Am Sonntag hat Kanada bekannt gegeben, eine Turbine der Gas-Pipeline Nord Stream 1 zurück nach Russland zu schicken. Diese war davor im nordamerikanischen Land gewartet worden. Dafür erntet Kanada nun harsche Kritik von Seiten der Ukraine – der Westen hingegen unterstützt die Pläne der Regierung um Justin Trudeau.
Die Turbine gehört zur Pipeline Nord Stream 1, welche Gas aus Russland nach Deutschland befördert. Zu Wartungszwecken musste diese nach Kanada befördert werden. Danach war lange Zeit unklar, ob man diese aufgrund der Sanktionen nach Russland zurückschicken würde.
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Zuletzt gerieten die Gaslieferungen über die Pipeline nach Europa allerdings ins Stocken. Im Juni wurden die Gaslieferungen in diverse Länder gedrosselt. Gemäss dem «Guardian» wurde nur noch 40 Prozent von der üblichen Menge geliefert. Als Grund gab Russland Wartungsarbeiten an. Und am Freitag hiess es vom Kreml, die Lieferungen könnten wieder erhöht werden, falls die Turbine aus Kanada zurückgeschickt werde. Auch Deutschland drängte immer wieder auf eine Lieferung.
Dieser Forderung kam die kanadische Regierung schliesslich nach. Am Sonntag gab der zuständige kanadische Minister Jonathan Wilkinson bekannt, man habe der Firma Siemens Kanada, welche für die Wartung der Turbine zuständig war, «eine zeitlich begrenzte und widerrufbare Erlaubnis» gegeben, diese zurückzuschicken.
Als Grund dafür gab Wilkinson die starke deutsche Abhängigkeit vom russischen Gas an. Deutschland würde sonst riskieren, dass man im Winter zuhause nicht mehr heizen könne, so der Minister.
Please see below for my statement. pic.twitter.com/YbZsn8dWmd
— Jonathan Wilkinson 🇨🇦 (@JonathanWNV) July 10, 2022
Gleichzeitig stellte er in seinem Statement klar, der Entscheid sei nicht zugunsten Russlands und damit gegen die Ukraine gefällt worden. «Kanada steht bei der unprovozierten und brutalen Invasion Russlands hinter der Ukraine und wird weiterhin koordiniert mit den Verbündeten arbeiten», heisst es.
Die Ukraine hat gegen den kanadischen Entscheid scharfen Protest eingelegt. Angesichts dieser inakzeptablen Ausnahme beim Sanktionsregime gegen Russland sei der kanadische Botschafter einbestellt worden, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montagabend im Onlinedienst Telegram.
Dieser Vorgang werde in Moskau als Zeichen der Schwäche gewertet, sagte der ukrainische Präsident. Es bestehe kein Zweifel, dass Russland nicht nur die Gaslieferungen so weit wie möglich herunterfahren wolle. Tatsächlich wolle Russland den Gashahn für Europa vollständig zudrehen – und dies im schmerzlichsten Moment. Aufgrund dieses Entscheids sei der kanadische Botschafter einberufen worden, so Selenskyj.
In seiner täglichen Videobotschaft kam Selenskyj dann erneut auf den Entscheid Kanadas zu sprechen. «Wenn ein terroristischer Staat eine solche Ausnahme bei den Sanktionen durchsetzen kann, welche Ausnahmen will er dann morgen oder übermorgen? Diese Frage ist sehr gefährlich», sagte der ukrainische Präsident. «Und gefährlich nicht nur für die Ukraine, sondern auch für alle Länder der demokratischen Welt.»
Jedes Zugeständnis werde von der russischen Führung als Anreiz für weiteren, stärkeren Druck wahrgenommen, sagte Selenskyj. «Russland hat sich im Energiesektor nie an die Regeln gehalten und wird es auch jetzt nicht tun, es sei denn, es sieht Stärke.»
Wenig überraschend zeigte sich Deutschland zufrieden über den Entscheid der kanadischen Regierung. «Wir begrüssen die Entscheidung unserer kanadischen Freunde und Verbündeten», liess Olaf Scholz verlauten.
Auch aus den USA gab es für die kanadische Regierung Rückendeckung. «Wir unterstützen die Entscheidung, die Turbine zurückzugeben», so Sprecher Ned Price. Dies würde es Deutschland und anderen Ländern Europas ermöglichen, ihre Vorräte aufzufüllen. «So kann man den russischen Bemühungen entgegenwirken, die Energieversorgung als Waffe einzusetzen.»
Vorübergehend wird trotz der Rückgabe der Turbine kein Gas über Nord Stream geliefert – dies ist aber schon länger klar. Russland gab zuletzt bekannt, dass die Pipeline aufgrund von Wartungsarbeiten die Lieferungen einstellen muss.
Danach soll nach Angaben des Kremls wieder eine grössere Menge an Gas nach Deutschland geliefert werden können. Ob es so weit kommen wird, ist aber offen – viele in Deutschland sind skeptisch. «Russland beliefert Deutschland jetzt nur noch über die Transgas-Pipeline durch die Ukraine», sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Die Regierung in Moskau könnte die Liefermengen durch die Ukraine jederzeit erhöhen, um ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Dazu fehlt Wladimir Putin aber offenbar der politische Wille.» Wenn die gewartete Turbine bis zum Ende der Nord-Stream-Wartung am 21. Juli wieder eingebaut sei, «hätte Russland kein Argument mehr, die Liefermengen beim Gas weiterhin zu drosseln».
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte zuletzt regelmässig Bedenken geäussert, ob Russland die Gaslieferungen tatsächlich wieder hochfahren wird. «Es kann sein, dass wieder mehr Gas fliesst, auch mehr als davor», sagte er dazu, «es kann aber auch sein, dass gar nichts mehr ankommt.» Man müsse sich also auf das Schlimmste einstellen. Trotz der Zweifel hatte sich aber auch er für eine Lieferung der Turbine eingesetzt. «Ich bin der Erste, der für ein weiteres, starkes EU-Sanktionspaket kämpft, aber starke Sanktionen bedeuten, dass sie Russland und Putin mehr schaden müssen als unserer Wirtschaft», hatte er dazu gesagt. «Deshalb bitte ich um Verständnis, dass wir Putin diese Turbinenausrede nehmen müssen.» (dab)
Mit Material von Keystone-SDA
Da müssen wir durch, es wird uns helfen unabhängiger und freier zu werdne. Es kann ja nicht sein, dass Europa von einem Diktator und Mörder abhängig ist und sich von der Russenmafia erpressen lässt.
Nur Fahnen aufhängen und nette Worte reichen halt nicht.