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Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine: Das Wichtigste im Überblick

Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine – Selenskyj: «Die Zeit für Kompromisse ist vorbei»

11.06.2024, 10:3711.06.2024, 17:50
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Am Dienstag findet in Berlin die zweitägige Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine statt. Insgesamt kommen 2000 Vertreter aus etwa 60 Ländern zusammen. Alles Wichtige dazu findest du hier.

Das sagt Wolodymyr Selenskyj

Ukraine's President Volodymyr Zelenskyy delivers a speech at the German parliament Bundestag at the Reichstag Building in Berlin, Germany, Tuesday, June 11, 2024. Germany is hosting a conference  ...
Selenskyj spricht vor dem Bundestag.Bild: keystone

Am Dienstag-Nachmittag tritt Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj vor den Bundestag. Das sind seine wichtigsten Aussagen:

  • Selenskyj bedankt sich zuerst bei allen Teilnehmer und bei Deutschland. «Dass die Menschlichkeit obsiegt.»
  • «Meine Ansprache ist an alle gewidmet. An die, die Macht haben. Und an die, die für ein friedliches Europa einstehen. Europa soll ein Kontinent der Menschen sein, des Friedens.»
  • «Ich persönlich bin überzeugt, Europa wird nicht erlauben, dass sich der Hass verkörpert. Und Europa wird alles tun, damit die Gräueltaten aus der Vergangenheit nicht nochmals geschehen.»
  • «Wir werden diesen Krieg beenden. Im Interesse der Ukraine. Und im Interesse aller. Auch für die, die nach uns kommen.»
  • «Das geteilte Europa war niemals friedlich. Und das geteilte Europa war niemals glücklich. Und sie wissen das. Sie können verstehen, warum wir so kämpfen. Warum wir alles tun, damit keine Mauer entsteht in unserem Land.»
  • «Die unterdrückten europäischen Völker mussten schon immer kämpfen. Gerade deshalb, in diesem Krieg, werden wir nicht aufgeben. Die Ukrainer verdienen Ruhe. Jeder, der das eigene Haus verteidigt, der Verwandte verloren hat, verdient eine würdige Endung des Krieges.»
  • «Die, die den Krieg brachten, müssen die Verantwortung tragen. Für jedes Verbrechen, das begangen wurde. Russland muss die volle Verantwortung für den Krieg übernehmen. Russland muss für den ganzen Schaden bezahlen, der entstanden ist. Die Zeit für Kompromisse ist vorbei, als Putin angefangen hat, unsere Städte zu verbrennen.»
  • «Putin ist sich gewöhnt, zu unterwerfen. Nicht nur in Europa, auch in Georgien, Moldawien und so weiter. Putin muss persönlich verlieren, das ist unser gemeinsames Interesse.»
  • «Putin wird nicht für ewig bleiben, seine Illusion kann zerstört werden. Durch Leidenschaft, durch Erfolge – und zwar zusammen.»
  • «In ein paar Tagen kommen wir zusammen in der Schweiz, Russland versuchte diesen Gipfel zu verhindern, aber das hat nicht geklappt. Zum Gipfel kommen Länder aus aller Welt. Jeder wird seinen eigenen Charakter zeigen. Damit wir beginnen können mit dem Frieden. Damit die Souveränität wieder hergestellt werden kann. Der Gipfel wird wichtig, damit wir zeigen können, dass wir zusammenhalten. Wir wollen der Diplomatie eine Chance geben.»

Das sagt Bundespräsidentin Bärbel Bas

epa11403824 Ukrainian President Volodymyr Zelensky (R) is welcomed by President of the Bundestag Baerbel Bas as he arrives for an address at the German Bundestag (Parliament), in Berlin, Germany, 11 J ...
Bärbel Bas mit Wolodymyr Selenskyj.Bild: keystone

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sagte dem ukrainischen Präsidenten die Solidarität des Parlaments zu - «in Kriegszeiten und beim Wiederaufbau», wie sie betonte.

«Und ich bin mir sicher: Die russischen Kriegsverbrechen werden geahndet. Das ist Deutschland, das ist Europa, das ist die demokratische Welt den Menschen in der Ukraine schuldig», betonte Bas.

Links- und Rechtspopulisten boykottieren Selenskyj-Rede

Der Grossteil der rechten AfD-Bundestagsfraktion und das linkspopulistische Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sind demonstrativ der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Bundestag ferngeblieben.

Der AfD-Fraktionsvorstand hatte dies zuvor empfohlen. Lediglich 4 der 77 AfD-Abgeordneten zeigten sich im Plenum bei Selenskyjs Rede. Von den zehn BSW-Abgeordneten war keiner anwesend. Vertreter anderer Parteien kritisierten das scharf.

«Wir lehnen es ab, einen Redner im Tarnanzug anzuhören», teilten die Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla mit. «Die Bundesregierung sollte ihm keine Bühne für Wiederaufbaubettelei geben. Die Bürger zahlen mehr als genug für Militärhilfe, EU-Hilfe und Bürgergeld für Ukrainer.» Die Ukraine brauche einen verhandlungsbereiten Friedenspräsidenten.

Vom BSW hiess es: «Präsident Selenskyj trägt leider aktuell dazu bei, eine hochgefährliche Eskalationsspirale zu befördern und nimmt dabei das Risiko eines atomaren Konflikts mit verheerenden Konsequenzen für ganz Europa in Kauf (...) Daher sollte er im Deutschen Bundestag nicht mit einer Sonderveranstaltung gewürdigt werden (...)».

