Am Dienstagmittag schreitet Russlands Präsident Wladimir Putin über den roten Teppich die Treppen des Facettenpalastes im Kreml herunter. Hunderte von Soldaten in Camouflage haben sich auf dem Gelände versammelt. Er dankt ihnen für «die Entschlossenheit und den Mut», sie hätten «faktisch einen Bürgerkrieg verhindert». Es ist Putins Signal der Einheit, das Heraufbeschwören des «patriotischen Zusammenhaltes», ohne den das «Vaterland in diesen schwierigen Zeiten» nicht zu halten sei.
Bereits am Abend zuvor hatte sich Putin nach dem gescheiterten Aufstand von Jewgeni Prigoschin und seiner Paramilitär-Truppe Wagner noch einmal positioniert. Er wollte Boden zurückgewinnen, den er durch Prigoschins Kurzzeit-Revolte am Wochenende in so kurzer Zeit verloren hatte, wollte innerhalb von fünf Minuten zeigen: «Hier bin ich, ich bin der legitimierte Präsident, ich lebe. Und ich lasse mich nicht erpressen.»
Putin bedankt sich schon wieder bei dem gesamten Personal der Streitkräfte, Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitsdienste, die am Samstag grösstenteils abgetaucht sind, „für ihren Mut, ihre Tapferkeit und ihre Loyalität gegenüber dem russischen Volk“.😅 pic.twitter.com/KZhwtML7Pd
— ASorin🗽 (@artursorin) June 27, 2023
Putin wählte vor braunen Holzpaneelen freilich andere Worte, um sich als den Bewahrer des inneren Friedens zu verkaufen. Er beeilte sich zu zeigen, dass er das gesamte Volk und seinen gesamten Apparat hinter sich wisse. Sich der «Verantwortung für das Schicksal des Vaterlandes» bewusst, hätten sich «alle Ebenen in Einheit versammelt», sagte er.
Dass sich kaum einer aus der Regierung - verunsichert durch die Gefahr, die auf Moskau in Form von Panzern zurollte - am Samstag öffentlich hinter Putin stellte, dass niemand aus der Bevölkerung, von der es stets heisst, sie stünde zu 80 Prozent hinter ihrem Präsidenten, auch nur mit dem kleinsten Plakat à la «Wladimir Wladimirowitsch, wissen Sie uns hinter Ihnen» auf die Strasse gewagt hatte, wird in der offiziellen Erzählung voller Lobhudelei nicht erwähnt.
Machtkämpfe trägt das russische Regime grundsätzlich nicht öffentlich aus. Prigoschin aber hat mit dieser ungeschriebenen Regel gebrochen und Putin auf schmachvolle Weise herausgefordert.
In seiner Montagsrede erneuerte Putin seinen Vorwurf des Hochverrats, nannte Prigoschin aber, wie bereits am Samstag, nicht beim Namen. Ein Blutvergiessen sei gestoppt worden, Russlands «Feinde» hätten auf einen solchen «Brudermord» gesetzt, die Ukraine und der Westen «wollten, dass sich russische Soldaten gegenseitig umbringen», wetterte er. Die Version, der Westen habe zum Aufstand beigetragen, ist ein neuer Spin des offiziösen Moskaus.
Russlands Aussenminister Sergej Lawrow hatte bereits zuvor ähnlich gesprochen, staatliche Fernsehsender pflegen nun ebenfalls dieses Narrativ. Den Wagner-Kämpfern bescheinigte Putin die nötige «Vaterlandsliebe» und rief sie auf, Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium zu unterschreiben, nach Hause oder nach Weissrussland ins Exil zu gehen.
Was der Kreml als «schicksalsbestimmende Rede» angekündigt hatte (und später behauptete, es nie so genannt zu haben), war eine zornige Wiederholung dessen, was Putin bereits am Samstag gesagt hatte, als der Aufstand in vollem Gange war. Der Spott war ihm sogleich sicher. «Stimmt mit meiner Leitung etwas nicht, kommt da noch was?», fragten selbst die patriotischsten Kriegsunterstützer in ihren Telegram-Kanälen. «Und jetzt gute Nacht, oder wie?»
Das Staatsfernsehen sendete nach dem Auftritt für knapp 30 Sekunden aus der Sitzung des Sicherheitsrates. Es waren lediglich Putins Begrüssungsworte an alle Vertreter der sogenannten Silowiki, auch der Verteidigungsminister Sergej Schojgu war zu sehen, den Prigoschin so gern ausgeliefert bekommen hätte. Die Aufnahmen sollten zeigen, wie geschlossen der Apparat hinter Putin steht.
Prigoschin soll derweil in Weissrussland angekommen sein. Am Dienstag soll sein Jet bei Minsk gelandet sein. Ob sich der gescheiterte Meuterer an Bord befand, war allerdings nicht bekannt. Prigoschin hatte sich bereits am Montag in einer Audiobotschaft geäussert. Einen «Machtwechsel» habe er nie gewollt, er habe lediglich «schwerwiegende Sicherheitsprobleme» aufgezeigt. Er habe nicht zusehen wollen, wie seine Truppe aufgelöst werde, deshalb der «Protest».
Nun wird seine Truppe auf anderem Wege aufgelöst, bleibt dabei straffrei, wie der Inlandsgeheimdienst FSB am Dienstag offiziell bestätigte. Was mit den Paramilitärs in Weissrussland passiert, sagte allerdings auch der weissrussische Präsident Alexander Lukaschenko nicht, der ebenfalls am Dienstag vor ausgesuchten Journalisten in Minsk sprach.
«Es war sehr schmerzhaft für mich, das anzusehen», sagte er. Derweil soll Russlands Nationalgarde, Putin direkt unterstellt, mit schwerem Kriegsgerät ausgestattet werden. Prigoschin ist weg, Putins eigene Privatarmee soll nun dessen Ziele in der Ukraine verfolgen. (aargauerzeitung.ch)
Und was haben sie denn genau getan?
200km vor der Wagnertruppe mit den Knien geschlottert und danach Gott gedankt, hat Prigoschin zur Umkehr befohlen und damit selber den Bürgerkrieg verhindert, den er auch selber fast anzettelte.
Das ist wirklich an Mut und Entschlossenheit nicht zu überbieten.
Hätten sie den wirchklich gehabt, wäre Putin nicht mehr an der Macht. Die Chanche kommt so schnell nicht wieder!
Schande!