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Wladimir Putin gewinn die erste Propaganda-Schlacht – dank der Rechten

Kommentar

Wladimir Putin gewinnt die erste Propaganda-Schlacht – dank der Rechten

Ob SVP oder «Weltwoche», ob Republikaner oder Fox News: Sie alle stehen stramm hinter dem russischen Präsidenten und seinem absurden Krieg. (*)
24.02.2022, 14:0802.03.2023, 10:50
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Steve Bannon bringt es auf den Punkt: «Putin ist kein Weichei (Putin ain’t woke)», erklärt er. Trumps ehemaliger Chefstratege erkennt damit für einmal des Pudels Kern: Für die Rechten mag Putin ein Killer und Diktator sein, er mag sich auf mehr als zweifelhafte Art und Weise in fast unvorstellbarem Mass bereichert haben, er mag sich einen Dreck um Menschenrechte und Demokratie kümmern – aber er ist noch ein richtiger Mann. Und genau das brauchen wir auch jetzt in einer Welt, in der Klimaerwärmung, muslimische Immigranten und Covid das Abendland bedrohen.

Was für ein Seitenwechsel! Als 1956 sowjetische Truppen Ungarn besetzten, protestierten auch in der Schweiz Zehntausende, als sich das 1968 in der Tschechoslowakei wiederholte, kam es ebenfalls zu Massenprotesten.

epa09584043 Former White House Chief Strategist in the Trump administration Steven Bannon leaves the E. Barrett Prettyman Federal Courthouse in Washington, DC, USA, 15 November 2021. Bannon surrendere ...
Hat viel Verständnis für Putin: Steve Bannon.Bild: keystone

Damals waren Linke und Rechte vereint, ein paar Alt-Stalinisten bei der völlig irrelevanten kommunistischen Partei PDA ausgenommen. Doch bald eroberten die Konservativen die Hoheit über den Luftraum der Debatte. Wer es wagte, die Schweiz zu kritisieren, bekam postwendend das Angebot für ein Ticket nach «Moskau einfach».

Nun hat Putin den Krieg gegen die Ukraine ausgelöst, einen Krieg, der noch weit blutiger werden könnte als die sowjetischen Invasionen in die «Bruderstaaten». Diesmal halten sich die Linken zurück. An eine Demonstration vor der russischen Botschaft in Bern verirrten sich gerade mal ein paar wenige Aufrichtige.

Die Rechtspopulisten hingegen gehen in die Offensive und küssen Putins Ring. Franz Grüter beispielsweise, eigentlich ein eher gemässigter SVP-Nationalrat, vertritt die Argumente, die sich auf Putins Propaganda-Sender RT seit Wochen in einer Endlos-Schleife befinden. «Russland muss von den USA und der Nato die Garantie erhalten, dass die Ukraine nicht Nato-Mitglied wird. Das ist das Minimum», erklärte Grüter gegenüber dem «Blick», und fügte das obligate Totschlag-Argument an: «Die Amerikaner hätten auch ein Problem, wenn sich Mexiko oder Kanada einem russischen Bündnis anschliessen würden.»

Grüter ist nicht irgendein Hinterbänkler, er ist Präsident der aussenpolitischen Kommission.

Roger Koeppel, SVP-ZH, spricht waehrend die Debatte um der Anpassung der Bundesbeschluesse ueber den zweiten Schweizer Beitrag an ausgewaehlte UE-Mitgliedstaaten bei der Herbstsession der Eidgenoessis ...
«Putin hat eine Strategie», schwärmt Roger Köppel.Bild: keystone

Die jüngste Ausgabe der «Weltwoche» ist derweil eine einzige Huldigung an den russischen Diktator. «Putin taktiert geschickt», schwärmt Chefredaktor Roger Köppel. «Im Unterschied zum Westen hat er eine Strategie. Seine Militärmacht dient der Abschreckung wohl eher als der Eroberung. Botschaft: Bis hierhin und nicht weiter.»

