Ein russischer Ex-Soldat hat sich in einer dramatischen Videobotschaft auf Telegram direkt an Präsident Wladimir Putin gewandt. Darin prangert er massive Korruption in der Armee an und belastet ranghohe Offiziere schwer. Der Mann diente laut eigenen Angaben zuletzt in einem Sturm-Bataillon, das im Donbas kämpft.
In seinem Videoappell wirft der Veteran dem Kommandanten des östlichen Militärdistrikts, Generalleutnant Andrej Iwanajew, sowie Generalleutnant Juri Grekow vor, mit korrupten Offizieren zu kooperieren und sich auf Kosten der einfachen Soldaten zu bereichern.
Konkret sollen die beiden Generäle den früheren Bataillonskommandanten Alexei Klochkow (Rufname «Tschekist») abgesetzt haben, weil dieser sich weigerte, humanitäre Hilfsgüter zu verkaufen oder Schmiergelder nach oben weiterzureichen. Klochkow galt unter seinen Männern als integer und geachtet.
Sein von den beiden Generälen eingesetzter Nachfolger, Kurabek Abdulajewitsch Karaew («Resort»), soll dagegen bereits einschlägig vorbestraft sein. Jetzt betreibe er in der Einheit ein korruptes System, das die eigenen Soldaten ausbeute und Gewinnanteile an die beiden Generäle abliefere. Laut Video hat Karaew unter anderem Hilfsgüter, Drohnen und Ausrüstung, die von Freiwilligen oder Angehörigen gespendet wurden, konfisziert und an seine eigenen Läden weitergeleitet.
Die Soldaten des Bataillons seien dann gezwungen worden, dort ihre Ausrüstung für den Fronteinsatz zu kaufen. Auch Urlaubsansprüche und staatliche Auszeichnungen seien nur gegen Bestechung erhältlich gewesen. So soll ein Urlaubsschein 300'000 Rubel gekostet haben, umgerechnet rund 3090 Franken.
Doch die Vorwürfe im Videoappell gehen noch weiter: Karaew und seine Offiziere sollen sogar befohlen haben, verwundete Kameraden zu töten und deren Tod zu melden, um schneller neue Ersatzsoldaten anfordern zu können. Als sich Männer weigerten, hätten stellvertretende Kommandeure die Tötungen selbst durchgeführt. Um seine Stellung an der Spitze des Bataillons zu sichern, umgab sich Karaew mit persönlichen Bodyguards.
Der Ex-Soldat, der inzwischen desertiert ist, appelliert direkt an Putin, Karaew und seine Protektoren Grekow und Iwanajew zur Rechenschaft zu ziehen: «Warum kommt [Karaew] mit allem davon? Es gibt niemanden mehr, auf den wir uns verlassen können – nur auf Sie.» Seine Videobotschaft wurde auch in verschiedenen anderen sozialen Medien geteilt.
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 sind in den sozialen Medien bereits zahlreiche solche Videoappelle veröffentlicht worden. Sie alle verweisen auf das gemeinsame Muster von militärischen Vorgesetzten, die den Kriegseinsatz in der Ukraine zur persönlichen Bereicherung auf Kosten ihrer Untergebenen ausnutzen. Auch wenn die Echtheit der einzelnen Whistleblower in den Videos kaum überprüft werden kann, werden sie von westlichen Experten als glaubwürdig eingeschätzt.
All diesen Botschaften ist gemein, dass sie nicht nur auf die systemische Korruption in der russischen Armee hinweisen, sondern auch belegen, wie gut Putins Herrschaft funktioniert. Nie wird in den Videos der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen die Ukraine an sich oder die oberste Kreml-Führung infrage gestellt. Stattdessen wird an «den guten Zaren» appelliert, jene Missstände abzustellen, die korrumpierte Untergebene vermeintlich hinter seinem Rücken und ohne sein Wissen verursachen.
Aber auch die ukrainische Armee wird aktuell von einem neuen Korruptionsskandal heimgesucht: Laut Recherchen der Zeitung «Ukrainska Pravda» soll der Kommandant der 155. Brigade, Oberst Taras Maksimow, ein System aufgezogen haben, in dem gefälschte Bonuszahlungen für angebliche Fronteinsätze vergeben wurden – gegen Bestechungsgelder von den eigenen Soldaten. Über 1200 Fälle von unerlaubtem Fernbleiben von der Truppe sowie gravierende Versorgungslücken sind ebenfalls Teil der Vorwürfe.
Die Fahnder der staatlichen Ermittlungsbehörde gehen davon aus, dass die Bestechungspraxis systematisch innerhalb der Brigade organisiert wurde. Im Mai wurde bereits der stellvertretende Kommandant eines Drohnenbataillons verhaftet. Er soll als Mittelsmann zwischen Soldaten und Brigade-Stab agiert haben.
Die 155. Brigade «Anna von Kiew» war nach dem russischen Überfall als Vorzeigeprojekt der ukrainischen Armeereform vorgesehen. Sie wurde mit westlicher Hilfe ausgestattet und in Frankreich trainiert. Doch schon 2024 geriet sie wegen massiver Desertion in die Kritik. Über 1700 Soldaten verliessen die Truppe in nur acht Monaten.
General Mykhailo Drapatyi, der Kommandeur der ukrainischen Landstreitkräfte, verspricht nun eine kompromisslose Aufarbeitung: «Wer seine eigene Brigade ausplündert, soll hart bestraft werden.» (nib/bzbasel.ch)
Dann kommen die Russen hoffentlich auf das gleiche Resultat 1917 und Putschen ihn weg.