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EU-Stromabkommen: Martin Schwab kritisiert den Bundesrat stark

Zankapfel Marktliberalisierung: Wie nah soll die Schweiz im Stromwesen an Europa heranrücken?
Zankapfel Marktliberalisierung: Wie nah soll die Schweiz im Stromwesen an Europa heranrücken? bild: Keystone

Strom-Chef zum EU-Deal: «Es braucht massive Anpassungen»

Martin Schwab, Präsident der Schweizer Elektrizitätsunternehmen, fordert ein Stromabkommen – und kritisiert den Bundesrat scharf.
21.10.2025, 22:2821.10.2025, 22:28
Benjamin Rosch / ch media

In Bundesbern dominiert derzeit ein Thema: Nächste Woche endet die Vernehmlassung zu den bilateralen Verträgen mit der EU. Neben den institutionellen Fragen gibt auch das Stromabkommen zu reden. Martin Schwab präsidiert den Verband der Schweizer Elektrizitätsunternehmen und hat sich das Vertragswerk genau angeschaut. Im Interview sagt er, warum er sich für ein Stromabkommen einsetzt – und kritisiert den Bundesrat harsch für die Schweizer Umsetzung.

«Schlicht nicht umsetzbar»: Martin Schwab äussert deutliche Kritik an die Adresse von Energieminister Albert Rösti.
«Schlicht nicht umsetzbar»: Martin Schwab äussert deutliche Kritik an die Adresse von Energieminister Albert Rösti. bild: Keystone

Das Thema Europa beschäftigt dieser Tage Bundesbern enorm. Mal ganz grundsätzlich: Wie steht der VSE zum Thema Europa?
Martin Schwab: Es ist klar: Ohne institutionelles Abkommen gibt es kein Stromabkommen. Wir haben im Vorstand aber nicht die Bilateralen diskutiert, sondern lediglich das Stromabkommen. Ich kann mich also lediglich dazu äussern.

Und wie beurteilen Sie das Verhandlungsergebnis?
Das Ergebnis ist gut. Man kann sogar sagen, dass es besser ist, als wir im Vorfeld befürchtet hatten. Der Schweizer Umsetzungsentwurf, der nun im Raum steht, ist dagegen schlicht nicht umsetzbar und erfordert massive Anpassungen.

Bleiben wir zuerst beim Positiven. Was bringt ein Stromabkommen der Schweiz?
Eine bessere Integration in Europa und damit mehr Versorgungssicherheit. Die Schweiz ist derzeit nicht optimal in das europäische Netz eingebunden; es gibt unter anderem ungeplante Stromflüsse durch unser Land. Kurz gesagt: Wir sitzen am Katzentisch und manchmal hören wir, was am Tisch gesagt wird, und manchmal hören wir es nicht. Diese Situation würde sich mit einem Stromabkommen verbessern.

Wer will das Stromabkommen mehr: die EU oder die Schweiz?
Das ist schwierig zu beurteilen. Theoretisch könnte die EU ihren Markt um die Schweiz herum bauen. Ich denke, wir sind rein grössenmässig stärker von ihr abhängig als die EU von uns. Entsprechend ist unser Interesse grösser.

Können Sie den Sicherheitsaspekt konkretisieren?
Die Wahrscheinlichkeit eines Stromausfalls in der Schweiz wird tendenziell sinken, wenn auch nicht sehr stark. Es ist wie bei einem städtischen Verkehrssystem, bei dem man sieht, wie viele Parkplätze frei sind und welche Ampeln rot leuchten. Wir wären in diesem Gleichnis ein Quartier, das nicht mitmacht. Dann gibt es mal zu viele leere Parkplätze, mal zu viele volle Parkplätze, und mal ist der Verkehrsfluss nicht so gut, weil er nicht mit der ganzen Stadt koordiniert ist. So kann man sich das vorstellen. Und der Strom wird billiger, weil wir stärker von ausländischen Stromkapazitäten profitieren können.

Aber gibt die Schweiz nicht auch ein Stück ihrer Unabhängigkeit auf? Die Wasserspeicher sind unsere Reserven und die beste Vorsorge gegen einen Strommangel in der Krise.
Ja, Strom ist immer ein Gesamtsystem. Wenn man etwas erhält, gibt man auch etwas zurück. Natürlich sind unsere Wasserkraftwerke, Pumpspeicher und Stauseen ein bedeutender Bestandteil der Netzstabilisierung. Mit einem Stromabkommen können diese besser dafür eingesetzt werden, das gesamte europäische Netz sicher zu halten.

