Was klingt wie ein satirischer Beitrag fürs journalistische Sommerloch in Spanien, ist tatsächlich bitterer Ernst: Die spanische Stierkampflobby will das grösste Monument der Nation errichten, und zwar in Form eines über 300 Meter hohen Kampfbullen aus Stahl.
Das Stier-Denkmal soll dreimal höher sein als die grösste Kathedrale des Landes, die im nordspanischen Burgos steht. Und es soll sogar höher werden als der Eiffelturm in Paris. Auch dieses Bauwerk soll eine Aussichtsplattform bekommen – hoch oben in den Hörnern des tierischen Ehrenmals.
Der Stier symbolisiere Spanien wie der Pariser Eisenturm das Nachbarland Frankreich, sagt Jorge Álvarez, Präsident der Spanischen Akademie der Stierkampfkünste. Spanien habe bisher kein grosses Wahrzeichen, das wirklich das Land repräsentiere. «Also was wäre besser als der Stier?», meint Álvarez. Schliesslich würden doch auch viele Touristen Stier-Souvenirs mit nach Hause nehmen – seien es Magnete, Schlüsselanhänger, Tassen oder T-Shirts.
Bezahlt würde das Megaprojekt mit privaten Mitteln. Die öffentliche Hand müsse nur ein passendes Territorium bereitstellen. Und zwar am besten in einer Stadt, die von vielen Touristen besucht werde, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit der gehörnten Grossskulptur zu gewährleisten. Der über 300 Meter hohe Riesenstier könne wie der Eiffelturm umgerechnet gut 90 Millionen Franken an Eintrittsgeldern erwirtschaften – davon werde auch die Stadtkasse profitieren.
Doch in den Rathäusern der spanischen Tourismusmetropolen hält sich die Begeisterung in Grenzen. Spaniens Hauptstadt Madrid, der das Projekt angeboten wurde, hat bereits dankend abgelehnt. Auch die Stadt Burgos, die von Stierkampffreunden ins Spiel gebracht wurde, reagierte verhalten. Stadtpräsidentin Cristina Ayala sagte mit einem vielsagenden Lächeln: «Die Idee spricht für sich selbst – da muss ich nichts hinzufügen.»
Bisher signalisierten nur ein paar kleinere Gemeinden aus der zentralspanischen Stierkampf-Region Kastilien und León Interesse, darunter sinnigerweise der 8000-Einwohner-Ort namens Toro – auf Deutsch: Stier.
Gemessen an den öffentlichen Reaktionen sieht es bisher nicht danach aus, als ob sich die spanische Nation mit einem Riesen-Kampfstier als Wahrzeichen für das moderne Spanien des 21. Jahrhunderts anfreunden kann. Zumal das Interesse an der jahrhundertealten Tradition der Stierkämpfe seit Jahrzehnten abnimmt.
Nach der offiziellen Statistik hat sich die Zahl der Stierkampf-Veranstaltungen in den letzten 20 Jahren halbiert. Im Jahr 2024 gab es nur noch 1457 solcher Torero-Ereignisse. Auch die Zahl der Arenabesucher ist gesunken: Lediglich zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung besuchen regelmässig die Arena – meistens sind es Männer.
In mehreren spanischen Regionen, wie etwa Katalonien und auf den Kanarischen Inseln, wurden Stierkämpfe schon vor Längerem verboten. In anderen Territorien, wie auf den Balearischen Inseln mit Mallorca, haben die meisten Kampfplätze inzwischen mangels Besucherinteresse geschlossen. Nur im südspanischen Andalusien, in Zentralspanien mit dem Grossraum Madrid und in der Mittelmeerregion Valencia gehören Stierspektakel immer noch zu vielen Volksfesten.
Erwartungsgemäss halten spanische Tierschutzbewegungen wie beispielsweise die Organisation ProAnBur aus Burgos wenig von einem Monument für den umstrittenen Stierkampf, der von Anhängern als erhaltenswerte Kultur gesehen wird. «Mit dieser Stierfigur versucht man, etwas als Kunst zu verkaufen, das davon meilenweit entfernt ist», sagen die Tierschützer. «Angesichts der Kontroverse, die es in unserem Land rund um die Stierkämpfe gibt, empfinde ich es als Provokation, uns ein Symbol aufzwingen zu wollen, das für Folter und Tierquälerei steht.»
In den sozialen Medien ist das Echo ähnlich heftig. Ein Nutzer schreibt: «Wenn man dem Stierkampf endgültig den Gnadenstoss verpassen will – dann bitte mit einem 300 Meter hohen Symbol für Wahnsinn und Geschmacksverirrung.» Ein anderer empfiehlt ironisch: «Warum nicht gleich einen blutenden Stier, unter dem ein Brunnen mit rotem Wasser sprudelt? Dann ist das Bild komplett.»
Auch Spanier: Komm wir stellen irgendwo einen XXL-Stier hin damit noch mehr Instageile Leute zu uns kommen.