Gerade als das mit Spannung erwartete Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Dienstagabend zu Ende ging, ertönte in Kiew der Luftalarm. Der russische Drohnenangriff auf die ukrainische Hauptstadt dauerte mehr als fünf Stunden. In fast allen Stadtteilen war der Kriegslärm zu hören. Von insgesamt etwa 150 Drohnen flogen rund 45 nach Kiew.
Zur gleichen Zeit griff Russland an dem Abend, an dem Putin angeblich einer Aussetzung der Angriffe auf Energieinfrastrukturen für 30 Tage zustimmte, die Energieversorgung in Slowjansk in der Region Donezk mit Flugbomben an. Etwa die Hälfte der Stadt blieb ohne Strom.
Die Ukrainer reagierten mit bitterem Sarkasmus in den sozialen Netzwerken auf die angeblichen Friedensgespräche zwischen Trump und Putin, an denen die Ukraine nicht direkt beteiligt war. Die Reaktion lautete etwa: «So sieht also ein Waffenstillstand aus.»
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich grundsätzlich offen für eine Feuerpause, insbesondere im Hinblick auf Energieanlagen. Er wollte jedoch zunächst die Details von den US-Kollegen erfahren.
«Genau solche Nachtangriffe zerstören unser Energiesystem, unsere Infrastruktur und das normale Leben der Ukrainer», sagte Selenskyj zu den üblichen Massenbeschüssen. Gleichzeitig betonte er:
Die US-Regierung setzte die ukrainische Führung unter Druck, ihre Bereitschaft zu einem vollständigen Waffenstillstand öffentlich zu erklären. Nach langen Verhandlungen in Saudi-Arabien entstand der Vorschlag, alle Kampfhandlungen für 30 Tage zu pausieren. Aus ukrainischer Sicht war der enorme Druck aus Washington unverständlich.
Während die Ukraine im besten Fall nach der Pause Sicherheitsgarantien für die Zukunft verlangen könnte, die einen erneuten russischen Angriff verhindern würden, war bereits länger klar, dass Kiew einem bedingungslosen Waffenstillstand grundsätzlich offen gegenübersteht. Ob dies jedoch eine kluge Ausgangsposition für Verhandlungen war, ist fraglich. Deshalb war zu Beginn vor allem von militärischen Aktivitäten in der Luft und auf dem Meer die Rede.
Dass die Ukraine in Saudi-Arabien einem zeitlich begrenzten Waffenstillstand zustimmte, setzte Russland unter Druck. Es konnte das US-Angebot nicht vollständig ablehnen. Dass der Kreml jedoch nicht von seinen mehrfach formulierten Maximalforderungen für einen echten Waffenstillstand abgerückt ist, hat in Kiew niemanden überrascht.
In einer Erklärung des Kremls war erneut von der «unbedingten» Notwendigkeit die Rede, die «ursprünglichen Ursachen des Konflikts» zu beseitigen. Zudem wurde gefordert, internationale Hilfe für die Ukraine einzustellen und die Mobilisierung in Kiew zu stoppen. Diese Bedingungen sind für die Ukraine jedoch inakzeptabel.
Die mögliche Aussetzung der Angriffe auf Energieanlagen und ein Gefangenenaustausch sind Dinge, die Putin aus Kiews Sicht als «leere Versprechungen» verkaufen konnte. Zwar hat die ukrainische Energieinfrastruktur stark unter den russischen Angriffen gelitten, auch im vergangenen Winter. Dieser ist jedoch vorbei, und die Ukraine hat den Winter besser überstanden als erwartet. Andererseits wird die Ukraine nicht mehr in der Lage sein, russische Ölraffinerien anzugreifen, um die Finanzierung des Krieges zu erschweren.
Russland könnte jedoch die Pause nutzen, um sein Raketenarsenal wieder aufzufüllen. In Sachen Gefangenenaustausch gibt es bereits etablierte Gesprächskanäle, unter anderem direkt zwischen ukrainischen und russischen Geheimdiensten. Die Bedeutung des Telefonats zwischen Trump und Putin sollte daher nicht überbewertet werden.
Putin spiele mit Trump bloss auf Zeit, glaubt auch der bekannte ukrainische Politologe Wadim Denissenko: «Trump versteht, dass er de facto zurückgewiesen wurde. Er darf es jedoch nicht offen zeigen und wird weiterhin versuchen, Druck auf beide Seiten auszuüben.» Leider, so Denissenko weiter, «steuern wir zunehmend auf ein Szenario zu, in dem diese Verhandlungsrunde scheitert und ein neuer Kriegszyklus von mindestens sechs bis neun Monaten beginnt».
Sein Kollege Wolodimir Fessenko ist froh, dass zumindest das schlimmste Szenario im Hinblick auf das erneute Trump-Putin-Telefonat abgewendet werden konnte:
Dennoch sei es noch zu früh, um sich zu entspannen. Russland werde auch in den kommenden Verhandlungsphasen zweifellos Ultimaten stellen.
Die Ukraine muss auf die völlig haltlosen Forderungen von Putin, welche er ja selbst nicht einhält, pfeifen.
Russland muss in diesem Krieg gedemütigt werden, sonnst muss sich Europa noch lange vor den Russen fürchten!
Und gleichzeitig setzt er die massiv Ukraine unter Druck indem er die Militärhilfe und Geheimdienstinfos abstellt und diskreditiert deren Präsidenten auf erbärmlichste Art und Weise.