Noch muss sich die ukrainische Armee gedulden: Noch stecken die tonnenschweren Panzer und Haubitzen im dunkelbraunen und bis zu den Knien triefenden Schlamm fest. Aber sobald die «Rasputiza», die übliche Feuchtperiode zu Frühlingsbeginn vorbei ist, kann es losgehen.
Sobald der Boden wieder trockener ist, dürfte Kiew das Signal für seine lange vorbereitete Frühjahrsoffensive geben. Ab dann dürfte die ukrainische Artillerie die russischen Positionen unter intensiven Beschuss setzen - und dementsprechend viel Munition verbrauchen.
Bereits heute verschiesst die Ukraine pro Tag über 5000 Artilleriegeschosse. Wechselt sie vom Verteidigungs- in den Angriffsmodus wird die Zahl nochmals deutlich zunehmen. Umso dringender sind für das Gelingen der Offensive schnelle Munitionslieferungen aus dem Westen.
Bereits im März hat sich EU dazu verpflichtet, der Ukraine eine Million Artilleriegeschosse zur Verfügung zu stellen. Das Problem: In den meisten europäischen Arsenalen gehen selbst die Vorräte zur Neige. Um sich trotzdem an das Versprechen zu halten, haben sich die EU-Beamten in Brüssel einen dreistufigen Plan ausgedacht.
Dieser ist simpel: Die EU-Staaten sollen zunächst ihre Reserven anzapfen und diese umgehend in die Ukraine schicken. Gleichzeitig sollen über gemeinsame Munitionseinkäufe die Lücken in den Lagern schnell wieder aufgestockt werden. Liefern wird die europäische Rüstungsindustrie, welche zum Hochfahren ihrer Kapazitäten von der EU eine kräftige Finanzspritze erhält. Alles in allem kostet der Plan mit grosszügigen Entschädigungen aus Brüssel rund drei Milliarden Euro.
Nur: Die EU wäre nicht die EU, wenn sie sich nicht einen erbitterten Streit um das Kleingedruckte liefern würde. Konkret ist es Frankreich, welches darauf beharrt, dass mit EU-Geldern finanzierte Munitionseinkäufe ausschliesslich in der EU getätigt werden dürfen. Anstatt britischer, amerikanischer oder südkoreanischer Munition sollen die Granaten also «made in Europe» sein.
Seit Wochen streitet man nun darüber, was das genau bedeutet: Ist es in Ordnung, wenn der Zünder aus Südafrika, das Schiesspulver aus Australien stammt, solange die Granaten in der EU zusammengesetzt werden? Oder müssen doch alle Komponenten der Wertschöpfungskette auf dem Territorium der EU gefertigt werden?
The inability of the EU to implement its own decision on the joint procurement of ammunition for Ukraine is frustrating. This is a test of whether the EU has strategic autonomy in making new crucial security decisions. For Ukraine, the cost of inaction is measured in human lives.
— Dmytro Kuleba (@DmytroKuleba) April 20, 2023
Während sich Frankreich auf den Standpunkt stellt, es gehe hier auch um die «strategische Souveränität» der EU und den Erhalt eigener Produktionskapazitäten, werfen Kritiker ein, Paris sei in erster Linie um seine heimische Rüstungsindustrie besorgt. Im April zeigte sich der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba nach Treffen mit den EU-Ministern zerknirscht: Es sei «frustrierend», dass es die EU nicht schaffe, die eigenen Beschlüsse umzusetzen. Die Kosten dieser Untätigkeit würde die Ukraine in Menschenleben bezahlen, so Kuleba auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
Auf einem anderen Blatt steht, ob die europäische Rüstungsindustrie den grossen Bedarf an Munition überhaupt decken kann. Um das herauszufinden hat EU-Industriekommissar Thierry Breton, ebenfalls Franzose, die Munitionsfabriken jetzt in Augenschein genommen. In zwölf EU-Ländern werden heute die benötigten 155 Millimeter-Geschosse und das alte sowjetische Kaliber 152 Millimeter hergestellt.
Breton kommt zum Schluss: Die industrielle Basis für die Munitionsproduktion ist vorhanden und hat das Potenzial, die Bedürfnisse der Ukraine sowie der EU-Staaten zu erfüllen. Dazu brauche sie aber einen ordentliche Schub. Breton: «Wenn es um die Verteidigung geht, muss unsere Industrie jetzt in den Modus der Kriegswirtschaft wechseln». Um die richtigen Anreize zu setzen, will die EU deshalb 1 Milliarde Euro mobilisieren. Und: Die Regierungen sollen in Zukunft sogar die Fördertöpfe der EU-Kohäsionsfonds und des Corona-Wiederaufbaufonds zum Aufbau der Industrie anzapfen können. Eine kontroverse Massnahme, die sicher noch für Diskussionsstoff sorgen wird.
Unterdessen verdichten sich die Informationen, dass auch Russland unter Munitionsmangel leidet und die Kapazitäten fehlen, diesen auszugleichen. Gemäss britischen Geheimdienstinformationen verfügt Russland nicht über ausreichend Munition, um in der Ukraine in die Offensive zu bleiben.
Latest Defence Intelligence update on the situation in Ukraine - 02 May 2023.
— Ministry of Defence 🇬🇧 (@DefenceHQ) May 2, 2023
Find out more about Defence Intelligence's use of language: https://t.co/Wq5tftQ8l1
🇺🇦 #StandWithUkraine 🇺🇦 pic.twitter.com/seC8SHUTps
Moskau treibe zwar die Produktion der Rüstungsindustrie an, käme dem Bedarf aber nicht nach. Immer wieder gibt es ausserdem Streitigkeiten zwischen der Wagner-Söldnertruppe und der regulären Armee. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin wirft dem Verteidigungsministerium offen vor, seine Männer an «Granatenhunger» sterben zu lassen. (aargauerzeitung.ch)
Sie sterben nicht, weil sie Zuwenig haben, sondern weil sich die Ukraine erdreistet, welche zurück zu schiessen.
Tja, böse Russen, das ist halt so im Krieg. Ihr könnt jederzeit über die Grenze zurück, wo ihr herkamt und das Ganze hört auf.
Sendet etwa 5 Caesars und 3 AMX 10 und meint das es dann und Sie können auf Augenhöhe mit UK, DE, SP, NL, Polen, Tschechei, Slowakei oder gar Bulgarien (!!) mitspielen
Und ja, als Schweizer sollte man bei diesem Thema sehr still sein. Trotzdem 😠
Bereits bei den Panzern gab es Stimmen, dass man "zu wenig" hätte, um auch noch die eigene Wehrfähigkeit aufrechterhalten zu können. Doch diese Scheinargumentation kennen wir auch aus der CH nur allzu gut... – es hat nichts mit der Realität zu tun.
Werden nun innerhalb der EU genügend monetäre Anreize geschaffen, wird sich "unser" prosperierendes Wirtschaftssystem auch hier dem russischen als überlegen erweisen.