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Syrien

Syrien: Warum die Kurden die grossen Verlierer sein könnten

Warum die Kurden die grossen Verlierer im neuen Syrien sein könnten

Die Machtübernahme in Syrien wirft neue Fragen auf, insbesondere für die Kurden im Norden des Landes. Ihnen droht grosse Gefahr aus der Türkei.
25.12.2024, 06:34
Von Tom Perry, Tuvan Gumrukcu und Alexander Ratz / t-online
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t-online

Die Konsequenzen des Umsturzes in Syrien lassen sich noch nicht abschätzen. Aber in einem sind sich Experten einig: Zu den Verlierern der Machtübernahme der eigentlich islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) könnten die Kurden im Norden Syriens gehören. Deren autonome Strukturen sind bedroht.

This photo released on Wednesday, March 7, 2018 by the Syrian official news agency SANA, shows Kurds fleeing from their villages where Turkish forces and Syrian rebels battle against Kurdish fighters, ...
Die Kurden rechnen mit einem Angriff der türkischen Armee und ihrer syrischen Verbündeten auf die Grenzstadt Kobane. (Archivbild)Bild: AP/SANA

Und der Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad könnte zu einem stärkeren Einfluss der Türkei führen, nicht zuletzt auch wegen des anstehenden Machtwechsels in den USA. Denn der neue Präsident Donald Trump könnte nach Ansicht von Experten und westlichen Regierungsvertretern die Unterstützung der Kurden überdenken.

«Die Kurden befinden sich in einer misslichen Lage», sagt Joshua Landis, Syrien-Experte an der University of Oklahoma. Sobald die HTS ihre Macht in Damaskus gesichert habe, werde sie versuchen, das Land zu zentralisieren. Die Lage in Nordsyrien ist verworren. Bislang wurden die von der kurdischen YPG geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) vor allem von den USA, aber auch von Deutschland im Kampf gegen den extremistischen Islamischen Staat unterstützt – und das relativ erfolgreich, denn der IS ist weitgehend in der Defensive.

Die Türkei aber sieht die YPG als Teil der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die seit 1984 einen Aufstand gegen den türkischen Staat führt und von der Türkei, den USA und anderen Ländern als Terrororganisation eingestuft wird.

Daher wird die Syrische Nationalarmee SNA, die ebenso mit der YPG verfeindet ist, von der Türkei militärisch unterstützt. Und in den Tagen nach Assads Sturz konnte die SNA Gewinne gegen die SDF verbuchen.

Baerbock: «Ist auch im Sicherheitsinteresse von uns»

Nicht zuletzt deswegen reiste die deutsche Bundesaussenministerin Annalena Baerbock am Freitag nach Ankara, um die Lage in Nordsyrien mit der türkischen Regierung zu besprechen. Nach einem Treffen mit Aussenminister Hakan Fidan betonte die Ministerin, dass alle bewaffneten Gruppen in Syrien entwaffnet werden und in die staatlichen Sicherheitsstrukturen integriert werden müssten. «Dies ist auch im Sicherheitsinteresse von uns und der internationalen Gemeinschaft insgesamt», sagte Baerbock bei einer anschliessenden Pressekonferenz, allerdings ohne Fidan. Der liess nach dem Treffen mit Baerbock lediglich ausrichten, dass die kurdischen Gruppen in Syrien entwaffnet und zerschlagen werden müssten.

epa11787464 German Foreign Minister Annalena Baerbock attends a press conference after a meeting with Turkish Foreign Minister Hakan Fidan, in Ankara, Turkey, 20 December 2024. EPA/NECATI SAVAS
Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock in Ankara.Bild: keystone

Baerbock wiederum warnte die türkische Regierung vor einem militärischen Eingreifen in Syrien. «Die Sicherheit gerade auch von Kurdinnen und Kurden ist essentiell für eine freie und sichere Zukunft Syriens», sagte sie. «Und es war gut zu hören, dass dies auch der türkische Aussenminister so sieht.» Auch deshab habe sie in ihren Gesprächen in Ankara «sehr, sehr deutlich gemacht, dass unsere gemeinsamen Sicherheitsinteressen nicht durch eine Eskalation mit den Kurden in Syrien gefährdet werden dürfen».

Die Kurden in Syrien waren jahrelang von Assad und seiner regierenden Baath-Partei unterdrückt worden. Jetzt biete sich die Chance, das zersplitterte Land wieder zusammenzuführen, sagte Fanar al-Kait, ein hochrangiger Beamter der von Kurden geleiteten regionalen Verwaltung, der Nachrichtenagentur Reuters. Allerdings, warnte er zugleich, die türkische Regierung habe «sehr schlechte Absichten». Das zeigen zumindest Äusserungen von Präsident Recep Tayyip Erdogan, der parallel zu Baerbocks Besuch in Ankara am Freitag forderte, die kurdischen Gruppen in Syrien auszulöschen.

Er erwarte, dass ausländische Staaten ihre Unterstützung etwa für die YPG einstellten, sagte Erdogan offenbar auch an die Adresse der USA. Ein türkischer Regierungsvertreter sagte zu Reuters, die Ursache des Konflikts in Nordsyrien liege nicht im Vorgehen der Regierung in Ankara, sondern vielmehr darin, dass die PKK/YPG eine Terrororganisation sei. «Die PKK/YPG-Elemente müssen die Waffen niederlegen und Syrien verlassen», sagte er.

