Auf ihn setzt Putin bei den Ukraine-Friedensgesprächen: Das ist Kirill Dmitrijew
Es ist wieder Bewegung in die Friedensgespräche gekommen, die den Krieg zwischen Russland und der Ukraine beenden sollen. Ausgangspunkt war ein 28-Punkte-Plan, der massgeblich von zwei Personen verfasst wurde: Steve Witkoff und Kirill Dmitrijew. Während sich Witkoff als Trumps Mann für die schwierigsten Verhandlungen bereits einen Namen gemacht hat, ist Dmitrijew in der diplomatischen Welt noch weniger bekannt.
Er war erstmals im Februar dieses Jahres Teil der russischen Delegation und verhandelte mit den USA in Saudi-Arabien. Wladimir Putins Kalkül war wohl, dass der umtriebige Netzwerker jene «Deals» aushandeln könnte, die Trump in seiner Aussenpolitik über alles andere stellt.
Inzwischen ist der 50-Jährige Putins wichtigster Verbindungsmann in die Trump-Welt geworden. Dafür ist er regelrecht prädestiniert. Er hat die Elite-Universitäten der USA von innen gesehen, spricht fliessend Englisch und unterhält Kontakte in die höchsten russischen Kreise. Sein Gegenpart Witkoff nannte Dmitrijew in der Vergangenheit bereits den «Gentleman namens Kirill». Das sind die wichtigsten Stationen seines Lebens.
Dmitrijew ist gebürtiger Ukrainer
Geboren wurde Dmitrijew 1975 in Kiew, damals noch Hauptstadt der ukrainischen Sowjetrepublik. Seine Eltern – der Vater ein Zellbiologe, die Mutter Genetikerin – arbeiteten an der Nationalen Akademie der Wissenschaften. Als Jugendlicher soll er an prodemokratischen Protesten in Kiew teilgenommen haben, berichtete die BBC. Doch inzwischen hält Dmitrijew eine klare Distanz zur modernen Ukraine. Er betonte, er sei «nicht in der Ukraine, sondern in der Sowjetunion» zur Welt gekommen.
Mit 14 Jahren ging Dmitrijew erstmals in die USA – als einer der ersten Austauschschüler aus der Ukraine. Er studierte Volkswirtschaft an der Stanford University und absolvierte später einen MBA an der Harvard Business School. Als Student beschäftigte er sich intensiv mit Privatisierung und Marktreformen. In einem frühen Essay schrieb er, so wolle er sich «darauf vorbereiten, einen Beitrag zum Reformprozess in der Ukraine zu leisten». Danach arbeitete er als Investmentbanker für Goldman Sachs in New York und später als Berater für McKinsey und reiste für das Unternehmen durch die Welt.
Rückkehr nach Russland
Im Jahr 2011 kehrte Dmitrijew nach Russland zurück und übernahm die Leitung des neu gegründeten Russischen Fonds für Direktinvestitionen (RDIF). Mit diesem milliardenschweren Geldtopf sollten ausländische Investitionen angelockt werden. Beobachter sahen in ihm damals einen westlich geprägten Reformer. Zudem stieg Dmitrijew in die Aufsichtsräte von Gazprombank, Rostelecom, Alrosa, Transneft und den Russischen Eisenbahnen auf – laut russischen Investigativjournalisten mit einem Jahresgehalt von rund 2 Millionen US-Dollar.
Während Trumps erster Amtszeit spielte Dmitrijew eine verdeckte Rolle in den Beziehungen zwischen Washington und Moskau. Nach Recherchen mehrerer US-Medien traf er 2016 und 2017 Personen aus dem Umfeld des US-Präsidenten – darunter auch dessen Schwiegersohn Jared Kushner.
Der Impfstoff-Missionar
Spätestens während der Corona-Pandemie rückte Dmitrijew endgültig ins Licht der internationalen Öffentlichkeit. Der RDIF übernahm die Vermarktung des russischen Impfstoffs «Sputnik V» und Dmitrijew war in dem Projekt stark involviert. Das russische Medium Meduza beschrieb ihn im Jahr 2022 als ehrgeizigen Mann, der sich in dieser Phase «wie ein Messias» fühlte. Die weltweite Vermarktung von «Sputnik V» sei für ihn eine «absolut missionarische, asketische Aufgabe». Er war einer der ersten, die sich das Vakzin spritzen liessen, und schlug schliesslich auch den Namen des Impfstoffs vor.
