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Das hat Russland jetzt mit der Ukraine und dem Westen vor

Das hat Russland jetzt mit der Ukraine und dem Westen vor

Putins Aussenminister legt in einem Interview dar, unter welchen Voraussetzungen Russland zu Verhandlungen bereit ist. Für die Ukraine bedeutet das nichts Gutes.
01.01.2025, 08:25
Christoph Cöln / t-online
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t-online

Pünktlich zum Jahreswechsel hat sich Russland an die Ukraine gewendet. Kurz vor den Silvester-Feierlichkeiten meldete sich der russische Aussenminister Sergej Lawrow zu Wort. In einem Interview mit der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass sprach Lawrow unter anderem über mögliche Friedensverhandlungen. Dabei legte der 74-Jährige erneut seine ganz spezielle Sicht der Dinge dar.

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Sergej Lawrow will Russland weiterhin die ganze Ukraine einverleiben.Bild: keystone

Demnach sei Russland bereit für Verhandlungen – allerdings nur zu den Bedingungen, die Machthaber Putin vorgegeben hat. «Die Position Russlands in Bezug auf die Lösung des Ukraine-Konflikts ist allgemein bekannt», sagte Lawrow in dem Gespräch mit der kremlfreundlichen Nachrichtenagentur Tass.

«Sie wurde von Präsident Wladimir Putin bei vielen Gelegenheiten dargelegt, auch auf der Jahrespressekonferenz am 19. Dezember. Wir waren immer zu Gesprächen bereit, und wir sind es immer noch.»

Lawrow betonte, dass sich die Positionen Moskaus nicht verändert hätten und alle Kriegsziele nach wie vor erreicht werden sollen. Dazu zähle die Unterwerfung der Ukraine, die Absetzung der Regierung in Kiew und das Verhindern einer Nato-Mitgliedschaft des Landes. Der Kreml rückt demnach kein Stück von seinen aggressiven Absichten ab, mit denen Putin sein Land 2022 in die umfassende Invasion der Ukraine getrieben hat.

Putin-Regime verschärft die Rhetorik gegenüber Kiew

Der russische Aussenminister machte erneut deutlich, dass das Putin-Regime sich an keinen Friedensverhandlungen beteiligen wolle, solange die Ukraine nicht den Versuch aufgebe, ihre territoriale Integrität in den Grenzen von 1991 wiederherzustellen, also die von Russland völkerrechtswidrig annektierten Gebiete zurückzuerlangen. Dahingehende Aussagen aus Kiew bezeichnete Lawrow als «Ultimatum» an sein Land. Damit verschärfte er die Rhetorik gegenüber der Regierung von Wolodymyr Selenskyj.

Den ukrainischen Präsidenten bezeichnete Lawrow erneut als Teil des «Neo-Nazi-Regimes in Kiew», das es zu stürzen gelte. Auf die Frage des Interviewers, was es für Russland bedeute, dass Selenskyj kürzlich öffentlich einräumte, die Ukraine könne die von Russland eroberten Gebiete mit militärischen Mitteln kaum wiedererlangen, sagte der 74-jährige Diplomat: «Wer weiss, was Wolodymyr Selenskyjs öffentliche Erkenntnis bedeutet … Er gibt alle möglichen Erklärungen ab. Um ehrlich zu sein, haben wir aufgehört, ihm zuzuhören.»

Die Äusserung Selenskyjs war als erster Schritt gedeutet worden, dass die Ukraine sich verhandlungsbereit gegenüber Russland zeigen könnte, was die territoriale Integrität des Landes betrifft. Selenskyj selbst hatte angekündigt, dass er den Krieg im Jahr 2025 beenden wolle und dabei vor allem auf diplomatische Bemühungen setze. Allerdings könne er die von Russland gewaltsam eroberten Gebiete nicht einfach aufgeben, «das verbietet die ukrainische Verfassung», so der 46-Jährige Mitte Dezember im Interview mit der französischen Zeitung «Le Monde».

ISW: Russland nicht wirklich an Verhandlungen interessiert

Die Autoren der US-Denkfabrik Institute For The Study Of War (ISW) sehen Lawrows Ankündigungen als Versuch, vor Donald Trumps Amtsantritt im Weissen Haus Druck auf die Ukraine und ihre Verbündeten auszuüben. «Russland versucht wahrscheinlich auch, den Westen dazu zu bringen, die Ukraine zur Anerkennung und Akzeptanz territorialer Zugeständnisse zu zwingen, von denen Russland langfristig profitiert», so die Militärexperten.