Der zweite Teil dieses Zitats ist zwar von der Aktualität bereits zu Makulatur gemacht worden. Das dürfte jedoch die Macher der «Weltwoche» wenig beeindrucken. Thomas Fasbender hält in seiner Putin-Elegie fest: «Russland hat überhaupt keine Wahl, als sich dem zu widersetzen. Ob Demokrat oder Autokrat, kein Kremlchef wird ein in Gegnerschaft vereintes Europa vor seiner Schwelle akzeptieren.»

Seit Jahrzehnten singen SVP und «Weltwoche» aus dem gleichen Gesangsbuch wie die amerikanischen Republikaner und Fox News. So kopierten Blocher und seine Mannen einst den «Vertrag mit Amerika» und Köppel versucht sich täglich mit mässigem Erfolg als Tucker-Carlson-Kopie.

In den USA wird Alles und Jedes sofort in eine Politschlacht umgewandelt. Nun auch der Ukraine-Konflikt. Donald Trump hat seine Duftmarke bereits gesetzt, und was für eine. Putins Vorgehen sei genial, schwärmt der Ex-Präsident. «Was er macht, ist wunderbar. Er benutzt das Wort ‹unabhängig› und sagt Sätze wie ‹Wir werden helfen, den Frieden zu sichern›. Man muss zugeben, das ist sehr geschickt.»

FILE - In this Nov. 17, 2007 file photo, political commentator Tucker Carlson arrives for the 60th anniversary celebration of NBC's Meet the Press at the Newseum in Washington. Fox News Channel s ...
Der derzeit übelste Demagoge Amerikas: Tucker Carlson.Bild: AP/AP

Dass Putin seine Rede in grossen Teilen von Hitler abgeschrieben hat, der vor dem Einmarsch in die Tschechoslowakei praktisch identisch argumentiert hat, dürfte Trump kaum bekannt sein; hingegen wahrscheinlich seinem ehemaligen Aussenminister Mike Pompeo. Dieser hat schliesslich einen Abschluss der Harvard University. Trotzdem hält auch er Putin für «sehr talentiert». «Ich habe sehr viel Respekt für ihn», erklärte Pompeo kürzlich in einem Radiointerview. «Er weiss, wie man Macht einsetzt. Wir sollten ihn dafür respektieren.»

Der Preis für den übelsten Demagogen geht jedoch an Tucker Carlson. Täglich verkündet er auf Fox News folgende Botschaft: Die USA hätten keinerlei Interesse in der Ukraine, die ohnehin ein übler Oligarchen-Staat sei. Biden solle stattdessen die Grenze zu Mexiko besser schützen. Und überhaupt habe das einzig zur Folge, dass der Benzinpreise noch weiter steigen und der kleine amerikanische Mann noch härter bestraft werde.

Carlsons Sendung hat am meisten Zuschauer aller Kabel-News-Sendungen, und seine Abendandacht zeigt Wirkung. Mehr als die Hälfte der Republikaner halten mittlerweile Putin für den fähigeren Präsidenten als Joe Biden. So tweetete der republikanische Abgeordnete Paul Gosar kürzlich: «Putin setzt sich für Russland ein, wie es seine Pflicht ist. Auch Biden sollte sich für Amerika einsetzen. Stattdessen lässt er Terroristen und Asylsuchende ins Land.»

Die Grand Old Party hat jedoch ein klitzekleines Problem. Die älteren Parteimitglieder können sich noch an einen gewissen Ronald Reagan erinnern. Dieser hatte einst Russland zum «Reich des Bösen» erklärt, und er würde wohl im Grab rotieren, müsste er sich eine Tucker-Carlson-Predigt anhören. Die älteren Republikaner werfen Biden daher nicht wie Fox News Kriegshetze vor. Sie beklagen, dass Biden zu wenig hart gegen Putin vorgehe.

