Putins Angriff auf die Ukraine geht in die dritte Woche. Die russische Armee versucht, die Städte zu umzingeln. Die ukrainische Seite evakuiert Zivilisten, wo es möglich ist. Der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder weilt derweil in Moskau und trifft Wladimir Putin. Die Übersicht.
Das russische Militär versucht nach Einschätzung des Pentagons ukrainische Städte zu umzingeln – darunter auch die Hauptstadt Kiew. «Charkiw und Tschernihiw, Mariupol – wir sehen diese Bemühungen, einzukreisen und zu umzingeln», sagte ein hoher US-Verteidigungsbeamter. Man beobachte dies auch rund um die Hauptstadt Kiew. Die russischen Soldaten kämen von mehreren Seiten, so der Beamte. «Was wir also sehen, sind diese verschiedenen Vorstosslinien in Richtung Kiew.» Kiew sei aber viel grösser als die anderen Städte und werde stark verteidigt.
Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben Angriffe russischer Einheiten an mehreren Orten zurückgehalten und gebremst. Im Norden des Landes seien russische Truppen dabei gestoppt worden, in die Stadt Tschernihiv vorzudringen, hiess es in einem in der Nacht zu Freitag auf Facebook veröffentlichten Bericht des ukrainischen Generalstabs. Rund um die Stadt Charkiw im Osten des Landes setze Russland seine Versuche fort, die Stadt von Norden her zu blockieren – diese seien weiter erfolglos. Die Angaben können nicht unabhängig geprüft werden.
Aus umkämpften Städten in der Ukraine sind in den vergangenen zwei Tagen fast 100'000 Menschen evakuiert worden. Das teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstagabend in einer Videoansprache mit. Allerdings würden die Hafenstadt Mariupol und das nahe gelegenen Wolnowacha weiter blockiert.
Selenskyj warf Russland vor, den Fluchtkorridor und einen Sammelpunkt für flüchtende Menschen aus Mariupol am Donnerstag beschossen zu haben. Moskau tue zudem alles, um die Ukrainer in den von russischen Einheiten belagerten Städten zu täuschen. Er rief Bürger mit Kontakten zu Bewohnern von Mariupol dazu auf, diesen mitzuteilen, dass man den Kampf um die Stadt und für ein Ende der «Folter» dieser nicht aufgebe. Auch diese Angaben sind nicht unabhängig zu prüfen.
Das russische Militär hat die Einrichtung von täglichen Fluchtkorridoren aus der Ukraine nach Russland angekündigt. Generaloberst Michail Misinzew sagte am Donnerstagabend, Moskau habe der ukrainischen Seite zudem die Evakuierung von Zivilisten aus Kiew, Sumy, Charkiw, Mariupol und Tschernihiw auch in andere ukrainische Gebiete angeboten. Ausserdem solle Handwerkern aus der Region Schytomyr heraus der Zugang zum ehemaligen Atomkraftwerk Tschernobyl gewährt werden, damit diese die beschädigten Stromleitungen reparieren könnten, hiess es aus Moskau.
Der Panzerwurm nordwestlich von Kiew ist weg. Fast zumindest. Das US-Unternehmen Maxar hat Satellitenbilder vom Donnerstag veröffentlicht, auf denen der fast 60 Kilometer lange russische Militärkonvoi auffällig zerstreut ist.
Die ukrainischen Streitkräfte könnten weitere Waffen und Ausrüstung aus der EU bekommen. Nach Angaben von EU-Ratspräsident Charles Michel hat der Aussenbeauftragte Josep Borrell den Staats- und Regierungschefs in der Nacht zum Freitag beim Gipfeltreffen in Versailles vorgeschlagen, für zusätzliche Lieferungen 500 Millionen Euro zu mobilisieren. Ein erstes Paket über 500 Millionen Euro war bereits Ende Februar bewilligt worden.
Die USA wollen laut Medienberichten gemeinsam mit anderen G7-Ländern und der EU den Weg für höhere Zölle auf russische Waren freimachen. Präsident Joe Biden wolle den US-Kongress am Freitag ersuchen, die normalen Handelsbeziehungen zu Russland auszusetzen, berichteten unter anderem das «Wall Street Journal» und der Finanzdienst Bloomberg unter Berufung auf informierte Personen.
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben den Hoffnungen der Ukraine auf einen raschen Beitritt zur Europäischen Union einen deutlichen Dämpfer verpasst. In der Erklärung des EU-Gipfels in Versailles vom frühen Freitagmorgen heisst es zwar: «Die Ukraine gehört zu unserer europäischen Familie.» Konkrete Zusagen an Kiew mit Blick auf einen schnellen EU-Beitritt wurden jedoch auch nach den rund achtstündigen Gipfel-Beratungen nicht gemacht.
China hat zu «äusserster Zurückhaltung» in Russlands Krieg in der Ukraine aufgerufen, um eine grössere humanitäre Katastrophe zu verhindern. Zum Abschluss der diesjährigen Tagung des Volkskongresses am Freitag in Peking vermied es Chinas Regierungschef Li Keqiang aber auf einer Pressekonferenz unverändert weiter, Russland für die Invasion zu kritisieren. Auch sprach sich der Premier gegen die internationalen Sanktionen gegen Russland aus. «Die betreffenden Sanktionen schaden der wirtschaftlichen Erholung der Welt», sagte Li Keqiang. «Niemand hat Interesse daran.»
Der Deutsche Altkanzler Gerhard Schröder ist in Moskau, um mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Gespräche über den Ukraine-Krieg zu führen. Entsprechende Berichte des Nachrichtenportals «Politico» und der «Bild»-Zeitung wurden der Deutschen Presse-Agentur bestätigt. Nach dpa-Informationen fand ein erstes Gespräch zwischen Schröder und Putin am Donnerstag statt. Ob weitere geplant sind, blieb zunächst unklar. Aus der deutschen Bundesregierung war zuvor verlautet, dass die Reise nicht mit ihr abgesprochen gewesen sei. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Rande des EU-Gipfels in Versailles zu den Berichten über die Reise nur: «Ich möchte das nicht kommentieren.»
Schröders Ehefrau Soyeon Schröder-Kim veröffentlichte auf ihrer Instagram-Seite am Donnerstagabend ein Foto von sich mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen, auf dem im Hintergrund die Basilius-Kathedrale am Roten Platz in Moskau zu sehen ist. Nach dpa-Informationen reisten Schröder und Schröder-Kim über Istanbul nach Moskau. Die Initiative für die Vermittlungsaktion soll von ukrainischer Seite ausgegangen sein.
In Versailles findet das EU-Gipfeltreffen statt. Die Staats- und Regierungschefs beraten zur Ukrainekrise. Die Agrarminister der sieben grossen Industrienationen (G7) besprechen sich per Videokonferenz über die Auswirkungen des Konflikts auf die weltweite Ernährungssicherung. Wladimir Putin erhält Besuch vom belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Belarus unterstützt Russlands Angriffskrieg.
Der Uno-Sicherheitsrat soll am Freitag um 16.00 Uhr zu einer Dringlichkeitssitzung über angebliche Biowaffen in der Ukraine zusammenkommen. Die Sitzung ist von Russland beantragt worden. Hintergrund ist Russlands Vorwurf an die USA und die Ukraine, biologische Waffen zu entwickeln. Kiew und Washington haben dies deutlich zurückgewiesen. (mlu/sda/dpa)