Offenbar sieht sich das Regime von Diktator Putin derzeit in einer günstigen Position, bei etwaigen Friedensverhandlungen zumindest einige wichtige Etappenziele bei der vollständigen Unterwerfung des Nachbarlandes zu erreichen. Dazu zählt vorwiegend der Ausschluss einer baldigen Nato-Mitgliedschaft Kiews. Denn diese würde für die Ukraine weitreichende Sicherheitsgarantien bedeuten, die es Russland erschweren könnten, in einigen Jahren das Nachbarland erneut anzugreifen.

Lawrow machte in diesem Punkt eine vielsagende Andeutung: «Ich persönlich möchte darauf hinweisen, dass wir verlässliche und rechtsverbindliche Vereinbarungen benötigen, die die Ursachen des Konflikts beseitigen und einen Mechanismus besiegeln, der die Möglichkeit einer Verletzung dieser Vereinbarungen ausschliesst.»

Lawrow: USA müssen antirussische «Doktrin» aufgeben

Zu den Ursachen des «Konflikts», wie der russische Aussenminister den brutalen Überfall der russischen Armee auf die Ukraine nennt, sagte er später noch dies: «In der Tat hat die Nato ihre Reichweite seit vielen Jahren ausgeweitet, was eine der Hauptursachen für die Ukraine-Krise war. Vor diesem Hintergrund ist es nach wie vor unabdingbar, einen bündnisfreien Status für die Ukraine als Teil der Ziele der militärischen Sonderoperation [Anm.: offizielle Sprachregelung für den Krieg gegen die Ukraine in Russland] sicherzustellen. Ihre Ziele müssen erreicht werden.»

Die Experten des ISW schliessen aus Lawrows Äusserungen, dass Russland in Wirklichkeit gar nicht an Verhandlungen mit der Ukraine interessiert ist und weiterhin die totale Kapitulation der Ukraine anstreben wird.

Selenskyj sagte in seiner Neujahrsansprache, dass man dem Regime von Wladimir Putin weder im Kampf noch in Gesprächen trauen könne.

«Wenn Russland heute deine Hand schüttelt, bedeutet das nicht, dass dieselbe Hand dich morgen nicht töten wird.»

Für das kommende Jahr kündigte der ukrainische Staatschef an, sein Land weiter zu stärken. «Nur ein starkes Land wird respektiert und gehört, sowohl auf dem Schlachtfeld als auch am Verhandlungstisch.»

Ukraine's President Volodymyr Zelenskyy speaks addresses a media conference during an EU summit in Brussels, Thursday, Dec. 19, 2024. (AP Photo/Geert Vanden Wijngaert)
Macht sich keine Illusionen zu Russlands Glaubwürdigkeit: Wolodymyr Selenskyj.Bild: keystone

Grosses Vertrauen setzt Selenskyj in den designierten US-Präsidenten Trump. «Ich habe keinen Zweifel, dass der neue amerikanische Präsident Frieden will und in der Lage sein wird, Putins Aggression zu beenden.»

Lawrow liess in seinem Interview jedoch durchblicken, dass man in Moskau bislang wenig begeistert von den amerikanischen Vorschlägen sei. «Wir sind natürlich nicht glücklich über die Vorschläge von Mitgliedern des Trump-Teams, die Aufnahme der Ukraine in die Nato um 20 Jahre zu verschieben und britische und europäische Friedenstruppen in der Ukraine zu stationieren.» Erst wenn die USA diese Position und ihre antirussische «Doktrin» aufgeben würden, so Lawrow, könne es zu einem Dialog kommen.

Verwendete Quellen:

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249 Kommentare
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Käpt'n Balu
01.01.2025 09:09registriert August 2024
Und wieder frage ich mich, wieso wir Europäer nichts gelernt haben… Geschichte ist da, um nicht vergessen zu werden! Nurnein starkes Europa ist frei!
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Rethinking
01.01.2025 09:07registriert Oktober 2018
Es wäre das Dümmste, würde der Westen auf sowas eingehen…

Trump müsste klar sein, dass seine Eier winzig klein Schrumpfen, wenn er Putin Zugeständnisse macht..

Auf der Weltbühne wären die USA und der Westen schwach, was dazu führen wird, dass Putin, Kim, Xi und ihre Kumpels sich immer mehr Rausholen werden…

Stattdessen sollte Trump alle überraschen und der Ukraine mit einer nie dagewesenen Unterstützung ohne, das dauernde Zaudern und Angst haben zum Sieg verhelfen…

DANN wäre Trump der Obermacker. Aber nur dann…
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Ja genau
01.01.2025 09:11registriert April 2022
So, wie Putin will, sind es leider keine konstruktiven Gespräche.
2009
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