Krynky liegt auf der südlichen Seite des Flusses Dnipro. Auf der Landkarte ist das Fischerdorf kaum mehr als ein schmaler Strich, bestehend aus ein paar Häusern und Strassen. In den letzten neun Monaten jedoch war Krynky ein bedeutsamer Brückenkopf im von Russland besetzten Gebiet.
Jetzt ist das Dorf grossflächig zerstört, und die ukrainische Armee hat sich wieder auf die andere Flussseite zurückgezogen. Der russische Druck sei zu gross geworden, berichteten Quellen aus dem Generalstab. Doch dahinter steckt womöglich noch mehr, wie scharfe Kritik von beteiligten Soldaten nahelegt.
Im Herbst 2023 hatten ukrainische Marinesoldaten den Dnipro überquert und den Ort auf der östlichen Seite des breiten Flusses eingenommen, die von Russland kontrolliert wird. Er sollte als Brückenkopf fungieren, also als Ausgangsbasis für weitere Operationen auf der von Russland besetzten Seite des Dnipro dienen.
Putins Truppen gelang es jedoch schnell, den Brückenkopf abzuriegeln und weitere Geländegewinne zu verhindern. Die Versorgung und Rotation der ukrainischen Truppen erfolgte daraufhin über Boote, die immer wieder zum Ziel russischer Kampfdrohnen wurden.
Mehrere Soldaten, die an der Offensive beteiligt waren, berichteten der «New York Times» von den Kämpfen. «Wir sassen nachts im Wasser und wurden von allen Seiten beschossen», sagte demnach ein Marinesoldat. «Meine Kameraden starben vor meinen Augen.» Er und andere Soldaten hätten aus Sorge über die hohen Opferzahlen mit Journalisten gesprochen. Ausserdem seien ihrer Meinung nach die Berichte ukrainischer Behörden über den Fortschritt der Offensive zu optimistisch gewesen.
Tatsächlich berichtete die «Kyiv Post» noch im März dieses Jahres, dass der Brückenkopf im vom Kreml kontrollierten Gebiet noch vergrössert werden könnte. Die Zeitung berief sich dabei auf ukrainische Quellen.
Seit Beginn des Krieges bemühen sich die ukrainischen Behörden um eine positive Darstellung, um die Moral im eigenen Land und die Unterstützung im Ausland aufrechtzuerhalten. Im Fall des Dnipro-Brückenkopfs hatten der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und andere Offizielle erklärt, dass Marinesoldaten sogar mehrere Stützpunkte am Ostufer des Flusses eingerichtet hätten.
Das haben Soldaten, die vor Ort eingesetzt waren, jedoch als übertrieben abgetan. «Es gibt keine Stellungen. So etwas wie einen Beobachtungsposten oder eine Stellung gibt es nicht», sagte ein Soldat der «New York Times». Er fuhr fort: «Es ist unmöglich, dort Fuss zu fassen. Es ist unmöglich, dort Ausrüstung zu transportieren.» Schwere russische Luftangriffe hatten das Flussufer in eine Masse aus Schlamm und zersplitterte Bäume verwandelt.
«Es ist kein Kampf ums Überleben», fügte der Soldat hinzu. «Es ist ein Selbstmordkommando.»
Auch die russischen Truppen erlitten im Kampf um Krynky schwere Verluste. Der Plan der ukrainischen Armee scheiterte, weiteres Gelände zu gewinnen und dadurch in die Lage zu kommen, Russlands Nachschubwege zur Krim zu unterbrechen. Danach zielte die Operation stattdessen darauf ab, so viele russische Truppen wie möglich anzulocken und zu töten, sagte ein vor Ort eingesetzter Kommandant der «New York Times».
Für die amphibische Landungsoperation war der frühere Chef des ukrainischen Marinekorps verantwortlich, Generalleutnant Jurij Sodol. Präsident Selenskyj hatte ihn jedoch vor wenigen Wochen als Befehlshaber der kombinierten Streitkräfte abgesetzt. Zuvor hatte er das Marinekorps angeführt. Der General soll fahrlässige Befehle gegeben haben, die zu hohen Verlusten geführt haben sollen.
Wie viele Menschen auf russischer und ukrainischer Seite bei dem Kampf um Krynky gestorben sind, ist unklar.
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zwei Jahren gegen die russische Invasion. Fast ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets steht unter russischer Kontrolle. Der Kreml verlangt für mögliche Friedensverhandlungen noch weitere Gebietsabtretungen, um die bisher nur zum Teil eingenommen Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson komplett zu besetzen.
Mir tun die Soldaten leid, die bei solchen Selbstmordkommandos ihr Leben lassen müssen. Mögen sie in Frieden ruhen.