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Ausreise Gaza: Das sagen Menschen, welche die Enklave verlassen konnten

«Niemand ist in Sicherheit» – das sagen Menschen, die Gaza verlassen konnten

Tausende von Menschen wollen Gaza verlassen – doch nur wenigen wird die Ausreise gewährt.
03.11.2023, 11:3324.03.2024, 00:15
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In der Hoffnung, aus dem Kriegsgebiet zu entfliehen, verharren Tausende von Menschen in Rafah, am einzigen Grenzübergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten.

Sie hoffen auf Sicherheit, hoffen auf eine Grenzöffnung.

Doch nur Doppelbürgern ist es seit dieser Woche erlaubt, den Gazastreifen zu verlassen.

«Ich will einfach weg.»
Nadia Baraka,
deutsche Staatsangehörige palästinensischer Herkunft

7000 Menschen aus 60 verschiedenen Ländern warten darauf, die Region in Richtung Ägypten verlassen zu können. Diplomaten zufolge kann es bis zu zwei Wochen dauern, bis man eine Ausreiseerlaubnis erhält.

Palestinians with dual nationality register to cross to Egypt on the Gaza Strip side of the border crossing in Rafah on Thursday, Nov. 2, 2023. (AP Photo/Hatem Ali)
Palästinenser mit doppelter Staatsangehörigkeit registrieren sich für die Ausreise, 2. November 2023.Bild: keystone
epa10952646 Palestinians wait to cross into Egypt at the Rafah border crossing between the Gaza Strip and Egypt, in Gaza, 01 November 2023. Ambulances carrying evacuees from the Gaza Strip were driven ...
Palästinenser warten am Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten auf die Einreise nach Ägypten, 1. November 2023. Bild: keystone

Lange gedulden musste sich die Amerikanerin palästinensischer Herkunft, Suzan Beseiso. Für den Ramadan reiste sie nach Gaza. Nach dem zweiten Tag des Krieges wollte sie die Region verlassen. Erst fast einen Monat später glückte ihr die Ausreise, berichtet der «Spiegel». Dem Nachrichtenmagazin sagt sie:

«Ich freue mich nicht, Gaza zu verlassen.

Ich weiss nicht, ob ich meine Familie und Freunde jemals wieder sehen werde.

Menschen sterben. Niemand ist in Sicherheit. Es gibt keine Luftschutzbunker.»

Hunderte Doppelbürger konnten den abgeriegelten Küstenstreifen bisher verlassen, darunter sieben Personen mit Schweizer Pass, wie Aussenminister Ignazio Cassis am Donnerstag auf der Plattform X bekannt gab.

epa10954348 People stand next to a Swiss flag as they wait for the arrival of foreign nationals at the Egyptian side of the border after passing the Rafah border crossing between the Gaza Strip and Eg ...
Menschen warten auf der ägyptischen Seite des Grenzübergangs Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten, 2. November 2023.Bild: keystone
epa10954357 Several foreign nationals wait at the Egyptian side of the border after passing the Rafah border crossing between the Gaza Strip and Egypt, in Rafah, Egypt, 02 November 2023. As per the ag ...
Schweizer Staatsangehörige konnten nach Ägypten ausreisen, 7. Oktober 2023.Bild: keystone
epa10954347 Several foreign nationals wait at the Egyptian side of the border after passing the Rafah border crossing between the Gaza Strip and Egypt, in Rafah, Egypt, 02 November 2023. As per the ag ...
Sieben Personen mit Schweizer Pass konnten Gaza verlassen, 2. November 2023.Bild: keystone

Wie schwierig es ist, die Enklave zu verlassen, erzählt der Anwalt Sammy Nabulsi, welcher eine palästinensisch-amerikanische Familie mit einem Kleinkind bei der Ausreise unterstützte, gegenüber BBC: «Es war lange unklar, ob amerikanische Staatsbürger die Möglichkeit zur Flucht haben», so Nabulsi.

