner Paramilitär-Truppe Wagner noch einmal positioniert. Er wollte Boden zurückgewinnen, den er durch Prigoschins Kurzzeit-Revolte am Wochenende in so kurzer Zeit verloren hatte, wollte innerhalb von fünf Minuten zeigen: «Hier bin ich, ich bin der legitimierte Präsident, ich lebe. Und ich lasse mich nicht erpressen.»

Putin wählte vor braunen Holzpaneelen freilich andere Worte, um sich als den Bewahrer des inneren Friedens zu verkaufen. Er beeilte sich zu zeigen, dass er das gesamte Volk und seinen gesamten Apparat hinter sich wisse. Sich der «Verantwortung für das Schicksal des Vaterlandes» bewusst, hätten sich «alle Ebenen in Einheit versammelt», sagte er.

Dass sich kaum einer aus der Regierung - verunsichert durch die Gefahr, die auf Moskau in Form von Panzern zurollte - am Samstag öffentlich hinter Putin stellte, dass niemand aus der Bevölkerung, von der es stets heisst, sie stünde zu 80 Prozent hinter ihrem Präsidenten, auch nur mit dem kleinsten Plakat à la «Wladimir Wladimirowitsch, wissen Sie uns hinter Ihnen» auf die Strasse gewagt hatte, wird in der offiziellen Erzählung voller Lobhudelei nicht erwähnt.

epa10712844 Members of a family watch Russian President Vladimir Putin's video address to the Nation on a tv screen, in Moscow, Russia, 26 June 2023. The Russian President on 26 June evening made ...
Eine russische Familie verfolgt Putins zweite Ansprache ans Volk am Montagabend.Bild: keystone

Machtkämpfe trägt das russische Regime grundsätzlich nicht öffentlich aus. Prigoschin aber hat mit dieser ungeschriebenen Regel gebrochen und Putin auf schmachvolle Weise herausgefordert.

In seiner Montagsrede erneuerte Putin seinen Vorwurf des Hochverrats, nannte Prigoschin aber, wie bereits am Samstag, nicht beim Namen. Ein Blutvergiessen sei gestoppt worden, Russlands «Feinde» hätten auf einen solchen «Brudermord» gesetzt, die Ukraine und der Westen «wollten, dass sich russische Soldaten gegenseitig umbringen», wetterte er. Die Version, der Westen habe zum Aufstand beigetragen, ist ein neuer Spin des offiziösen Moskaus.

Russlands Aussenminister Sergej Lawrow hatte bereits zuvor ähnlich gesprochen, staatliche Fernsehsender pflegen nun ebenfalls dieses Narrativ. Den Wagner-Kämpfern bescheinigte Putin die nötige «Vaterlandsliebe» und rief sie auf, Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium zu unterschreiben, nach Hause oder nach Weissrussland ins Exil zu gehen.

Was der Kreml als «schicksalsbestimmende Rede» angekündigt hatte (und später behauptete, es nie so genannt zu haben), war eine zornige Wiederholung dessen, was Putin bereits am Samstag gesagt hatte, als der Aufstand in vollem Gange war. Der Spott war ihm sogleich sicher. «Stimmt mit meiner Leitung etwas nicht, kommt da noch was?», fragten selbst die patriotischsten Kriegsunterstützer in ihren Telegram-Kanälen. «Und jetzt gute Nacht, oder wie?»

Offiziell kommen die Wagner-Söldner straffrei davon

Das Staatsfernsehen sendete nach dem Auftritt für knapp 30 Sekunden aus der Sitzung des Sicherheitsrates. Es waren lediglich Putins Begrüssungsworte an alle Vertreter der sogenannten Silowiki, auch der Verteidigungsminister Sergej Schojgu war zu sehen, den Prigoschin so gern ausgeliefert bekommen hätte. Die Aufnahmen sollten zeigen, wie geschlossen der Apparat hinter Putin steht.

Prigoschin soll derweil in Weissrussland angekommen sein. Am Dienstag soll sein Jet bei Minsk gelandet sein. Ob sich der gescheiterte Meuterer an Bord befand, war allerdings nicht bekannt. Prigoschin hatte sich bereits am Montag in einer Audiobotschaft geäussert. Einen «Machtwechsel» habe er nie gewollt, er habe lediglich «schwerwiegende Sicherheitsprobleme» aufgezeigt. Er habe nicht zusehen wollen, wie seine Truppe aufgelöst werde, deshalb der «Protest».

This handout photo taken from video released Tuesday, June 27, 2023 by Belarus' Presidential Press Office, shows Belarusian President Alexander Lukashenko delivering his speech during a ceremony  ...
Belarus-Diktator Alexander Lukaschenko meldete sich am Dienstag ebenfalls zu Wort.Bild: keystone

Nun wird seine Truppe auf anderem Wege aufgelöst, bleibt dabei straffrei, wie der Inlandsgeheimdienst FSB am Dienstag offiziell bestätigte. Was mit den Paramilitärs in Weissrussland passiert, sagte allerdings auch der weissrussische Präsident Alexander Lukaschenko nicht, der ebenfalls am Dienstag vor ausgesuchten Journalisten in Minsk sprach.

«Es war sehr schmerzhaft für mich, das anzusehen», sagte er. Derweil soll Russlands Nationalgarde, Putin direkt unterstellt, mit schwerem Kriegsgerät ausgestattet werden. Prigoschin ist weg, Putins eigene Privatarmee soll nun dessen Ziele in der Ukraine verfolgen. (aargauerzeitung.ch)

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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Liebu
28.06.2023 12:28registriert Oktober 2020
Hunderte von Soldaten in Camouflage haben sich auf dem Gelände versammelt. Er dankt ihnen für «die Entschlossenheit und den Mut», sie hätten «faktisch einen Bürgerkrieg verhindert».

Und was haben sie denn genau getan?
200km vor der Wagnertruppe mit den Knien geschlottert und danach Gott gedankt, hat Prigoschin zur Umkehr befohlen und damit selber den Bürgerkrieg verhindert, den er auch selber fast anzettelte.
Das ist wirklich an Mut und Entschlossenheit nicht zu überbieten.
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Martin Baumgartner
28.06.2023 12:12registriert Juni 2022
"Entschlossenheit und Mut"
Hätten sie den wirchklich gehabt, wäre Putin nicht mehr an der Macht. Die Chanche kommt so schnell nicht wieder!
Schande!
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TommyGun
28.06.2023 12:45registriert Oktober 2020
"Gehen sie bitte weiter, hier gibt es nichts zu sehen...". Das derzeitige "offizielle" Narrativ der Kreml Trolls ist derzeit übrigens, dass der Putsch gut für Putin war und seine Macht weiter stärkt. So haben seine Feinde ihr Gesicht gezeigt und jetzt kann er seine Macht konsolidieren und deshalb dann auch den Ukrainekrieg ganz locker gewinnen. Der nächste Schritt dürfte dann sein die Putschgeschichte der NATO und den Amerikanern anzuhängen, die das grosse Vaterland angegriffen haben.
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