In der Schweiz und im Ausland wird heftig diskutiert: Soll die Schweiz Waffen-Weitergaben an die Ukraine erlauben? Oder soll sie ihre stillgelegten Leopard-Panzer verkaufen? Darüber scheiden sich selbst innerhalb der Parteien die Geister. Wir haben die beiden grossen Fragen und ihre wichtigsten Diskussionspunkte zusammengefasst.
96 Leopard-Panzer hat die Schweizer Armee in einer Halle in der Ostschweiz eingelagert. Diese Panzer könnte der Bund an jene Länder verkaufen, die Panzer an die Ukraine abgegeben haben und nun Lücken im Arsenal aufweisen: Das hat FDP-Nationalrätin Maja Riniker in die Sicherheitspolitischen Kommission eingebracht. «Wenn diese Länder ihre Bestände mit Schweizer Material auffüllen möchten, sollten wir dafür Hand bieten», sagte sie zur «NZZ am Sonntag».
Rinikers Idee wurde in der Kommission zwar abgelehnt. Sie will aber im Frühling darauf zurückkommen, mit einer neuen Variante: Die Panzer sollen offiziell ausser Dienst gestellt werden. Unter dieser Bedingung könnten sie laut einem Bericht von Radio SRF ohne Auflagen ans ursprüngliche Herkunftsland zurückverkauft werden, also an Deutschland. Deutschland könnte die Panzer weiterverkaufen. An diesem Manöver zeigten Parlamentsmitglieder aus SP, GLP und Mitte Interesse.
Allerdings meldete sich am Donnerstag FDP-Präsident Thierry Burkart in dieser Sache zu Wort – und pfiff seine Parteikollegin zurück. Rinikers Vorschlag sei mit ihm nicht abgesprochen gewesen. Er lehnt ihn ab: «Ein Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt wäre ein Schnellschuss und würde die Armeeplanung massiv einschränken», sagte er im Interview mit CH Media. «Wir müssen zuerst politisch entscheiden, welche Fähigkeiten die Armee in Zukunft haben soll.» Erst dann lasse sich bestimmen, ob die Schweiz die Panzer noch brauche.
Die Erfahrungen in der Ukraine zeigen, so Burkart, dass Panzer «nach wie vor eine wichtige Rolle in der Kriegsführung» spielen. Derzeit seien die Verbände der Schweizer Armee nicht mit der notwendigen Anzahl Panzer ausgerüstet, «weshalb ein Verkauf sogar die aktuellen Fähigkeiten reduzieren würde».
Burkart hat einen weiteren Vorbehalt: «Geht die Lieferung an ein Land, um dort jene Panzer zu ersetzen, die es an die Ukraine abgeben wird oder bereits abgegeben hat, handelt es sich meines Erachtens um einen Ringtausch. Das kommt neutralitätsrechtlich nicht infrage.» Grundsätzlich gegen den Verkauf der Panzer sind gemäss «Blick »auch Offiziere der Panzertruppen und die SVP.
Im Parlament liegen nun drei Vorstösse vor, die auf unterschiedliche Weise das Kriegsmaterialgesetz (KMG) anpassen wollen, damit andere Länder schweizerisches Kriegsmaterial in die Ukraine liefern dürfen. Worauf zielen sie ab und worin liegen die Probleme?
FDP-Ständerat Thierry Burkart hat letzten Sommer eine Motion eingereicht, mit der er einigen Ländern erlauben möchte, ihre Waffen ohne Erlaubnis des Bundesrats weiterzugeben. Es wären Länder, «die unseren Werten verpflichtet sind» und die ein vergleichbares Exportregime haben. Die Liste dieser Länder ist in der Kriegsmaterialverordnung aufgeführt. Zu ihnen zählen nebst unseren Nachbarländern etwa Schweden, die USA oder Ungarn.
Der Vorschlag von Burkart wird am Freitag in der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats besprochen. In dieser Sitzung will nun der SVP-Ständerat Werner Salzmann den Vorschlag von Burkart mit zwei Anträgen ergänzen, wie er kürzlich bekannt gab.
Erstens will er eine Frist einführen: Schweizerisches Kriegsmaterial soll erst fünf Jahre nach dem Kauf weitergegeben werden dürfen. Zweitens will er bezwecken, dass die blockierte Munition und die Panzer auch rückwirkend freigegeben werden können, dass also auch bereits gekauftes Kriegsmaterial an die Ukraine geliefert werden dürfte. Werner Salzmann geht es aber nicht darum, der Ukraine zu helfen. Er will die schweizerische Rüstungsindustrie retten, der Armee zuliebe.
Salzmanns Vorpreschen und die FDP-Motion behagen in der SVP nicht allen, etwa wegen Neutralitätsbedenken. Fraktionspräsident Thomas Aeschi findet, Schweizer Waffen sollten weder direkt noch indirekt in die Ukraine gelangen. Auch Christoph Blocher hält das Vorhaben für neutralitätswidrig, wie er gegenüber SRF sagt.
Als Gegenvorschlag zum FDP-Vorstoss hat die SP eine Motion eingereicht. Sie will das Kriegsmaterialgesetz nicht grundsätzlich aufweichen. Sie versucht, einen Kompromiss zu finden zwischen strengem Kriegsmaterialgesetz und pragmatischer Hilfe für angegriffene Länder, basierend auf dem Völkerrecht.
Gemäss SP-Motion sollte der Bundesrat die Weitergabe-Gesuche anderer Länder bewilligen dürfen, wenn entweder der UNO-Sicherheitsrat oder zwei Drittel der UNO-Vollversammlung einen völkerrechtswidrigen Angriff eines Landes auf ein anderes feststellen. Damit dürfte der Bundesrat auch beispielsweise Deutschland erlauben, die 12'000 Schuss für die Gepard-Panzer weiterzugeben.
Ein weiterer Vorschlag, der bisher allerdings wenig Gehör fand, kommt von der Mitte. Sie will eine befristete Ausnahmeregelung ins Kriegsmaterialgesetz schreiben. Die Waffen-Weitergabe solle erlaubt sein, wenn ein Land Kriegsmaterial an die Ukraine liefert. Diese Regelung solle, wenn alles nach Plan läuft, am 1. Mai 2023 in Kraft treten und bis Ende 2025 gelten.
Die Grünen lehnen alle drei Vorstösse grundsätzlich ab. Wie die Grüne-Nationalrätin und Sicherheitspolitikerin Marionna Schlatter gegenüber SRF «Rundschau» sagt, lenke die Waffen-Diskussion davon ab, was die Schweiz für die Ukraine machen könnte, ohne dass die Neutralität davon betroffen sei. Sie findet, der Bund könne sich mit ziviler Hilfe stärker engagieren und müsse Verantwortung übernehmen für die Oligarchengelder und den Rohstoffhandelsplatz Zug. (aargauerzeitung.ch)