
Vier-Sterne-General Philip Breedlove.
Bild: EPA/ANSA
Philip Breedlove, bis vor kurzem oberster Befehlshaber
der NATO in Europa, erklärt, wie er Putin stoppen will.
23.06.2016, 17:4623.06.2016, 18:30

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Zwischen 2013 und
2016 war Philip Breedlove oberster Befehlshaber der US-Truppen in Europa und
hatte die gleiche Funktion auch innerhalb der NATO inne. In der jüngsten
Ausgabe des geopolitischen Magazins «Foreign Affairs» erklärt er die Strategie
der NATO gegenüber Russland.
«Russland hat bewiesen, dass es mit wenig Anstrengung Washington und seine Alliierten in Angst versetzen kann.»
Philip Breedlove
Nach dem Ende des
Kalten Krieges fuhren die Amerikaner ihre militärische Präsenz in Europa massiv
zurück, und zwar von über 400'000 Mann auf weniger als 100'000. Für die USA
rückten andere Prioritäten in den Vordergrund: Irak, Afghanistan und
neuerdings auch China.
Russland hat die Militärausgaben jährlich erhöht
Auch die anderen
NATO-Staaten zogen ihre Friedensdividende ein und kürzten ihre Militärausgaben.
«Nur eine Handvoll von NATO-Staaten sind heute in der Lage, Kampfhandlungen
durchzuführen, und keine (ausser den USA) kann es über einen längeren Zeitraum
tun», klagt Breedlove.

Russische Truppen bei einem Checkpoint 70 Kilometer entfernt von Tiflis.
Bild: EPA
Ganz anders Russland.
Nachdem die chaotische Jelzin-Phase vorbei war, begann ein systematischer
Neuaufbau der Streitkräfte. «Nach 1998 erhöhte Russland jedes Jahr seine
Militärausgaben», stellt Breedlove fest. «Gleichzeitig begann es, sich
systematisch in die Angelegenheiten seiner Nachbarn einzumischen,
beispielsweise indem es mehrmals die Gaslieferungen in die Ukraine
aussetzte.»
«Die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten sollten proaktiv werden und die russischen Pläne durchkreuzen, bevor Moskau aggressiv handelt.»
Philip Breedlove
2008 wurde dem Westen
schlagartig klar, dass Russland sich wieder in der Rolle des grossen
Widersachers des Westens sieht. Putin nützte die Tatsache aus, dass die USA mit
dem Irak und Afghanistan beschäftigt waren und liess seine Truppen in Süd-Ossetien
einmarschieren. Damals war dies noch Teil von Georgien und Georgien war im Begriff,
sich der NATO anzunähern.
Masterplan für Ukraine
«Das russische
Vorgehen in Georgien war der Masterplan für die Aktionen in der Ukraine»,
stellt Breedlove fest. Spätestens dann war klar, dass Putin keineswegs ein
friedliches Mitglied eines europäischen Hauses sein würde, wie sich der Westen
dies gewünscht hätte.
Im Gegenteil: Schon
2005 hatte Wladimir Putin seine inzwischen legendäre Äusserung gemacht, wonach
der Kollaps der UdSSR die «grösste geopolitische Katastrophe des 20.
Jahrhunderts» gewesen sei. Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim hatte
er die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. «Die Grundlage jeder Strategie in
Europa muss die Erkenntnis sein, dass Russland eine dauernde und existenzielle
Bedrohung für die USA, ihre Alliierten und das internationale System ist», so
Breedlove.

Hat schon als Teenager gelernt, zuzuschlagen: Wladimir Putin.
Bild: EPA
Ebenfalls von Putin
stammt die Äusserung, wonach er als Teenager in St.Petersburg gelernt habe, stets
als Erster zuzuschlagen. Breedlove rät daher zum gleichen Vorgehen. «Die Vereinigten
Staaten und ihre Alliierten sollten proaktiv werden und die russischen Pläne
durchkreuzen, bevor Moskau aggressiv handelt», stellt er fest.
Die rasche Eingreiftruppe der NATO
Die NATO hat deshalb
ihre militärischen Bemühungen erhöht, um allfällige russische Aktionen frühzeitig kontern zu können. Sie führt vermehrt Manöver durch und hat eine so genannte «Very
High Readiness Joint Task Force» ins Leben gerufen, eine Elite-Brigade, die innert
kürzester Zeit in Aktion treten kann. Im letzten Sommer hat die NATO auch
angekündigt, ihre Response Force auf 40'000 Mann aufzustocken.
«Russland hat
bewiesen, dass es mit wenig Anstrengung Washington und seine Alliierten in Angst
versetzen kann», so Breedlove. Das soll sich mit der neuen Strategie ändern.
«Der Kreml respektiert nur Stärke und nimmt jede Gelegenheit wahr, wenn andere
schwach oder nicht aufmerksam sind», warnt Breedlove. «Deshalb müssen die
Vereinigten Staaten und die NATO auf der Hut sein.»
So tickt Putin – privat wie politisch
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So tickt Putin – privat wie politisch
Text-Auszüge aus der Biografie «Putin – Innenansichten der Macht»: (Im Bild: Der achtjährige Wladimir 1960 auf einem Klassenfoto in Leningrad, das später St.Petersburg heissen wird.) Putins Jugend: Wohnraum ist knapp. In einer Kommunika, wie die städtischen Gemeinschaftswohnungen genannt werden, in denen mehrere Familien aufeinandersitzen, lebt auch Putin mit seiner Familie in einem Zimmer. ... ...
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