Direktzug nach London: Jetzt prüfen die SBB den Bau von Terminals
SBB-Chef Vincent Ducrot zieht es auf die Insel. Im März gab er bekannt, dass die Bahn Direktverbindungen aus der Schweiz nach London anbieten will. Die Nachfrage ist vorhanden: Etwa 12’000 Menschen fliegen jeden Tag aus der Schweiz nach London, von denen etwa 8000 ihr Endziel im Vereinigten Königreich haben. Der Markt ist nicht nur gross, sondern auch zahlungskräftig – und die Nachfrage ist übers ganze Jahr einigermassen gleichmässig verteilt.
Das sind ideale Voraussetzungen für eine Direktverbindung auf der Schiene. Ein Problem gibt es aber: England ist kein Teil des Schengen-Raums und verlangt, dass die Einreise- und Sicherheitskontrollen bereits an den Abfahrtsbahnhöfen stattfinden. Um einen Direktzug einzuführen, müssten an Schweizer Bahnhöfen also Terminals für diese Checks gebaut werden.
Ein Zug ersetzt sechs Flüge
Im Vordergrund stehen Direktverbindungen ab den Bahnhöfen Zürich HB, Basel SBB oder Genf. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat die SBB damit beauftragt, Studien zu allenfalls nötigen infrastrukturellen Anpassungen zu erstellen. Was das im Fall von Zürich bedeutet, hat der Zürcher Regierungsrat nun in einer Antwort auf eine Anfrage dargelegt.
«Geprüft werden insbesondere die Erstellung eines abgetrennten Terminals zur Durchführung der erforderlichen Grenz- und Sicherheitskontrollen sowie von abtrennbaren Wartebereichen (einschliesslich Abfahrtsperron)», hält der Regierungsrat fest.
Es sei davon auszugehen, dass entsprechende bauliche Massnahmen «von untergeordneter Bedeutung und ohne weitreichende Auswirkungen auf Raum und Umwelt sind». Geklärt werde auch die allfällige Zuständigkeit für die Finanzierung. Laut der Zürcher Regierung könnte ein Direktzug in Sachen Kapazität etwa sechs Flugverbindungen ersetzen. Im Jahresdurchschnitt werden derzeit zwischen Zürich und London 20 Flüge pro Tag und Richtung angeboten.
Von Basel in 5 Stunden nach London
Ob ein Direktzug nach London künftig in Zürich, Basel oder Genf starten könnte, ist noch offen. Gegen Zürich spricht, dass ein solcher Zug Platz auf den dicht befahrenen Gleisen zwischen Zürich und Basel benötigen würde. Laut dem Regierungsrat wird die Verfügbarkeit von freien Trassen auf dieser Strecke von den SBB als «kritisch» beurteilt.
Die Bahn beschäftigt sich schon länger mit dem Thema. Im Jahr 2022 startete sie eine Grobstudie. Diese wurde Anfang 2025 abgeschlossen und zeigte, dass Direktverbindungen zwischen Zürich respektive Basel und London mit einer Fahrzeit von 6 respektive 5 Stunden sowie zwischen Genf und London mit einer Fahrzeit von 5,5 Stunden denkbar sind.
Wie SBB-Sprecherin Mara Zenhäusern sagt, sind der Bau von Check-In-Terminals, die Verfügbarkeit von Kapazitäten auf Schienen und Bahnhöfen in der Schweiz und der Abschluss von zwischenstaatlichen Abkommen für die Grenz- und Einreisekontrollen die grössten Herausforderungen. Hinzu kommen die Probleme des geeigneten Rollmaterials, die Wirtschaftlichkeit und die Suche nach einem geeigneten Kooperationspartner.
Der Zug fährt frühestens in den 2030er-Jahren
Was diesen betrifft, wollen die SBB für einen allfälligen Direktzug nach London mit Eurostar kooperieren. Es ist die Firma, die die bereits existierenden Verbindungen zwischen London und Paris, Brüssel und Amsterdam betreibt und mehrheitlich der französischen Bahn SNCF gehört. Das bestätigt SBB-Chef Vincent Ducrot gegenüber CH Media. Eine Zusammenarbeit mit dem Zugbetreiber Virgin des Multimilliardärs Richard Branson, der kürzlich den Zugang zu einem Depot in England für den Aufbau eines eigenen Angebots erhalten hat, ist hingegen kein Thema.
Auch auf politischer Ebene geht es vorwärts. Im Mai unterzeichnete Bundesrat Albert Rösti (SVP) mit seiner britischen Amtskollegin eine Absichtserklärung zur Etablierung der direkten Bahnverbindung zwischen der Schweiz und London.
Der Bundesrat werde 2026 einen Richtungsentscheid in dieser Sache fällen, sagt Zenhäusern. Ein finaler Entscheid könne aber erst erfolgen, wenn die Studien abgeschlossen sind. Das ist voraussichtlich 2027 der Fall. Die Etablierung einer Direktverbindung würde letztlich wegen der vielen damit verbundenen Änderungen wie dem neuen Abkommen die Zustimmung des Parlaments erfordern.
Die SBB sehen laut Sprecherin Zenhäusern «grosses Potenzial» in der Direktverbindung nach London. Eine Umsetzung sei aber erst im Verlauf der 2030er-Jahre denkbar. Die Bahn treibe das Projekt nun «Schritt für Schritt» voran. (aargauerzeitung.ch)
