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Ukraine

Ukrainer reagieren sarkastisch auf Putins Bomben

«So sieht also ein Waffenstillstand aus»: Ukrainer reagieren sarkastisch auf Putins Bomben

Unmittelbar nach dem Gespräch mit US-Präsident Donald Trump lässt Kreml-Herrscher Wladimir Putin die Ukraine angreifen. Dort herrscht vor allem Ernüchterung. In einem Punkt zeigt man sich in Kiew jedoch zuversichtlich.
19.03.2025, 16:0519.03.2025, 16:05
Denis Trubetskoy, Kiew / ch media
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Gerade als das mit Spannung erwartete Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Dienstagabend zu Ende ging, ertönte in Kiew der Luftalarm. Der russische Drohnenangriff auf die ukrainische Hauptstadt dauerte mehr als fünf Stunden. In fast allen Stadtteilen war der Kriegslärm zu hören. Von insgesamt etwa 150 Drohnen flogen rund 45 nach Kiew.

Zur gleichen Zeit griff Russland an dem Abend, an dem Putin angeblich einer Aussetzung der Angriffe auf Energieinfrastrukturen für 30 Tage zustimmte, die Energieversorgung in Slowjansk in der Region Donezk mit Flugbomben an. Etwa die Hälfte der Stadt blieb ohne Strom.

Selenskyj offen für Feuerpause

Die Ukrainer reagierten mit bitterem Sarkasmus in den sozialen Netzwerken auf die angeblichen Friedensgespräche zwischen Trump und Putin, an denen die Ukraine nicht direkt beteiligt war. Die Reaktion lautete etwa: «So sieht also ein Waffenstillstand aus.»

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich grundsätzlich offen für eine Feuerpause, insbesondere im Hinblick auf Energieanlagen. Er wollte jedoch zunächst die Details von den US-Kollegen erfahren.

epa11971903 A worker inspects the damage at the AES Group private oil refinery the day after a Russian shock drone attack, in Merefa, Kharkiv region, Ukraine, 18 March 2025. Kharkiv investment and ind ...
Zerstörung auch in Merefa in der Region Charkiw nach einem russischen Angriff aus der Nacht.Bild: keystone

«Genau solche Nachtangriffe zerstören unser Energiesystem, unsere Infrastruktur und das normale Leben der Ukrainer», sagte Selenskyj zu den üblichen Massenbeschüssen. Gleichzeitig betonte er:

«Putin hat heute den Vorschlag für einen vollständigen Waffenstillstand de facto abgelehnt.»

Die US-Regierung setzte die ukrainische Führung unter Druck, ihre Bereitschaft zu einem vollständigen Waffenstillstand öffentlich zu erklären. Nach langen Verhandlungen in Saudi-Arabien entstand der Vorschlag, alle Kampfhandlungen für 30 Tage zu pausieren. Aus ukrainischer Sicht war der enorme Druck aus Washington unverständlich.

Während die Ukraine im besten Fall nach der Pause Sicherheitsgarantien für die Zukunft verlangen könnte, die einen erneuten russischen Angriff verhindern würden, war bereits länger klar, dass Kiew einem bedingungslosen Waffenstillstand grundsätzlich offen gegenübersteht. Ob dies jedoch eine kluge Ausgangsposition für Verhandlungen war, ist fraglich. Deshalb war zu Beginn vor allem von militärischen Aktivitäten in der Luft und auf dem Meer die Rede.

In Kiew ist niemand überrascht

Dass die Ukraine in Saudi-Arabien einem zeitlich begrenzten Waffenstillstand zustimmte, setzte Russland unter Druck. Es konnte das US-Angebot nicht vollständig ablehnen. Dass der Kreml jedoch nicht von seinen mehrfach formulierten Maximalforderungen für einen echten Waffenstillstand abgerückt ist, hat in Kiew niemanden überrascht.

