Steve Bannon bringt es auf den Punkt: «Putin ist kein Weichei (Putin ain’t woke)», erklärt er. Trumps ehemaliger Chefstratege erkennt damit für einmal des Pudels Kern: Für die Rechten mag Putin ein Killer und Diktator sein, er mag sich auf mehr als zweifelhafte Art und Weise in fast unvorstellbarem Mass bereichert haben, er mag sich einen Dreck um Menschenrechte und Demokratie kümmern – aber er ist noch ein richtiger Mann. Und genau das brauchen wir auch jetzt in einer Welt, in der Klimaerwärmung, muslimische Immigranten und Covid das Abendland bedrohen.
Was für ein Seitenwechsel! Als 1956 sowjetische Truppen Ungarn besetzten, protestierten auch in der Schweiz Zehntausende, als sich das 1968 in der Tschechoslowakei wiederholte, kam es ebenfalls zu Massenprotesten.
Damals waren Linke und Rechte vereint, ein paar Alt-Stalinisten bei der völlig irrelevanten kommunistischen Partei PDA ausgenommen. Doch bald eroberten die Konservativen die Hoheit über den Luftraum der Debatte. Wer es wagte, die Schweiz zu kritisieren, bekam postwendend das Angebot für ein Ticket nach «Moskau einfach».
Nun hat Putin den Krieg gegen die Ukraine ausgelöst, einen Krieg, der noch weit blutiger werden könnte als die sowjetischen Invasionen in die «Bruderstaaten». Diesmal halten sich die Linken zurück. An eine Demonstration vor der russischen Botschaft in Bern verirrten sich gerade mal ein paar wenige Aufrichtige.
Die Rechtspopulisten hingegen gehen in die Offensive und küssen Putins Ring. Franz Grüter beispielsweise, eigentlich ein eher gemässigter SVP-Nationalrat, vertritt die Argumente, die sich auf Putins Propaganda-Sender RT seit Wochen in einer Endlos-Schleife befinden. «Russland muss von den USA und der Nato die Garantie erhalten, dass die Ukraine nicht Nato-Mitglied wird. Das ist das Minimum», erklärte Grüter gegenüber dem «Blick», und fügte das obligate Totschlag-Argument an: «Die Amerikaner hätten auch ein Problem, wenn sich Mexiko oder Kanada einem russischen Bündnis anschliessen würden.»
Grüter ist nicht irgendein Hinterbänkler, er ist Präsident der aussenpolitischen Kommission.
Die jüngste Ausgabe der «Weltwoche» ist derweil eine einzige Huldigung an den russischen Diktator. «Putin taktiert geschickt», schwärmt Chefredaktor Roger Köppel. «Im Unterschied zum Westen hat er eine Strategie. Seine Militärmacht dient der Abschreckung wohl eher als der Eroberung. Botschaft: Bis hierhin und nicht weiter.»
Der zweite Teil dieses Zitats ist zwar von der Aktualität bereits zu Makulatur gemacht worden. Das dürfte jedoch die Macher der «Weltwoche» wenig beeindrucken. Thomas Fasbender hält in seiner Putin-Elegie fest: «Russland hat überhaupt keine Wahl, als sich dem zu widersetzen. Ob Demokrat oder Autokrat, kein Kremlchef wird ein in Gegnerschaft vereintes Europa vor seiner Schwelle akzeptieren.»
Seit Jahrzehnten singen SVP und «Weltwoche» aus dem gleichen Gesangsbuch wie die amerikanischen Republikaner und Fox News. So kopierten Blocher und seine Mannen einst den «Vertrag mit Amerika» und Köppel versucht sich täglich mit mässigem Erfolg als Tucker-Carlson-Kopie.
In den USA wird Alles und Jedes sofort in eine Politschlacht umgewandelt. Nun auch der Ukraine-Konflikt. Donald Trump hat seine Duftmarke bereits gesetzt, und was für eine. Putins Vorgehen sei genial, schwärmt der Ex-Präsident. «Was er macht, ist wunderbar. Er benutzt das Wort ‹unabhängig› und sagt Sätze wie ‹Wir werden helfen, den Frieden zu sichern›. Man muss zugeben, das ist sehr geschickt.»
Dass Putin seine Rede in grossen Teilen von Hitler abgeschrieben hat, der vor dem Einmarsch in die Tschechoslowakei praktisch identisch argumentiert hat, dürfte Trump kaum bekannt sein; hingegen wahrscheinlich seinem ehemaligen Aussenminister Mike Pompeo. Dieser hat schliesslich einen Abschluss der Harvard University. Trotzdem hält auch er Putin für «sehr talentiert». «Ich habe sehr viel Respekt für ihn», erklärte Pompeo kürzlich in einem Radiointerview. «Er weiss, wie man Macht einsetzt. Wir sollten ihn dafür respektieren.»
Der Preis für den übelsten Demagogen geht jedoch an Tucker Carlson. Täglich verkündet er auf Fox News folgende Botschaft: Die USA hätten keinerlei Interesse in der Ukraine, die ohnehin ein übler Oligarchen-Staat sei. Biden solle stattdessen die Grenze zu Mexiko besser schützen. Und überhaupt habe das einzig zur Folge, dass der Benzinpreise noch weiter steigen und der kleine amerikanische Mann noch härter bestraft werde.
Carlsons Sendung hat am meisten Zuschauer aller Kabel-News-Sendungen, und seine Abendandacht zeigt Wirkung. Mehr als die Hälfte der Republikaner halten mittlerweile Putin für den fähigeren Präsidenten als Joe Biden. So tweetete der republikanische Abgeordnete Paul Gosar kürzlich: «Putin setzt sich für Russland ein, wie es seine Pflicht ist. Auch Biden sollte sich für Amerika einsetzen. Stattdessen lässt er Terroristen und Asylsuchende ins Land.»
Die Grand Old Party hat jedoch ein klitzekleines Problem. Die älteren Parteimitglieder können sich noch an einen gewissen Ronald Reagan erinnern. Dieser hatte einst Russland zum «Reich des Bösen» erklärt, und er würde wohl im Grab rotieren, müsste er sich eine Tucker-Carlson-Predigt anhören. Die älteren Republikaner werfen Biden daher nicht wie Fox News Kriegshetze vor. Sie beklagen, dass Biden zu wenig hart gegen Putin vorgehe.
Dieser Konflikt dürfte auch hierzulande ausbrechen. Wahrscheinlich heissen nicht alle SVP-Mitglieder Köppels peinlichen Kniefall vor dem russischen Präsidenten gut. Doch vorläufig kann Putin einen wichtigen Sieg an der Propaganda-Front verbuchen.
Special K
Tokyo
Hat jemand anderes von der SVP erwartet?
DerRabe
Auf der anderen Seite sind die Polteris, welche die politische Agenda vorgeben und die Diskussion bestimmen.
Es wird Zeit ebenfalls aufzustehen und in jeder Situation Paroli zu geben. Ebenfalls ohne Rücksicht auf die Gefühle des Gegenübers.
Nicht produktiv? Ja, wahrscheinlich.
Jedoch müssen wir aufhören, uns überrollen zu lassen.