Er sei in den letzten drei Wochen täglich in Kontakt mit dem US-Aussenministerium und der amerikanischen Botschaft in Kairo und Jerusalem gestanden. Nach etlichen Telefonaten sei der Familie geraten worden, sich beim Grenzübergang in Rafah schlau zu machen.

Nach acht Stunden in der Warteschlange habe die Familie keine Auskunft erhalten. Bei jedem Luftangriff habe die Mutter geklatscht, um dem kleinen Sohn vorzumachen, dass es sich nur um ein Feuerwerk handelt, erzählt Nabulsi. Erst diese Woche erhielt die Familie eine Ausreiseerlaubnis.

Der Schweizer Doppelbürger Ibrahim Al-Qarinawi hatte seine Familie in Gaza besucht, als die Hamas Israel angriff. Gegenübers «Euronews» sagte er:

«Der Krieg begann und wir wurden hier belagert.

Dieser Krieg ist sehr grausam. Es gibt kein Wasser, keinen Strom, keine Internetverbindung, nichts als Tod und Zerstörung.»

Den Grenzübergang passieren dürfen seit dieser Woche Rettungswagen mit verletzten Palästinenserinnen und Palästinensern, die in Spitälern in Ägypten behandelt werden.

epa10954813 Ambulances cross the Rafah border crossing between the Gaza Strip and Egypt to bring injured people, in Rafah, Egypt, 02 November 2023. As per the agreement made by Egypt, Israel, and Hama ...
Krankenwagen überqueren den Grenzübergang Rafah, 2. November 2023.Bild: keystone

Allen anderen bleibt die Flucht verwehrt.

«Wir wollten einfach weg», sagte Sabreen, eine Kunstlehrerin und Bewohnerin des südlichen Gazastreifen, gegenüber «Al Jazeera». Und weiter:

«Menschen wie uns, den Palästinensern, scheint sogar die Flucht verwehrt zu sein.»

Wenn sie ausreisen könnte – und der Krieg eines Tages zu einem Ende kommt, würde sie sofort nach Gaza zurückkehren. «Gaza ist unsere Heimat. Gaza ist unser Ein und Alles.»

Israel hat inzwischen insgesamt 12'000 Ziele im Gazastreifen angegriffen. Das Palästinenserhilfswerk der UN spricht von einer «beispiellosen Tragödie» unter Zivilisten. (cst)

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132 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rumpelstilz
03.11.2023 11:57registriert Mai 2014
Wenn ich das lese, stellen sich mir zwei grosse Fragen:

1.) Wieso gibts ein unendlich langes Tunnelsystem für die Hamas-Terroristen, aber keine Luftschutzbunker fürs Volk?

2.) Wieso öffnet Ägypten nicht die Grenze und lässt die leidenden Glaubensbrüder- und schwestern einreisen und in Sicherheit ausharren? Könnte es etwa sein, dass man nicht plötzlich selber eine ganze Menge Hamas-Terroristen am Hals haben will?

Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Die Hamas hat diese Tragödie selbst ausgelöst und ist auch jetzt schuld daran, dass sie sich ausweitet.
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Die Geschichte wiederholt sich...
03.11.2023 11:55registriert Februar 2022
«Es gibt keine Luftschutzbunker.» Das stimmt nicht ganz. Sie werden einfach für die Lagerung der Waffen der Hamas verwendet. Da Waffen für die Hamas wertvoller sind als das Leben der Zivilisten. Dies sollte allen Hamas-Unterstützern (da zähle ich die Free-Palestine Bewegung dazu) zu denken geben!
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insert_brain_here
03.11.2023 11:59registriert Oktober 2019
Fazit: Nicht die Israelis hindern Zivilisten daran sich vor dem Konflikt in Sicherheit zu bringen sondern die Hamas.
Eigentlich logisch, nur eine der beiden Konfliktparteien basiert ihre komplette Strategie auf den Tod eigener Zivilisten.
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