Massaker an tausenden Zivilisten befürchtet – das musst du zur Lage im Sudan wissen
Was ist gerade im Sudan passiert?
Über 500 Tage hatten die Rapid Support Forces (RSF) die von der Armee kontrollierte Grossstadt Al-Faschir in Darfur belagert. Am Montag wurde ihre Einnahme durch die RSF bestätigt. Das sorgt für Schrecken unter den rund 300'000 Zivilisten in der Stadt, die schon zuvor gehungert hatten. Es soll ein Kriegsmittel gewesen sein: Die RSF hatten verhindert, dass Hilfsgüter die Menschen erreichten. Laut dem Spiegel war nicht einmal mehr Verbandszeug verfügbar. Auch Krankheiten breiteten sich aus.
Nun wird ein Massaker an der Bevölkerung befürchtet. Geflüchtete hatten dem UN-Flüchtlingshilfswerk von willkürlicher Gewalt und brutalen Morden berichtet. Das südsudanesische Ärztenetzwerk berichtet von mindestens 1500 getöteten unbewaffneten Zivilisten in nur drei Tagen in der Stadt. Die WHO schreibt zudem von über 460 getöteten Menschen in der Geburtsklinik von Al-Faschir.
.@WHO is appalled and deeply shocked by reports of the tragic killing of more than 460 patients and companions at Saudi Maternity Hospital in El Fasher, #Sudan, following recent attacks and the abduction of health workers.
— Tedros Adhanom Ghebreyesus (@DrTedros) October 29, 2025
Prior to this latest attack, WHO has verified 185… pic.twitter.com/CbAjtqYUAh
Wer sind die RSF?
Die Rapid Support Forces wurden 2013 ins Leben gerufen. Ihren Ursprung haben sie in der Janjaweed-Miliz, die für ihren brutalen Kampf gegen sudanesische Rebellen in der Region Darfur in den Nullerjahren bekannt ist und ursprünglich aus nomadischen Stämmen bestand. Schon 2013 herrschte im Südsudan ein jahrzehntelanger Konflikt, dem ein Bürgerkrieg vorausgegangen war und knapp 2 Millionen Zivilisten das Leben gekostet hatte. Ausgelöst wurden die Spannungen durch Dürren und Hungersnot.
Als 2019 ein Militärputsch die 30-jährige Regentschaft von Präsident Omar Al-Baschir beendete, forderte die Bevölkerung eine Demokratie. Der Weg war eigentlich geebnet, drei Jahre später sollten Wahlen stattfinden.
Die vorübergehende Regierung wurde aber 2021 wieder gestürzt und General Abdel Fattah Al-Burhan kam an die Macht. Sein Stellvertreter ist General Mohamed Hamdan Dagalo, Chef der RSF.
Geplant war, dass die rund 100'000 Mann starken RSF in die Armee integriert werden. Doch gemäss BBC wollten offenbar beide Generäle ihre Macht und ihren Wohlstand nicht einbüssen, weshalb es seit 2023 immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen kommt. Wer angefangen hat, ist schwierig zu beurteilen. Doch der Streit zwischen den zwei Generälen führte zu Hunger, Tod und Vertreibung.
Welche Staaten wen unterstützen
Libyen soll zu den Unterstützern der RSF gehören und beim Waffenschmuggel helfen. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate sollen involviert sein, und zwar als wichtigster Unterstützer: RSF-Chef Dagalo, der einige sudanesische Goldminen kontrolliert, soll das Gold ins Nachbarland schmuggeln. Gleichzeitig wird dem Golfstaat vorgeworfen, die RSF mit Drohnenattacken im Sudan und Waffen zu unterstützen. Offiziell wird dieser Vorwurf dementiert.
Die sudanesische Armee wiederum erhält laut Medienberichten Rückenwind von Ägypten, dem Iran, der Türkei, Katar und Saudi-Arabien. Es wird vermutet, dass die Golfstaaten ein Eigeninteresse verfolgen: Macht, Gold, Land, Handel.
Das gespaltene Land
Es wird befürchtet, dass der Sudan erneut gespaltet werden könnte. Die RSF wollen eine eigene Regierung aufbauen. Schon 2011 hatte sich der Südsudan abgespalten und viele Ölfelder mitgenommen. Nun droht eine weitere Abspaltung. Friedensgespräche gab es zwar immer mal wieder, sie führten allerdings zu nichts.
Nun kontrollieren die RSF praktisch den ganzen Westsudan, während die Armee im Osten die Übermacht hat. Experten befürchten, dass die Kämpfe auch einfach weitergehen, da sich die Paramiliz nicht zufriedengeben könnte. Zumindest, solange sie Nachschub erhält.
