Bei türkischen Luftangriffen auf Stellungen von Kurden im Norden Syriens und des Iraks sind der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge mehr als 20 Menschen getötet worden. Jets bombardierten demnach die mit den USA verbündete Kurden-Miliz YPG sowie die in der Türkei verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Die USA verurteilen das türkische Vorgehen scharf.
Die Angriffe seien weder mit den USA noch mit der Koalition gegen die Terrormiliz «Islamischer Staat» («IS») in Syrien und im Irak abgesprochen gewesen, sagte ein Sprecher des US-Aussenministeriums in Washington. Er rief Ankara dazu auf, alle militärischen Schritte mit den Partnern zu koordinieren. Dies sei schon allein nötig, um die Sicherheit der Koalitionskräfte zu gewährleisten.
Die YPG ist in Syrien wichtigster Partner des Westens im Kampf gegen die sunnitischen Fanatiker vom so genannten «Islamischen Staat» («IS»). Jets der US-geführten internationalen Koalition unterstützen eine von der YPG angeführte Offensive auf die «IS»-Hochburg Al-Rakka im Nordosten Syriens.
Die Terrormiliz kontrolliert im Norden Syriens zudem grosse Teile der Grenze zur Türkei. Ankara sieht in der Kurdenmiliz einen Ableger der PKK und bekämpft sie deshalb.
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kamen im Nordosten Syriens 15 YPG-Kämpfer und drei Mitarbeiter eines Medienzentrums der Miliz ums Leben. Bei den Luftangriffen auf die PKK im nordirakischen Sindschar-Gebirge seien zudem versehentlich fünf kurdische Peschmerga-Kämpfer ums Leben gekommen, teilte ein Peschmerga-Kommandant mit.
Die Peschmerga gehören zur kurdischen Autonomieregierung im Nordirak. Diese pflegt gute Beziehungen zur Türkei und steht in Konkurrenz zur PKK, die im Nordirak Stellungen hat. Ein Sprecher des Peschmerga-Ministeriums in Erbil erklärte, die Angriffe seien inakzeptabel. Gleichzeitig forderte er die PKK auf, sich aus dem Nordirak zurückzuziehen.
Die türkische Armee bestätigte in einer Mitteilung, sie habe am frühen Dienstagmorgen Luftangriffe auf die PKK «und die Verlängerungen dieser Organisation in Syrien und im Irak» geflogen. Ziel sei die «Zerstörung dieser Terrornester» in Nordostsyrien und im Nordirak gewesen. Die Ziele seien präzise getroffen worden.
Von den angegriffenen Regionen aus kämen Terroristen in die Türkei und brächten Waffen und Sprengstoff ins Land, teilten die Streitkräfte weiter mit.
Diese Terroristen verübten Anschläge in der Türkei. Zuletzt sei das bei einem Anschlag auf eine Polizeistation in der südosttürkischen Kurdenmetropole Diyarbakir der Fall gewesen, bei dem vor zwei Wochen drei Menschen getötet wurden. Dazu hatte sich die PKK bekannt.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan rechtfertigte die Angriffe seiner Luftwaffe. Die Türkei werde nicht zulassen, dass die Sindschar-Region zu einem Stützpunkt für Extremisten der Kurdischen Arbeiterpartei PKK werde, sagte Erdogan am Dienstag in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Militäraktionen würden solange fortgesetzt «bis der letzte Terrorist vernichtet ist», sagte Erdogan. Die Türkei müsse diese Massnahmen ergreifen, dies sei auch den USA, Russland und dem Irak vermittelt worden.
Der Chef der syrischen Kurdenpartei PYD, Salih Muslim, warf der Türkei vor, Terroristen zu unterstützen. «Anstatt den ‹IS› anzugreifen, attackiert die Türkei diejenigen, die gegen die Terroristen kämpfen», sagte er der «Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung» (NRZ). Die internationale Koalition dürfe diese Angriffe nicht stillschweigend akzeptieren. Die YPG gilt als bewaffneter Arm der PYD.
Bei mutmasslichen PKK-Anschlägen in der Südosttürkei wurden am Dienstag mindestens fünf türkische Soldaten getötet, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. In den Provinzen Sirnak, Bitlis und Kars seien Sprengfallen gezündet worden. Bei Gefechten in den südosttürkischen Provinzen Sirnak und Hakkari seien insgesamt 13 PKK-Kämpfer getötet worden. (sda/dpa/reu)