Russian President Vladimir Putin speaks with Irina Gekht, the newly appointed governor of Nenets Autonomous District, during their meeting at the Kremlin in Moscow, Russia, Tuesday, March 18, 2025. (M ...
Russlands Präsident Wladimir Putin kann mit dem Gespräch mit Donald Trump zufrieden sein.Bild: keystone

In einer Erklärung des Kremls war erneut von der «unbedingten» Notwendigkeit die Rede, die «ursprünglichen Ursachen des Konflikts» zu beseitigen. Zudem wurde gefordert, internationale Hilfe für die Ukraine einzustellen und die Mobilisierung in Kiew zu stoppen. Diese Bedingungen sind für die Ukraine jedoch inakzeptabel.

Die mögliche Aussetzung der Angriffe auf Energieanlagen und ein Gefangenenaustausch sind Dinge, die Putin aus Kiews Sicht als «leere Versprechungen» verkaufen konnte. Zwar hat die ukrainische Energieinfrastruktur stark unter den russischen Angriffen gelitten, auch im vergangenen Winter. Dieser ist jedoch vorbei, und die Ukraine hat den Winter besser überstanden als erwartet. Andererseits wird die Ukraine nicht mehr in der Lage sein, russische Ölraffinerien anzugreifen, um die Finanzierung des Krieges zu erschweren.

Russland könnte jedoch die Pause nutzen, um sein Raketenarsenal wieder aufzufüllen. In Sachen Gefangenenaustausch gibt es bereits etablierte Gesprächskanäle, unter anderem direkt zwischen ukrainischen und russischen Geheimdiensten. Die Bedeutung des Telefonats zwischen Trump und Putin sollte daher nicht überbewertet werden.

Putin spiele mit Trump bloss auf Zeit, glaubt auch der bekannte ukrainische Politologe Wadim Denissenko: «Trump versteht, dass er de facto zurückgewiesen wurde. Er darf es jedoch nicht offen zeigen und wird weiterhin versuchen, Druck auf beide Seiten auszuüben.» Leider, so Denissenko weiter, «steuern wir zunehmend auf ein Szenario zu, in dem diese Verhandlungsrunde scheitert und ein neuer Kriegszyklus von mindestens sechs bis neun Monaten beginnt».

Sein Kollege Wolodimir Fessenko ist froh, dass zumindest das schlimmste Szenario im Hinblick auf das erneute Trump-Putin-Telefonat abgewendet werden konnte:

«In der Ukraine gab es grosse Sorgen, dass Trump wieder versuchen würde, die Wünsche des Kremls zu erfüllen, etwa die Einstellung der Waffenlieferungen an die Ukraine. Putin hat jedoch keine Zustimmung für die Umsetzung seiner Forderungen erhalten.»

Dennoch sei es noch zu früh, um sich zu entspannen. Russland werde auch in den kommenden Verhandlungsphasen zweifellos Ultimaten stellen.

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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sergej Fährlich
19.03.2025 16:35registriert März 2017
Man muss sich eines bewusst sein: In der Wahrnehmung von Russland existiert eine souveräne Ukraine ganz einfach nicht. Darum werden sie erst mit dem Terror aufhören, wenn die UKR-Regierung entmachtet ist und sie defacto ohne Gegenwehr über die weitere Entwicklung des Landes entscheiden zu können. Russland hat den Zusammenbruch der USSR nie akzeptiert, geschweige denn verdaut. Mit dem Kreml über Frieden zu verhandel, ist zu 99% ein Eigentor - vor allem für Europa und insbesondere für die baltischen Staaten. Die Lösung? Keine Ahnung. Russland wirtschaftlich komplett zerstören, wäre ein Anfang.
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Schlaf
19.03.2025 16:13registriert Oktober 2019
Die Ukraine hat gelernt, Russlands Öl und Gasanlagen empfindlich zu treffen.

Die Ukraine muss auf die völlig haltlosen Forderungen von Putin, welche er ja selbst nicht einhält, pfeifen.

Russland muss in diesem Krieg gedemütigt werden, sonnst muss sich Europa noch lange vor den Russen fürchten!
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banda69
19.03.2025 17:00registriert Januar 2020
Und der Rechtspopulist Donald Trump schmiert dem Kriegsverbrecher Putin Honig um den Mund und vereinbart lustige Hockeyspiele.

Und gleichzeitig setzt er die massiv Ukraine unter Druck indem er die Militärhilfe und Geheimdienstinfos abstellt und diskreditiert deren Präsidenten auf erbärmlichste Art und Weise.
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