Was Sie konkret kritisieren, ist die innerstaatliche Umsetzung. Können Sie das näher erläutern?
Das Hauptproblem ist der Swiss Finish. Es wurde verpasst, Regulierungen abzubauen.

Sie sprechen die Marktliberalisierung für die Privathaushalte an.
In anderen Märkten, zum Beispiel in Deutschland, gibt es seit über 20 Jahren eine Liberalisierung des Marktes. Und das funktioniert wunderbar. Man muss dem Bäcker nicht vorschreiben, wie viel er für den Teig bezahlen, wie er sich in der Küche organisieren und zu welchem Preis er ihn verkaufen soll. Heute können die Kunden ihren Stromanbieter nicht wählen. Wir haben eine verbindliche Grundversorgung. Diese Regulierung soll bleiben und würde künftig in einem liberalisierten System umgesetzt. Das ist völlig überreguliert und unbrauchbar.

Das sind Zugeständnisse: Die Angst in der Schweiz vor einer Marktliberalisierung ist gross.
Ja, deshalb braucht es wohl eine Grundversorgung. Aber nicht eine, die sich an Gestehungskosten orientiert, sondern am Markt. Es gibt keine Notwendigkeit, den Verbraucher überreguliert zu schützen. Denn das wird der Markt regeln. Es wird Anbieter geben, die sich in einem innovativen Markt positionieren. Jede Überregulierung erhöht den Preis und damit verteuert sich die Rechnung unnötig.

Vorhin sagten Sie, das Abkommen drücke den Preis. Wird die Stromrechnung nun teurer oder billiger?
So einfach lässt sich das nicht sagen. Letztlich ist Strom in einem möglichst liberalisierten Markt mit möglichst wenigen Auflagen am günstigsten. Und je mehr Regulierung, desto teurer wird er. Manches von den Entwürfen wird sich gar nicht umsetzen lassen. Es braucht einen kompletten Neustart.

In der Schweiz gibt es über 600 Energieversorgungsunternehmen. In Deutschland hat die Marktöffnung dazu geführt, dass rund jedes Sechste verschwunden ist. Steht auch die Schweiz vor einer Flurbereinigung?
Ich gehe nicht davon aus, nein. Wir haben ein föderales Stromsystem, das gut funktioniert. Natürlich gibt es immer wieder Energieunternehmen, die sich zusammenschliessen wollen. Viele kleine Energieunternehmen arbeiten sehr effizient. Sie werden in einem liberalisierten Markt bestehen können. Ich glaube deshalb nicht, dass die Marktliberalisierung einen massiven Einfluss auf die Zahl der Stromunternehmen hat.

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Beat_
21.10.2025 22:45registriert Dezember 2018
Die Liberalisierung des Strommarktes hat gerade in Drutschland zu massiv höheren Preisen insbesondere bei den Privathaushalten geführt.

Infrastruktur gehört in regulierte Systeme und nicht in private Hände. Den diese Liberalisierung bringt nur den Stromkonzernen etwas und der Konsument hat höhere Kosten.
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der Brenner
21.10.2025 23:00registriert September 2021
Komisches Interview. Es hört genau an dem Punkt auf, wo es anfängt, interessant zu werden. Was konkret soll in einem liberalisierten Markt denn anders laufen, und wo profitiert das einzelne Unternehmen, der einzelne Haushalt?

Es geht wohl vielen wie mir: ich weiss nicht, was wine Liberalisierung des Strommarkts genau bedeutet. Also bitte Aufklärung!
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FranzXaver
21.10.2025 23:10registriert Januar 2019
Immer die gleiche Leier der Neoliberalen. Den Strommarkt mit Brot zu vergleichen ist absurder Quatsch. Das Brot eines anderen Bäckers sieht Andes aus und schlecht anders. Während beim Strom meine Lampen und mein Fernseher genau gleich funktionieren, weil egal bei welchem Anbieter ich Kunde bin, das exalt gleiche Zeug durch die Leitungen fliesst. Totale Pseudokonkurrenz.
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