Eine Mutation des Corona-Virus sorgt derzeit weltweit für Aufregung. Die Variante B1.1.7 wurde zunächst in England gemeldet. Premier Boris Johnson verhängte daraufhin den Lockdown in den betroffenen Regionen, darunter auch in London. «Wenn das Virus seine Angriffsmethode ändert, müssen wir unsere Verteidigungsmethode ändern», sagte Johnson.
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Nun hat das britische Gesundheitsministerium eine Zusammenfassung zu den ersten Untersuchungen der neuen Variante publiziert. Was wir nun über B1.1.7 wissen:
Wie alle Viren ist auch das Coronavirus ein Gestaltwandler. Viren passen sich der Umwelt an und erschaffen genetische Veränderungen, sogenannte Mutationen. Einige von diesen sind unwichtig, andere könnten ihm einen Vorteil verschaffen.
Die Resultate der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung geben nun neue Einsichten. Tatsächlich stellen die Wissenschaftler hier fest, dass diese Corona-Variante potenziell ansteckender ist, als bisherige. Bislang war nur bekannt, dass sich das Virus stärker verbreitet, nicht jedoch, ob dies tatsächlich auf diese Variante zurückzuführen ist.
Auch Christian Drosten, Infektiologe an der Charité Berlin, ist besorgt und twittert: «Das sieht leider nicht gut aus.» Denn die neuen Untersuchungen zeigen, dass die stärkere Verbreitung eben nicht ausschliesslich auf das Verhalten der Menschen in den Regionen zurückgeht.
Neue Daten zur B.1.1.7-Mutante (heute veröffentlicht). Das sieht leider nicht gut aus. Positiv ist, dass Fälle mit der Mutante bisher nur in Gebieten zunahmen, wo die Gesamtinzidenz hoch oder ansteigend war. Kontaktreduktion wirkt also auch gegen die Verbreitung der Mutante. https://t.co/s3Wd3X7ukF
— Christian Drosten (@c_drosten) December 21, 2020
Es zeige sich aber, dass sich auch die Ausbreitung von B1.1.7 mit Massnahmen wie einem Lockdown gut bekämpfen lässt.
Die Impfung von Millionen Menschen kann das Virus dazu antreiben, Mutationen zu erschaffen, die ihm helfen, der Immunantwort auszuweichen oder ihr zu widerstehen.
Es gibt bereits jetzt kleine Veränderungen im Virus, die weltweit mehrfach unabhängig voneinander aufgetreten sind – bei den dänischen Nerzen, bei Menschen in Grossbritannien und bei Menschen, welche eine Coronavirus-Erkrankung bereits durchgestanden hatten und im Plasma Antikörper entwickelten. Das deutet darauf hin, dass diese Mutationen, welche die Antikörperanfälligkeit des Virus beeinflussen, für den Erreger hilfreich sind. Die Mutation wird 69-70 Deletion genannt, was bedeutet, dass im genetischen Code Buchstaben fehlen.
Konkret verändert die genetische Deletion das Spike-Protein auf der Oberfläche des Coronavirus. Dieses wird für die Infektion von menschlichen Zellen benötigt. Bereits Anfang August wurden Viren mit dieser Deletion in Thailand und Deutschland gefunden.
Was bei dieser Variante jedoch auffällt, sind zwei Dinge: Erstens habe sie aussergewöhnlich viele Mutationen. Es sei weiter unklar, wie sich diese vielen Veränderungen in der Summe auf die Gefährlichkeit des Virus auswirken. Zweitens ist jedoch klar, dass diese Variante ansteckender ist.
Die Wissenschaftler fanden bisher noch keine Hinweise darauf, dass diese Variante auch zu schwereren Verläufen von Covid-19 führen würde. Doch eine erhöhte Übertragung stellt vor allem das Gesundheitssystem vor weitere Probleme. Wenn mehr Menschen schneller infiziert werden, führt das dazu, dass mehr Menschen im Krankenhaus behandelt werden müssen.