Genozid, Hunger und Kriegsverbrechen
Den RSF wird laut BBC vorgeworfen, Genozid und ethnische Säuberung an nicht-arabischen Menschen in der Region Darfur verübt zu haben. Viele Menschen in der Region Darfur befürchten das auch. So gibt es Unicef-Berichte von 2024, dass selbst einjährige Kinder vergewaltigt worden sein sollen. Auch Suizidversuche von Kindern seien bekannt. Zudem gibt es Berichte über Massenvergewaltigungen von minderjährigen Mädchen. Eine UN-Untersuchung hat gezeigt, dass beide Seiten Kriegsverbrechen begangen haben.
Die USA bestätigten im Januar 2025 den Genozid-Verdacht. Die RSF hätten systematisch Männer und Buben auf ethnischer Grundlage ermordet und Frauen und Mädchen einiger ethnischer Gruppen brutale sexuelle Gewalt angetan, sagte damals US-Aussenminister Antony Blinken.
Jetzt, da Al-Faschir eingenommen ist, kontrollieren die RSF praktisch die ganze Region Darfur. Die Zivilisten der Stadt können nicht fliehen. «Es gibt derzeit wohl keinen schlimmeren Ort auf der Welt als Al-Faschir», sagt Sudankenner Roman Deckert zu SRF. Unicef bezeichnete Al-Faschir als «Epizentrum des Kinderleids». Rund 12 Millionen Menschen seien auf der Flucht, über 24 Millionen litten an Hunger, heisst es in einem UN-Bericht.
Internationale Reaktionen
Die USA haben Sanktionen gegen Dagalo, aber auch gegen Burhan ausgesprochen. Die Lage verschlechterte sich für die Bevölkerung aber weiter, insbesondere nachdem US-Präsident Donald Trump die Gelder für humanitäre Arbeit eingefroren hatte. Daraufhin mussten rund 80 Prozent der Notfall-Essensausgaben schliessen.
Grossbritannien hat nach der Einnahme von El-Fascher am Montag in einer Stellungnahme Bestürzung ausgedrückt. «Hunderttausende Zivilisten sitzen in der Stadt fest – viele von ihnen von Zwangsvertreibungen und willkürlicher Gewalt betroffen. Die humanitären Konsequenzen sind katastrophal.» Frauen würden als Mittel des Krieges brutal vergewaltigt, «ihr Leiden darf nicht ignoriert werden». Alle beteiligten Parteien müssten umgehend mit der UN kooperieren, schliesslich hätten beide Seiten öffentlich erklärt, Zivilisten zu schützen und humanitäre Hilfe zuzulassen.
Allerdings hat der UN-Sicherheitsrat auch Berichte über britische Waffenlieferungen an die Vereinigten Arabischen Emirate, welche an die RSF weitergegeben worden seien. Die Regierung verteidigte sich, dass es immer ein Risiko gebe, dass Exporte bei «unerwünschten» End-Nutzern landen könnten.
Und die Schweiz? Sie hat im August vier Millionen Franken in den UN-Hilfsfonds gesteckt, um Betroffene im Sudan mit Hilfsgütern zu versorgen. Zudem hat sie bereits 2005 ein Exportverbot für Waffen in den Sudan verhängt. Verschiedene Personen stehen zudem auf der Sanktionsliste der Schweiz.
Zu den jüngsten Entwicklungen zeigt sich das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) «zutiefst besorgt über die Gewalt in und um Al-Faschir». Sie ruft alle Parteien dazu auf, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten.
#Sudan | Die #Schweiz ist zutiefst besorgt über die Gewalt in und um El-Fasher. Das Leben vieler Zivilpersonen und die Sicherheit humanitärer Helfer sind bedroht.
— EDA - DFAE (@EDA_DFAE) October 28, 2025
Sie ruft alle Konfliktparteien auf, das humanitäre Völkerrecht und die Dschidda-Erklärung einzuhalten, um die…
Dem Westen wird gleichzeitig vorgeworfen, bloss zuzusehen, statt handfeste Sanktionen zu verabschieden und dem Leid ein Ende zu bereiten. Viele Staaten haben ihre Hilfsgelder gekürzt, sagte Sheldon Yett von Unicef bereits im Juni zu watson. Zudem werde international kaum über die Krise berichtet. «Dabei sollte das Leid der Sudanesinnen und Sudanesen niemandem egal sein. Nur schon angesichts ihres Ausmasses.» (vro)


