Auf dem Mond kam es zwischen zwei Astronauten zum Kampf, nur einer überlebte. Als dieser von seiner Mission im Weltraum zur Erde zurückkehrte, wurde er mit Handschellen abgeführt. So könnte das Ende eines Raumfahrt-Krimis aussehen.
Doch was ist, wenn auf dem Mond tatsächlich eine Straftat begangen wird? Hängt da das Strafrecht bloss im luftleeren Raum – oder gilt das Recht jenes Landes, welches sich auf der Mission befindet? So genau geregelt ist das (noch) nicht. «Auf dem Mond gelten bestimmte Grundregeln, die im UN-Weltraumrecht geregelt sind. Das Strafrecht kommt darin aber nicht vor», sagt Rechtswissenschaftler Stephan Hobe. Kanada will dies nun für sich regeln.
Die kanadische Regierung möchte, dass das Strafgesetzbuch auch im Weltraum gilt. Am Donnerstag wird über eine Gesetzesänderung abgestimmt, welche die Verfolgung von Verbrechen ermöglicht, die auf dem Mond begangen wurden. Die neuen Regeln erlauben es Kanada auch, Astronauten anderer Länder strafrechtlich zu verfolgen, sollten diese gegen kanadisches Weltraumrecht verstossen.
Diese Straftaten könnten von «Mord im Weltraum über die Entführung eines Raumtransportfahrzeugs bis hin zur Detonation eines Nukleargeräts im Weltraum» reichen. Die Verbrechen würden dann so behandelt werden, als wären sie auf kanadischem Boden begangen worden. Die Gesetzesanpassung gelte dann sowohl auf dem Mond als auch auf der geplanten Raumstation «Lunar Gateway». Die Regeln sind in einem 443-seitigen Dokument zur Umsetzung der Bestimmungen des Bundeshaushalts 2022 festgeschrieben.
Aber halt. Ist das Strafrecht nicht bereits im Raumstations-Übereinkommen von 1998 geregelt? Doch, das Übereinkommen berücksichtigt Straftaten von Astronauten, die während des Raumflugs ein Verbrechen begangen haben – nicht aber auf dem Mond. «Anders als für den Mond gibt es für die ISS festgeschriebene Regeln, beispielsweise für Straftaten», sagt Hobe.
Welches Recht bei einer Straftat dann zur Anwendung kommt, hänge unter anderem davon ab, zu welchem Staat das Raumschiff gehört. Aber auch die Staatsangehörigkeit von Opfer und Täter spiele eine Rolle. «Jeder Astronaut nimmt vereinfacht gesagt sein nationales Recht mit in den Weltraum», sagt Hobe. Im Einzelfall müssen sich die betroffenen Staaten dann einigen.
Der Rechtswissenschaftler wünscht sich daher, dass die Gesetzeslage für alle Raumfahrer gleich wäre – unabhängig von deren Nationalität.
Auslöser für die Gesetzesänderung war ein Vorfall im Jahr 2019, als die NASA «das erste mutmassliche Verbrechen im All» untersuchte. Der Astronautin Anne McClain wurde nach einem Weltraumflug Identitätsdiebstahl vorgeworfen. Sie habe unrechtmässig auf die Bankunterlagen ihres Mannes zugegriffen. Das Paar befand sich zu diesem Zeitpunkt gerade in einem Scheidungsverfahren. 2020 wurde McClain wurde von der Beschuldigung entlastet. Der Fall warf jedoch ein Schlaglicht auf potenzielle Probleme im Zusammenhang mit dem Weltraumrecht.
Später schrieb Ram Jakhu, Professor am Institut für Luft- und Weltraumrecht der McGill University, dass die Untersuchungen als «dringender Weckruf» gedient hätten, um neue rechtliche Regeln im Weltall zu schaffen. (cst)