Gleichzeitig baute er den RDIF zum zentralen Exportorgan des Impfstoffs auf. Ehemalige Mitarbeiter berichten von einem stark hierarchischen Führungsstil: Dmitrijew habe Mitarbeiter «ab acht Uhr morgens bis nach Mitternacht» angerufen und «angebrüllt», wenn Prozesse zu langsam liefen. Er inszenierte Sputnik als geopolitisches Prestigeprojekt und warnte vor angeblicher «Diskriminierung» durch internationale Pharmakonzerne. Gegen den US-Hersteller Pfizer wollte er demnach «kämpfen wie ein Ritter in strahlender Rüstung».
Es gelang ihm, Sputnik in grossem Stil an Schwellenländer in Afrika und Asien zu liefern. Doch der ganz grosse Erfolg blieb ihm verwehrt, auch weil die WHO den Impfstoff nie vollständig zertifizierte. Laut Meduza ging das auch auf Dmitrijew selbst zurück, der zwar in E-Mails Druck auf die Organisation aufbaute, doch dann die notwendigen Unterlagen nie vollständig einreichte.
Familienbande zu Putin
Dmitrijews Karriere stützt sich auf persönliches Vertrauen im Kreml. Eine wichtige Rolle spielt dabei seine Ehefrau Natalia Popowa, die in Russland als Moderatorin und Medienmanagerin bekannt ist. Sie ist nicht nur eine Jugendfreundin von Putins Tochter Katerina Tichonowa, sondern auch ihre Stellvertreterin an der Spitze der kremlnahen Innovationsstiftung Innopraktika. Beide Familien sollen mehrfach gemeinsam Urlaub gemacht haben. Der Osteuropa-Experte Alexander Friedman beschreibt Dmitrijew als «Technokraten», der Vorgaben der Führung verlässlich umsetze.
Nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine belegten die USA den RDIF mit Sanktionen und bezeichneten ihn als «Schmiergeldkasse Putins». Gegen Dmitrijew persönlich haben jedoch weder die USA noch die EU Sanktionen erhoben.
Dmitrijews Vermögen
Dmitrijew hat seine privilegierte Position zwischen Wirtschaft, Politik und Medienwelt ausgenutzt, um ein Vermögen anzuhäufen. Laut einer Recherche der Antikorruptionsstiftung FBK, die von dem verstorbenen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny gegründet wurde, besitzen Dmitrijew und seine Familie Immobilien im Gesamtwert von rund 81 Millionen Euro – nicht nur in Russland, sondern auch in Frankreich, Monaco und Dubai. Nach Einschätzung der Stiftung steht dieses Vermögen in keinem Verhältnis zu dem offiziellen Gehalt eines russischen Staatsfonds-Chefs.
Jetzt steht Dmitrijew im Mittelpunkt der russischen Diplomatie. Laut «Bloomberg» war er es, der Putin überzeugt haben soll, die Ukraine-Verhandlungen mit Trump auf der Grundlage von Geschäftsinteressen zu führen. Dabei setzte er auch im Stile des US-Präsidenten auf grossangelegte Prestigeprojekte. So schlug er zuletzt eine gigantische Tunnelverbindung zwischen Alaska und Russland vor. Diese Idee geistert wohl seit Jahren durch die Flure des RDIF.
Das Projekt würde Schätzungen zufolge hunderte Milliarden verschlingen, ohne jedoch einen direkten wirtschaftlichen Nutzen zu haben. Die Küsten der beiden Länder sind nicht ans Bahnnetz angeschlossen. Um einen Tunnel nutzen zu können, müssten also noch tausende Kilometer Bahnschienen verlegt werden.
Dmitrijew könnte auch ein persönliches Interesse an einer baldigen Waffenruhe haben: Laut Medienberichten leben seine Eltern immer noch in Kiew, im Stadtteil Swjatoschyn. Dieser wurde unter anderem 2022 schwer bombardiert. Eine russische Rakete traf damals ein Gebäude unmittelbar neben ihrer Wohnung.

