Am Dienstag haben gewaltige Explosionen die wichtige russische Luftwaffenbasis Saki auf der 2014 annektierten Krim erschüttert.
Distinct problems at a key 🇷🇺 airbase in occupied Crimea 🇺🇦. pic.twitter.com/0bqS1cX7YR
— Carl Bildt (@carlbildt) August 9, 2022
Auf Social-Media-Plattformen kursierten Videos, die Detonationen und grosse Rauchwolken direkt in der Nähe von Schwarzmeer-Badestränden zeigten. Sie sollen bei dem Dorf Nowofjodorowka unweit des Seebades Jewpatorija aufgenommen worden sein.
Footage of the massive strike on Saki airfield in Crimea, more than 200km from the front line. Beach-goers panicking as war returns to the peninsula annexed from Ukraine in 2014. pic.twitter.com/Lh73W2PVOE
— Matthew Luxmoore (@mjluxmoore) August 9, 2022
Touristen verliessen das Gebiet fluchtartig; Videos zeigten angebliche Staus vor der Brücke von Kertsch Richtung Russland. Ein Mensch sei getötet worden, teilte Krim-Chef Sergej Aksjonow mit. Neun weitere Menschen, darunter zwei Kinder, wurden nach örtlichen Angaben verletzt.
There was a traffic jam earlier today near the Kerch Bridge. Lot of people wisely deciding tourist season is over in Crimea: pic.twitter.com/VuYg1kga6r
— Michael Weiss 🌻🇺🇸🇮🇪 (@michaeldweiss) August 9, 2022
Die Ursache der Explosionen auf dem Stützpunkt Saki war zunächst unklar. So scheint ein Angriff durch die ukrainische Armee auf den ersten Blick unwahrscheinlich. Die ukrainischen Truppen auf dem Festland sind mehr als 200 Kilometer entfernt – nach bisherigem Kenntnisstand verfügt die ukrainische Armee über keine Raketen dieser Reichweite, auch nicht durch die Waffenlieferungen aus dem Ausland.
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Auch die Raketen von Typ AGM-88 HARM, welche die USA mit ihrer jüngsten Waffenlieferung der Ukraine übergaben, sollen «nur» etwa eine Reichweite von 150 Kilometern haben. Und ein Angriff durch die Luftwaffe wäre wohl kaum erfolgreich gewesen – Russland verfügt auf der Krim über ein gut ausgerüstetes Abwehrsystem. Beobachter vermuteten deshalb etwa einen Sabotageakt.
Aus diesen Gründen überraschte es zunächst nicht, dass die ukrainische Regierung nichts mit dem Angriff zu tun haben wollte. «Natürlich nicht», so Mykhailo Podolyak, Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, gegenüber dem TV-Sender «Doschd». Es handle sich wohl um eine Guerilla-Aktion oder um einen russischen Fehler, spekulierte Podolyak. Gleichzeitig sagte er: «Die Leute, die unter dieser Besetzung leben müssen, wissen, dass diese ein Ende findet.»
Das ukrainische Verteidigungsministerium teilte derweil mit, es könne keine Angaben zur Explosion auf der Krim machen. Es bestehe aber die Gefahr, dass Russland Beweise für einen angeblichen ukrainischen Angriff fälsche. Es spekulierte wie Podolyak, dass es sich um einen russischen Fehler handeln könnte.
Später setzte das Verteidigungsministerium einen Tweet mit einem Bild der Rauchwolke ab. Dazu schrieb es: «Die Anwesenheit von Besatzungstruppen auf dem Gebiet der ukrainischen Krim ist mit der touristischen Hochsaison nicht vereinbar.»
The Ministry of Defense of Ukraine would like to remind everyone that the presence of occupying troops on the territory of Ukrainian Crimea is not compatible with the high tourist season. pic.twitter.com/PFl6jBzKh4
— Defense of Ukraine (@DefenceU) August 9, 2022
Präsident Selenskyj sprach in seiner täglichen Videobotschaft ebenfalls kurz über die Krim, ging dabei aber nicht detailliert auf die Explosionen ein. «Die Krim ist ukrainisch, und wir werden sie niemals aufgeben», so Selenskyj. «Dieser russische Krieg gegen die Ukraine, gegen das ganze freie Europa, hat mit der Krim begonnen und muss mit der Krim enden, mit ihrer Befreiung.»
Wie bei der ukrainischen Regierung heisst es auch von russischer Seite her, dass kein Angriff auf den Stützpunkt stattgefunden habe. Eine Quelle im russischen Verteidigungsministerium nannte einen Verstoss gegen Brandschutzregeln als wahrscheinlichste Ursache für die Explosionen. «Es gibt keine Anzeichen, Beweise oder gar Fakten, dass die Munition vorsätzlich zur Explosion gebracht wurde.»
Doch beim Dementi blieb es auf ukrainischer Seite nicht. So sagte ein hochrangiger ukrainischer Militärbeamter, der anonym bleiben wollte, der «New York Times», die Ukraine sei doch für die Explosionen verantwortlich. So habe die Armee den Angriff auf den Stützpunkt Saki durchgeführt – und zwar mit einer Waffe, welche der Öffentlichkeit offensichtlich noch nicht bekannt ist.
Es handle sich um eine Waffe, welche «ausschliesslich in der Ukraine» hergestellt worden sei. Genauere Details nannte der Beamte nicht. Beim Angriff seien auch Partisanen beteiligt gewesen. Vom Stützpunkt Saki aus seien immer wieder Flugzeuge gestartet, um die ukrainischen Truppen anzugreifen, sagte er weiter.
Auch Selenskyj-Berater Podolyak, der eine ukrainische Beteiligung zunächst abgestritten hatte, warf mit einem kryptischen Tweet weiter Fragen auf. Es sei ein wichtiger Teil der Weltsicherheit, die Russische Föderation zu demilitarisieren, schrieb er. «Die Zukunft der Krim ist es, eine Perle des Schwarzen Meeres zu sein, nicht eine Militärbasis für Terroristen», so Podolyak. Und dann weiter: «Das war erst der Anfang.»
Demilitarization of the Russian Federation — an integral part of global security ensuring. The future of the Crimea is to be a pearl of the Black Sea, a national park with unique nature and a world resort. Not a military base for terrorists. It is just the beginning.
— Михайло Подоляк (@Podolyak_M) August 9, 2022
Sollte sich herausstellen, dass die Ukraine für den Angriff verantwortlich ist, könnte dies eine Reaktion der russischen Armee zur Folge haben. Vertreter Moskaus hatten kürzlich davor gewarnt, dass jeglicher Angriff auf die Krim «schwere Vergeltung» nach sich ziehen würde. Konkret wurden etwa Angriffe auf die «Entscheidungszentren» in Kiew genannt.
Die Halbinsel Krim ist seit dem Angriff im Jahr 2014 unter russischer Kontrolle. Der Kreml machte zuletzt immer wieder klar, dass man die Krim als russisches Staatsgebiet ansehe. International wird die Halbinsel allerdings weiterhin als ukrainisches Territorium anerkannt.
Deshalb: Einfach ignorieren, was die Russen sagen. Ist eh nichts Gscheites, was aus Moskau kommt.
Nicht jedoch soll der Westen die Ukraine ignorieren. Es ist sehr wichtig, dass EU und NATO der Ukraine weiterhin beistehen.
Mir soll's recht sein.