International
Russland

Trotz Putins Befehl: Russische Offizielle fahren ausländische Karossen

Mercedes statt Aurus – nehmen russische Behörden Putins Anordnung nicht ernst?

Wladimir Putin hat seinen Offiziellen untersagt, in ausländischen Karossen zu fahren. Doch die Realität sieht offenbar anders aus.
19.08.2023, 16:2019.08.2023, 16:20
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Russische Behörden scheinen sich bei der Wahl der Dienstkarossen einer Empfehlung von Wladimir Putin zu widersetzen. Dieser hatte vor einigen Wochen nahegelegt, dass russische Offizielle doch bitte Fahrzeuge aus heimischer Produktion und nicht ausländische Marken verwenden sollen. Damit wollte der Kremlchef ein Signal setzen, die heimische Autoindustrie zu unterstützen.

Als er gebeten wurde, den Import zu erlauben, habe er gesagt, dass dies absolut ausgeschlossen werden sollte. «Alle Beamten des Landes müssen inländische Autos fahren», sagte der Präsident laut Medienberichten. Er selbst benutzt eine spezielle Version der russischen Marke Aurus. Allerdings wurde er bei einem Besuch der Krim-Brücke im Dezember in einem Mercedes gesichtet.

Der Aurus als russische Staatskarosse. 
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=68870760
Inländische Karosse: Der Aurus bei der Inauguration von Wladimir Putin im Jahr 2018. Bild: Wikimedia/kremlin.ru

Doch offenbar hat sich die Weisung des russischen Präsidenten noch nicht überall herumgesprochen. Ausgerechnet einer seiner Getreuen und Vorgänger im Amt, Dimitri Medwedew, wurde diese Woche gesehen, wie er in einem Mercedes-Konvoi vorfuhr.

Das Portal Verstka sieht darin keinen Einzelfall. Dessen Recherchen haben ergeben, dass Russland allein im August fast 53 Millionen Rubel, etwa eine halbe Million Euro, für ausländische Fahrzeuge ausgegeben hat. In Sochi soll es eine Ausschreibung für einen Minivan gegeben haben, die auf ein bestimmtes Modell von Mercedes passen soll. Eine Firma des Ministeriums für Landbesitz soll einen Mercedes V 300 d 4MATIC kaufen wollen. Man habe sich damit herausgeredet, dass man keine Staatsbehörde sei und dem Bann nicht unterliege, so Verstka. Andere Ministerien und Unterabteilungen sollen koreanische und chinesische Limousinen bestellt haben.

Das oppositionelle russische Portal Agentstvo veröffentlichte einen Bericht, nachdem in russischen Ministerien die ebenfalls von Putin verbannten Apple-Produkte verwendet werden. Der Präsident hatte im Juli den Einsatz untersagt, weil er befürchtet, dass sie für westliche Spionage verwendet werden könnten.

Die Anordnung, die Verwendung ausländischer Autos und Apple-Produkte einzustellen, «wird schwer umzusetzen sein, weil es auf dem Markt nicht viele Alternativen gibt», sagte Oleg Ignatow, leitender russischer Analyst der Denkfabrik Crisis Group, gegenüber dem US-Magazin «Newsweek». Nachdem westliche Autohersteller Russland verlassen hätten, gebe es nur noch ausländische Alternativen, so Ignatow.

Offizielle würden gehobenere Limousinen bevorzugen. Diese würden aber so gut wie gar nicht in Russland hergestellt, so der Analyst. Auch bei Smartphones stehe Russland vor einem Dilemma: Entweder man benutze die westlichen Betriebssysteme iOS oder Android oder man installiere ein chinesisches System.

Ein Aufstand gegen Putins Wünsche sind die Sichtungen von Limousinen und iPhones wohl nicht. Auch wenn er nach dem Prigoschin-Aufstand – wie der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz es sagte – nicht mehr so fest im Sattel sitze wie zuvor, seien die Eliten in Moskau dennoch vorsichtig, so der Analyst. Sie würden sich wohl bald fügen. Ein Ausweg könnte die inländische Produktion von Modellen aus China oder der Iran bieten. Derzeit führt die russische Marke Lada den Automarkt an, berichtet Reuters. Doch auf den nächsten Plätzen stehen bereits die chinesischen Hersteller Haval, Chery und Geely. Weitere russische Hersteller sind der SUV-Produzent Sollers und die Luxusmarke Aurus.

Verwendete Quellen:

  • reuters.com: "Kremlin tells officials to stop using iPhones - Kommersant newspaper"
  • reuters.com:"Russian car sales rebound in July as Putin touts domestic vehicles"
  • verstka.media: "ЗА НЕДЕЛЮ ПОСЛЕ ТРЕБОВАНИЯ ПУТИНА ПЕРЕСАДИТЬ ЧИНОВНИКОВ ..." (russisch)
  • newsweek.com: "Russian Officials Appear to be Ignoring Putin's Orders"

()

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Anschläge auf Gegner von Putin und der russischen Elite
1 / 14
Anschläge auf Gegner von Putin und der russischen Elite
Der russische Despot Wladimir Putin lässt politische Gegner und kritische Journalistinnen nicht nur mundtot machen, sondern umbringen. Diese Bildstrecke ruft einige der schlimmsten Fälle in Erinnerung...
quelle: ap/pool sputnik kremlin / alexei druzhinin
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Hilferufe von der Front – russische Soldaten appellieren mit Videos an Putin
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
27 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
AFK
19.08.2023 16:56registriert Juni 2020
Die russische Autoindustrie wird Jahrzehnte hinter der wesentlichen sein, ausserdem fehlen sämtliche Zulieferer für ABS, Airbags, Motorsteuerungen usw. Die einzige Chance ist China. Russland geht in komplette Abhängigkeit, und das wird wohl auch Xi's Plan sein. Während Ru versucht die Ukraine feindlich zu übernehmen werden sie von China freundlich übernommen. Und da auch China auf alternative Energien setzt wird es längerfristig auch nicht mehr so viel Öl und Gas aus Ru benötigen bzw. die Preise diktieren.
811
Melden
Zum Kommentar
avatar
Stargoli
19.08.2023 16:49registriert Januar 2015
Wenn sich die Betroffenen daran halten würden, wäre man wohl eher wieder mit Kutschen unterwegs. Hoffe es geht wenigstens den Pferden in Russland gut.
480
Melden
Zum Kommentar
avatar
Schlaf
19.08.2023 18:11registriert Oktober 2019
Ich verstehe sowieso nicht, warum irgendjemand etwas ernst nehmen kann, was von Putin kommt.
211
Melden
Zum Kommentar
27
    Britische Kaufhäuser wie Harrods von Cyberattacken getroffen

    Britische Kaufhäuser sind Ziel einer Cyberattacken-Serie geworden. Nach Marks & Spencer und die Lebensmittelkette Co-op bestätigte am Donnerstag auch das Luxuskaufhaus Harrods einen versuchten unautorisierten Zugriff auf seine Systeme.

    Zur Story