Verschiedene Experten sind besorgt, dass das mutierte Virus nun resistent gegen die Impfstoffe ist, welche gerade entwickelt werden. Diese Sorgen konzentrieren sich auf zwei Veränderungen im viralen genetischen Code, die ihn möglicherweise weniger anfällig für bestimmte Antikörper machen.
Doch viele Experten geben Entwarnung: Es dauert normalerweise Jahre – und nicht Monate – damit sich ein Virus so stark verändern kann. Dr. Jesse Bloom, Evolutionsbiologe am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle, sagt gegenüber der Times:
Es sei nicht wie ein An-Aus-Schalter, meint die Ärztin. Man müsse diese Mutationen nun überwachen und charakterisieren. Und das menschliche Immunsystem sei ein gewaltiger Gegner.
Die Impfung von Pfizer/Biontech und von Moderna induziert der geimpften Person eine Immunantwort auf das Spike-Protein auf der Oberfläche des Coronavirus. Jede infizierte Person produziert ein grosses, einzigartiges und komplexes Repertoire an Antikörpern gegen dieses Protein.
Es sei nicht so einfach für das Virus, eine genetische Lösung gegen all diese unterschiedlichen Antikörperspezifitäten zu finden, sagt Kartik Chandran, ein Virologe am Albert Einstein College of Medicine in New York gegenüber der Times. «Tausende grosse Waffen zeigen auf das Virus», sagt er. Es werde für das Coronavirus sehr schwierig sein, der Abwehr des Körpers zu entkommen – trotz der vielen Variationen, die es annehmen kann.
Denn: Um der Immunität zu entkommen, muss ein Virus eine Reihe von Mutationen ansammeln, die es dem Erreger ermöglichen, die Wirksamkeit der körpereigenen Abwehrkräfte zu untergraben. Einige Viren wie das Influenza-Virus häufen diese Veränderungen relativ schnell an. Aber andere, wie das Masernvirus, sammeln kaum Veränderungen.
Doch sogar das Influenza-Virus benötigt fünf bis sieben Jahre, um genügend Mutationen zu sammeln, damit es die Immunerkennung vollständig umgehen kann. Gemäss eines Berichtes von Dr. Bloom entwickeln auch die normalen Erkältungs-Coronaviren, welche schon lange existieren, eine Art, um der Immunerkennung zu entgehen – aber das dauert Jahre.
Und das Virus hätte es jetzt noch gar nicht nötig, sich so anzupassen, meint etwa Emma Hodcroft, Molekular-Epidemiologin an der Universität Bern. Eine Immunisierung von etwa 60 Prozent der Bevölkerung innerhalb eines Jahres und die Fallzahlen währenddessen drücken zu können, könnte die Wahrscheinlichkeit einer signifikanten Mutation des Virus minimieren, sagt Hodcroft. Dennoch müssen Wissenschaftler das sich entwickelnde Virus genau verfolgen, um Mutationen zu erkennen, die ihm einen Vorteil gegenüber Impfstoffen verschaffen könnten.
Das Grippevirus beispielsweise wird ständig überwacht, damit die Forscher den Impfstoff entsprechend aktualisieren können. Das müsse nun auch mit dem Coronavirus gemacht werden, meint Trevor Bedford, ein Evolutionsbiologe am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle, gegenüber der Times. Es könne nun sein, dass der Corona-Impfstoff wie der Grippe-Impfstoff jährlich angepasst wird, und es dann nötig sein wird, die Impfung jährlich aufzufrischen.
Die gute Nachricht: Die in den Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna verwendete Technologie sei viel einfacher anzupassen und zu aktualisieren als herkömmliche Impfstoffe. Die neuen Impfstoffe erzeugen auch eine massive Immunantwort, so dass das Coronavirus über Jahre hinweg viele Mutationen benötigen kann, bevor die Impfstoffe optimiert werden müssen, sagte Dr. Bedford.
Dieser Artikel wurde bereits einmal publiziert. Wir haben ihn mit den neuen Informationen ergänzt und erneut veröffentlicht.
(cki/leo)
Die Medien haben jetzt wieder etwas, dass sie grossartig ausschlachten können und mit dem man super Angst schnüren kann.