
Präsident Erdogan liess zahlreiche Medien schliessen.Bild: UMIT BEKTAS/REUTERS
Die türkische Regierung hat am Mittwochabend als weitere Massnahme nach dem gescheiterten Putschversuch die Schliessung von Dutzenden Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern sowie Nachrichtenagenturen angeordnet. Zuvor erliess sie Haftbefehle gegen weitere Journalisten.
27.07.2016, 22:1728.07.2016, 07:34
Laut dem im Amtsblatt veröffentlichten Regierungsdekret werden 45 Zeitungen, 16 Fernsehsendern, 3 Nachrichtenagenturen, 23 Radiosender, 15 Zeitschriften und 29 Verlagshäuser geschlossen. Die Namen der betroffenen Medien wurden nicht veröffentlicht.
Laut dem Sender CNN-Türk sind unter anderen die Nachrichtenagentur Cihan, der pro-kurdische Sender IMC TV und die oppositionelle Tageszeitung «Taraf» betroffen.
Am Mittwoch erliess die Justiz zudem Haftbefehle gegen 47 frühere Mitarbeiter der Zeitung «Zaman». Das Blatt war bis zur staatlichen Übernahme das Flaggschiff der Bewegung von Prediger Fethullah Gülen, den Präsident Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch verantwortlich macht.
Wissen über Gülen-Netzwerk
Als die Zeitung im März unter Zwangsverwaltung gestellt wurde, drangen Polizisten in die Redaktionsräume ein, Chefredaktor Abdülhamit Bilici wurde gefeuert. Zwei Tage später erschien «Zaman» mit ausschliesslich regierungsfreundlichen Artikeln, von der Titelseite lächelte Präsident Erdogan.
Ein Regierungsmitarbeiter rechtfertigte die Haftbefehle gegen die Ex-«Zaman»-Mitarbeiter damit, dass die Gesuchten detaillierte Kenntnisse über das Netzwerk um Gülen hätten. Dieses Wissen könne von grossem Wert für die Ermittlungen sein, sagte der Mann, der nicht namentlich genannt werden wollte.

Türkische Journalisten solidarisieren sich mit einem inhaftierten Kollegen.Bild: Petros Karadjias/AP/KEYSTONE
Allerdings sind auch Haftbefehle gegen linksorientierte Journalisten wie Sahin Alpay ausgestellt worden. Diese Menschen können aufgrund ihrer Weltsicht kaum der religiös geprägten Gülen-Bewegung zugerechnet werden. Damit wuchsen Sorgen, Präsident Erdogan wolle die Opposition ausschalten.
Gülen selbst, der in den USA lebt und jede Verwicklung in den Putsch von sich weist, forderte am Dienstag die US-Regierung auf, sich dem türkischen Auslieferungsgesuch zu widersetzen. «Der türkische Präsident erpresst die Vereinigten Staaten», schrieb Gülen in einem Beitrag für die «New York Times».
Generäle entlassen
Auch gegen mutmassliche Putschisten in der Armee geht Ankara weiter vor: Wegen ihrer mutmasslichen Verwicklung in den Putschversuch wurden 149 Generäle und Admiräle unehrenhaft aus der Armee entlassen, wie ein türkischer Behördenvertreter am Abend mitteilte.
Demnach gehörten 87 der Geschassten dem Heer, 30 der Luftwaffe und 32 der Marine an. Laut dem Regierungsdekret wurden zudem 1099 Offiziere entlassen.
Insgesamt wurden nach dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli mehr als 15'000 Menschen festgenommen, darunter viele Armeeangehörige, mindestens 8000 sind immer noch in Gewahrsam.
Besorgter Ban Ki Moon
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon äusserte sich besorgt über die Verhaftungswelle in der Türkei. In einem Telefongespräch mit dem türkischen Aussenminister Mevlut Cavusoglu sagte Ban laut einem Sprecher am Mittwoch, es müssten schnell «glaubhafte Beweise» vorgelegt werden, damit der Status der Festgenommenen jeweils vor Gericht geklärt werden könne.
In dem Gespräch bezog sich Ban demnach auch auf «Besorgnis erregende Berichte über Misshandlungen» einiger Festgenommener.
Seit dem Putschversuch vor knapp zwei Wochen wurden nach früheren Angaben über 60'000 Militärangehörige, Beamte, Lehrer und andere Staatsbedienstete entlassen, versetzt oder festgenommen. (sda/reu/afp/dpa)
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