HTS-Anführer: «Teil unseres Volkes»

SDF-Kommandant Mazloum Abdi räumte in einem Interview mit Reuters am Donnerstag erstmals ein, dass sich PKK-Kämpfer in Syrien aufhielten. Sie hätten im Kampf gegen den Islamischen Staat geholfen und würden im Falle eines umfassenden Waffenstillstands mit der Türkei in ihre Heimat zurückkehren. Organisatorische Verbindungen zur PKK bestritt er jedoch.

A convoy of Turkish Army armoured personnel carriers led by a tank are driven toward the border with Syria, in the outskirts of Hassa, Turkey, Tuesday, Jan. 23, 2018. Turkey's Foreign Minister Me ...
Die Türkei geht im Norden Syriens gegen die syrische Kurdenmiliz vor. (Archivbild)Bild: AP/AP

In Damaskus zeigt sich die neue Führung unter der HTS unterdessen offen für die Positionen der Türkei und signalisiert, ganz Syrien wieder unter eine zentrale Autorität zu bringen. HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa sagte dem britischen Sender BBC, dass die Kurden «Teil unseres Volkes» seien und es «keine Teilung Syriens geben sollte».

Die türkische Regierung wiederum hat ein distanziertes Verhältnis zur HTS. Einerseits wird diese von Ankara wegen ihrer ursprünglichen Verbindung zur Extremistenorganisation Al-Kaida als Terrororganisation eingestuft. Dennoch wird weithin angenommen, dass die HTS ohne türkische Unterstützung Assad kaum hätte stürzen können, schon gar nicht in diesem Tempo. So sagte HTS-Kommandeur Scharaa einer türkischen Zeitung, dass der Sturz Assads «nicht nur ein Sieg des syrischen, sondern auch des türkischen Volkes» sei.

epa11790366 Armed rebel fighters keep watch as people take part in a 'Liberation Festival' to celebrate the ouster of Syrian president Bashar Al-Assad, in Idlib, northwestern Syria, 22 Decem ...
Kämpfer der Islamistenmiliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS).Bild: keystone

Ein türkischer Regierungsvertreter sagte indes, die HTS habe niemals unter der Kontrolle Ankaras gestanden. Es handele sich lediglich um eine Struktur, mit der man «aufgrund der Umstände» kommuniziere. Andere westliche Staaten täten dies ebenfalls. Auch die Bundesregierung hatte am vergangenen Dienstag mit Vertretern aus dem Auswärtigen Amt und dem Ministerium für Entwicklungshilfe erstmals mit HTS-Vertretern in Damaskus gesprochen.

Im Anschluss hiess es, man erwarte von der HTS den Schutz von Minderheiten und die Einhaltung demokratischer Prinzipien. Daran werde sich die Miliz messen lassen müssen.

Jetzt befürchten die Kurden einen Einmarsch türkischer Truppen

Die von der Demokratischen Union Partei (PYD) und der damit verbundenen YPG-Miliz angeführten syrischen Kurden kontrollieren seit dem Aufstand gegen Assad im Jahr 2011 einen Grossteil des Nordens. Sie gründeten ihre eigene Verwaltung und betonten, dass ihr Ziel Autonomie und nicht Unabhängigkeit sei. Ihre Politik, die Sozialismus und Feminismus hervorhebt, steht im starken Kontrast zum Islamismus der HTS. Ihr Gebiet wuchs, als die von den USA geführten Streitkräfte sich mit den SDF im Kampf gegen den Islamischen Staat verbündeten und arabisch kontrollierte Gebiete eroberten.

Jetzt befürchten die Kurden einen Einmarsch türkischer Truppen nach Nordsyrien. Die führende syrisch-kurdische Vertreterin Ilham Ahmed warnte unlängst, die Türkei plane einen Einsatz noch vor Amtsantritt von Trump am 20. Januar. Der Plan der Türkei berge die Gefahr, «jahrelange Fortschritte bei der Sicherung von Stabilität und der Bekämpfung des Terrorismus zunichte zu machen».

Trump habe aber die Macht, diese Katastrophe zu verhindern. Der Übergangssprecher Trumps, Brian Hughes, sagte darauf angesprochen lediglich: «Wir beobachten weiterhin die Situation in Syrien. Präsident Trump ist entschlossen, Bedrohungen für Frieden und Stabilität im Nahen Osten zu verringern und Amerikaner hier zu Hause zu schützen.» (reuters, t-online)

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hösch
25.12.2024 07:17registriert März 2022
Die Kurden werden die Verlierer sein. - Einmal mehr.

Aber dass Zentralismus Syrien den Frieden bringen könnte kann ich mir grundsätzlich nicht vorstellen.
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Enzasa
25.12.2024 09:17registriert August 2016
Erdogan fühlt sich anscheinend durch den Traum von Kurdistan bedroht.
Leider versteht er nicht dass Respekt, Akzeptanz und Mitbestimmung die Lösung sind. Wie sollte er auch?
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rodolofo
25.12.2024 07:21registriert Februar 2016
Ich sehe meine Ansichten zur aktuellen Lage in Syrien durch den Artikel weitgehend bestätigt.
Ganz allgemein sehen wir, dass neue "Starke Männer" nicht Teil der Lösung sein können, da ihre Charaktereigenschaften die Ursachen des Problems sind.
Ob sie also Assad und Putin, oder Erdogan, Netanyahu und Trump heissen, spielt letztlich eine untergeordnete Rolle.
Das Ergebnis lautet immer "Krieg, Krieg und nochmals Krieg".
Aber wie kriegen wir diese toxisch männlichen Verschlimmbesserer weg?
Guter Rat ist teuer, und ich kann ihn nicht bezahlen...
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