Seit Wochen hat die ukrainische Armee eine grosse Gegenoffensive im Süden des Landes vorbereitet. Mit gezielten Artillerie-Schlägen beschädigte sie Brücken über dem Fluss Dnepr, um den Nachschub der Russen zu erschweren. Zeitgleich zerstörte sie Munitionslager und Kommandoposten.
Nun ist die Phase der Vorbereitung offenbar vorbei. Die Gegenoffensive ist seit Montag laut mehreren ukrainischen und russischen Quellen in vollem Gange.
«Es hat begonnen! Die Streitkräfte der Ukraine haben Offensivaktionen aus vielen Richtungen im Süden der Ukraine gestartet», sagte die ukrainische Armeesprecherein Natalia Humeniuk. Die regionale Verwaltung von Odessa liess verlauten: «Es ist offiziell. Die Schlacht um Cherson hat begonnen.»
Die Ukraine hat unter anderem die Rückeroberung von Cherson im Visier. Kurz nach Beginn des Krieges fiel die Stadt an die Invasoren. Doch dank der Waffenlieferungen aus dem Westen konnten die Russen in den vergangenen Wochen immer mehr unter Druck gesetzt werden. Die Brücken über dem Dnepr sind so stark beschädigt worden, dass kein schweres Kriegsmaterial über den Fluss transportiert werden kann. Für die russischen Truppen westlich des Dneprs – es dürften einige Tausend Soldaten sein – wurde die Lage so immer ungemütlicher.
«Nachdem wir den Feind erschöpft haben, haben wir die Kraft und die Fähigkeit, Offensivaktionen in mehrere Richtungen zu starten», sagte Humeniuk am Montag. Es seien bereits erste Verteidigungslinien der Russen durchbrochen worden, meinte die Armeesprecherin. Die feindlichen Kämpfer hätten bereits begonnen, aus ihren Stellungen zu fliehen.
Die USA gehen davon aus, dass die Gegenoffensive eine Kombination aus Boden- und Luftoperationen umfassen wird. Dies berichtet CNN unter Berufung auf US-Geheimdienstmitarbeitende.
Falls es den Ukrainern gelingen würde, die Russen westlich des Dneprs zu vertreiben, würde ihnen vermutlich viel Kriegsmaterial in die Hände fallen. Aktuell seien drei Fähren die einzige Verbindung über den Fluss, merkt der Twitter-Kanal @OSINTtechnical an. Schwere Waffen könnten damit nicht transportiert werden.
Just a note, if Russian forces are forced to abandon the northern bank of the Dnipro, they aren't going to have many options other than leaving a ton of equipment and supplies behind. https://t.co/hqQcskma3o
— OSINTtechnical (@Osinttechnical) August 29, 2022
Auch von russischer Seite wurde über die Gegenoffensive berichtet. «Seit heute Morgen sind die Ukrainer in Richtung Cherson völlig durchgedreht. Sie feuern alles, was sie haben, und sie haben im Moment eine Menge», schreibt der Soldat Anatoliy Dryomow auf Telegram. Es sei ein grosser Fehler gewesen, dass man den Ukrainern so viel Zeit gelassen habe, um sich aufzurüsten, meint der Russe. «Es besteht ein grosses Risiko, Cherson zu verlieren.»
Just now - Russian fighter in Ukraine Anatoliy Dryomov - "there is a big risk to lose Kherson, many losses among ours".
— Dmitri (@wartranslated) August 29, 2022
Source: https://t.co/aL1chn0PB8 pic.twitter.com/q9ePAGSkFO
Dryomow macht unter anderem Verteidigungsminister Sergej Schoigu für die brenzlige Lage verantwortlich. «Ich bin froh, dass Schoigu nicht mehr an der Kriegsführung beteiligt ist. Dies ist der erste Schritt zu einer Veränderung an der Front.» Offenbar wurde Schoigu wegen ausbleibenden Erfolgs zurückgebunden. Mittlerweile würden Kommandanten den Präsidenten Wladimir Putin briefen und nicht mehr Schoigu, schrieb das britische Verteidigungsministerium am Montag.
Der ehemalige Separatistenführer Igor Girkin berichtete ebenfalls von ukrainischen Angriffen. «An der Front in Cherson beschoss der Feind in der Nacht erneut den Damm des Wasserkraftwerks Nowa Kachowka und Anlagen in Cherson», so der Russe, der während des Krieges immer wieder die Führung im Kreml kritisierte. Die Ukrainer würden Raketen auf die vorgelagerten russischen Truppen abfeuern, so Girkin.
Wie erfolgreich die ukrainische Gegenoffensive in den vergangenen Stunden gewesen ist, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. Die Zeitung «Dumskaya», die in Odessa ansässig ist, berichtet, dass bereits mehrere Dörfer zurückerobert wurden. In den sozialen Medien kursieren Videos, die zurückgelassene russische Stellungen zeigen sollen. Ein lokaler Politiker veröffentlichte ein Foto, auf dem angeblich flüchtende russische Soldaten zu sehen sind. Diese Bilder sind aber nicht verifiziert.
Momentan gestaltet sich die Lage noch etwas unübersichtlich. Dennoch machte sich Witali Kim, der Gouverneur von Mikolajew, bereits über die flüchtenden Russen lustig. «Ich wurde informiert, dass die Nachfrage nach aufblasbaren Gummibooten und Luftmatratzen auf der rechten Seite des Dneprs zugenommen hat», schrieb er auf Telegram.
😃 Vitalii Kim, the Governor of #Mykolaiv Oblast, has trolled the #Russians, saying "that I'm being informed that the demand for inflatable boats and mattresses is rising on the right bank of the #Dnipro river." #Kherson pic.twitter.com/upJyfDi3A4
— KyivPost (@KyivPost) August 29, 2022
Armeesprecherin Humeniuk dämpfte derweil die Hoffnungen auf eine schnelle Rückeroberung. Der Feind sei immer noch ziemlich stark in Cherson, sagte sie. Zudem erinnerte sie daran, dass die ukrainische Armee bei der Gegenoffensive vorsichtig vorgehen müsse. Sie wolle keine Infrastruktureinrichtungen zerstören und nehme Rücksicht auf die Zivilbevölkerung.
Keinen Meter Boden sollen die Russen mehr besetzen.
Das erinnert mich doch an den grössten Feldherren aller Zeiten (GröFaZ). Ist damals auch "gut" gekommen :-)