Dieser Konflikt dürfte auch hierzulande ausbrechen. Wahrscheinlich heissen nicht alle SVP-Mitglieder Köppels peinlichen Kniefall vor dem russischen Präsidenten gut. Doch vorläufig kann Putin einen wichtigen Sieg an der Propaganda-Front verbuchen.

* Der Presserat hiess eine Beschwerde gegen diesen Lead teilweise gut
Beim Presserat ging eine Beschwerde gegen diesen Kommentar ein. Im Lead heisst es: «Ob SVP oder Weltwoche, ob Republikaner oder Fox News: Sie alle stehen stramm hinter dem russischen Präsidenten und seinem absurden Krieg.» Löpfe zitiert SVP-Politiker Franz Grüter, wie er sich im «Blick» geäussert habe. Zudem sei die jüngste Ausgabe der «Weltwoche» eine Huldigung an den russischen Diktator durch Chefredaktor Roger Köppel. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung der Wahrheitspflicht, ein Entstellen von Tatsachen geltend.

Für den damaligen «watson»-Chefredaktor Maurice Thiriet hätten in der hierarchisch geführten Volkspartei ranghöchste Exponenten aus der Bundesversammlung und des Präsidiums verlauten lassen, dass die russische Aggression ihr Gutes habe. Thiriet verweist auf mehrere Artikel, die seine Aussage belegen sollen. Der Vorwurf im Kommentar möge überspitzt sein. Weil der Fokus aber auf der propagandistischen Schützenhilfe liege, sei diese Zuspitzung zulässig. Die Beschwerde sei abzuweisen.

Der kritisierte Kommentar erschien am 24. Februar 2022, also am Tag des Kriegsausbruchs. Auch in Kommentaren sind jedoch die Fakten zu respektieren. Wenn der Autor Aussagen von Grüter und Köppel zitiert, die vor Kriegsausbruch gemacht wurden, können diese aus Sicht des Presserats genauso wenig als Beleg für die Kommentaraussage dienen wie diejenigen, welche Thiriet ins Feld führt. Diese sind erst nach Erscheinen des Kommentars publiziert worden.

Es gibt somit keine Quellen, die zum Publikationszeitpunkt darauf hingewiesen hätten, dass es eine Kriegsunterstützung durch die SVP oder die «Weltwoche» gab. Die Wahrheitspflicht ist verletzt und Tatsachen wurden entstellt. Der Presserat heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Proteste in der Ukraine
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373 Kommentare
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Special K
24.02.2022 14:20registriert August 2016
Wie lost muss man sein, dass man die Invasion eines demokratischen Staates als Sieg gegen Wokeness abfeiert. Insbesondere von gewissen Kreisen, die sich sonst Souveränität in Grossbuchstaben auf die Fahne schreiben. Was für arme Würstchen, die Gendern schlimmer finden als Putin.
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Tokyo
24.02.2022 14:21registriert Juni 2021
Die Verteidiger der Demokratie stehen hinter einem Diktator und Kriegsverbrecher.
Hat jemand anderes von der SVP erwartet?
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DerRabe
24.02.2022 14:32registriert Juli 2014
Unter dem Strich läuft es seit über 100 Jahren auf dasselbe raus: Die anständige Mehrheit (man verunglimpft keine politischen Gegner, man fällt nicht in fremde Länder ein, man hält die Klappe, wenn man keine Ahnung hat) wird als schwach wahrgenommen.
Auf der anderen Seite sind die Polteris, welche die politische Agenda vorgeben und die Diskussion bestimmen.
Es wird Zeit ebenfalls aufzustehen und in jeder Situation Paroli zu geben. Ebenfalls ohne Rücksicht auf die Gefühle des Gegenübers.
Nicht produktiv? Ja, wahrscheinlich.
Jedoch müssen wir aufhören, uns überrollen zu lassen.
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