Bis vor ein paar Wochen war die Buena Vista Music Bar noch ein Ort, wo sich Leute sorglos treffen konnten. Im Lokal im Zentrum der Stadt Kiew konnten die Leute früher kubanisch essen, Cocktails trinken und bei Live-Musik Tango oder Bachata tanzen.
Heute ist die Stimmung in der Cocktailbar eine andere. Es tummeln sich nicht mehr die Freunde der Nachtszene im Buena Vista, sondern die Bürger, Soldaten und Medienschaffenden, welche nach dem Angriff Russlands noch in der Stadt geblieben sind.
«Leute kommen hierher, um das Gefühl eines Zuhause erleben zu können», sagt Maks Leonov, der Besitzer der Bar. «Es gibt den Leuten eine gewisse Normalität. Hier haben sie etwas Gesellschaft und müssen die News nicht alleine lesen.»
Einer der Besucher im Buena Vista ist Alex Rudenko, der im Tarnanzug gekommen ist. Er will Kiew nicht verlassen. «Ich habe meine Frau und meine Tochter nach Ternopil gebracht, aber meine Eltern sind in Kiew geblieben. Ich musste zurückkommen, um sie zu unterstützen», sagt er. «Wir versorgen die Leute mit Vorräten und evakuieren sie, wenn wir Anrufe erhalten.» Eine Flucht sei für ihn keine Option: «Wir kämpfen nicht an der Front, aber ich kann nicht einfach abhauen. Das ist mein Zuhause.»
Um diese Leute zu unterstützen, will Barbesitzer Leonov auch in Zukunft das Lokal weiterbetreiben. «Natürlich frage ich mich von Zeit zu Zeit: Warum arbeite ich hier, während die anderen sterben?», sagt er, weiss aber gleichzeitig: «In meinen Augen ist es wertvoller, mit diesem Ort für einen Treffpunkt mit einer gewissen Normalität zu sorgen.»
Dennoch schliesst Leonov nicht aus, dass er dereinst selbst zu den Waffen greifen muss. «Ich habe die Stadt nicht verlassen und verfolge, was hier passiert. Falls ich muss, werde ich natürlich ebenfalls kämpfen. Das ist keine Frage.»
Doch trotz der schwierigen Situation hofft Leonov noch immer, dass bald alles wieder gut wird. «Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass diese Situation hier am Ende vergessen sein wird und alles wieder so wird, wie es zuvor war», sagt er. Bis dahin will er seiner selbst erlegten Pflicht nachgehen. Denn: «Es wird zu Ende gehen – heute, morgen, in einem Monat oder einem Jahr. Und wenn es so weit ist, wird sich jeder damit konfrontieren müssen, was er getan und wie er gehandelt hat.»
(dab)