Scholz vorsichtig optimistisch vor Friedensgipfel

epa11403705 German Chancellor Olaf Scholz speaks next to Ukrainian President Volodymyr Zelensky (not in the picture) during their joint press conference within the Ukraine Recovery Conference 2024 in  ...
«Das sind noch keine Verhandlungen über ein Ende des Krieges» sagt Scholz zum Friedensgipfel auf dem Bürgenstock.Bild: keystone

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich zurückhaltend optimistisch zu den Erfolgschancen der Schweizer Friedenskonferenz für die Ukraine am 15. und 16. Juni geäussert.

«Dort werden wir uns über Grundsätze für einen gerechten, dauerhaften Frieden austauschen», sagte der Regierungschef am Dienstag.

«Das sind noch keine Verhandlungen über ein Ende des Krieges, denn dafür müsste Putin erkennen lassen, dass er bereit ist, seinen brutalen Feldzug zu beenden und Truppen zurückzuziehen», ergänzte Scholz. Er fügte aber hinzu: «Doch vielleicht kann ein Weg aufgezeigt werden, wie ein Einstieg in einen Prozess gelingen könnte, bei dem eines Tages auch Russland mit am Tisch sitzt.» Dies entscheide jedoch alleine die Ukraine. Man stehe weiter fest an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer.

Russland müsse einen Beitrag leisten für eine friedliche Entwicklung, verlangte Scholz - es müsse den Krieg beenden und seine Truppen zurückziehen. «Das zeichnet sich nicht ab, aber darum muss es gehen», sagte Scholz.

Selenskyj rechnet mit Rückkehr ukrainischer Flüchtlinge

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj geht erst nach einem Ende der Kampfhandlungen von einer Rückkehr ukrainischer Flüchtlinge aus.

11.06.2024, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r) und Wolodymyr Selenskyj, Pr
Selenskyj bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz.Bild: keystone

«Es macht hier keinen Sinn mit irgendwelchen Losungen die Ukrainer zu motivieren», so Selenskyj. Er gehe davon aus, dass es nach Kriegsende eine grosse Motivation für eine Rückkehr gebe, um den Staat wieder aufzubauen.«

Es wird Arbeitsplätze und Sicherheit geben», begründete Selenskyj seine Überzeugung. Dabei gebe es bereits jetzt genügend Bedarf auch an qualifizierten Arbeitskräften. «Fraglos wird es einen globalen Wiederaufbau erst nach dem Krieg geben», räumte Selenskyj ein.

Initiative für Ausbildung von 180'000 Fachkräften

Mehr als 50 internationale Organisationen, Staaten und Unternehmen haben auf der Berliner Ukraine-Konferenz eine Initiative zur Ausbildung von 180'000 Fachkräften für den Wiederaufbau des Landes gestartet.

«Auf diese Weise leisten wir der Ukraine wichtige Unterstützung in Kriegszeiten und beim Wiederaufbau. Egal, wie oft Russland Stromleitungen, Krankenhäuser oder Gebäude zerstört, die Ukrainer werden das Wissen und die Fähigkeiten haben, sie wiederaufzubauen», erklärte die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze dazu am Dienstag.

Die Mitglieder der Fachkräfte-Allianz («Skills Alliance for Ukraine») für den Wiederaufbau werden dafür insgesamt mehr als 700 Millionen Euro bereitstellen. Das Programm soll drei Jahre laufen und richtet sich vor allem an junge Menschen, Binnenvertriebene und Frauen.

Investitionsschutz in Arbeit

Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis erklärte an der Konferenz, er freue sich über die Fortsetzung der vor zwei Jahren in Lugano aufgenommenen Bemühungen zum Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes. Gemäss dem vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) verbreiteten Redetext Cassis' legt die Schweiz Wert auf den Privatsektor beim Wiederaufbau.

In Zusammenarbeit mit der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) unterstütze die Schweiz einen neuen Mechanismus zum Investitionsschutz vor Kriegsrisiken, sagte Cassis. Sie werde sich auch an der Berufsausbildungsinitiative der Konferenz beteiligen.

Die letzten beiden Jahre hätten gezeigt, dass die Digitalisierung ein Kernelement für die Widerstandskraft und Erholung der Ukraine sei. Die Schweiz werde ihre Unterstützung auf diesem Gebiet im Hinblick auf Transparenz und demokratische Teilhabe um 60 Millionen Euro (68 Millionen Franken) ausbauen.

Darüber hinaus verwies der Aussenminister auf die Schweizer Langfrist-Hilfe von 5 Milliarden Franken in den nächsten zwölf Jahren. Zur Ukraine-Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock vom 15. und 16. Juni sagte Cassis, einige Monate nach Kriegsbeginn habe die Lugano-Konferenz den Wiederaufbau thematisiert. Nun müsse die Welt den Mut aufbringen, den Frieden zu bauen.

Selenskyj fordert mehr Hilfe bei Luftverteidigung

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat von den internationalen Partnern eindringlich mehr Unterstützung mit Luftverteidigungssystemen und für den Wiederaufbau der von Russland zerstörten Energie-Infrastruktur verlangt.

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Selenskyj dankte dem deutschen Kanzler Olaf Scholz mehrfach persönlich für die bisherige Unterstützung durch die Lieferung von Flugabwehrsystemen. Bild: keystone

«Wir benötigen mindestens noch sieben weitere Patriot-Systeme, um in nächster Zeit unsere grossen Städte zu schützen», sagte Selenskyj am Dienstag bei der internationalen Wiederaufbaukonferenz für sein Land in Berlin.

Selenskyj, dessen Rede öfters von Applaus unterbrochen wurde, dankte dem deutschen Kanzler Olaf Scholz mehrfach persönlich für die bisherige Unterstützung durch die Lieferung von Flugabwehrsystemen. Deutschland hat bereits zwei Patriot-Systeme geliefert, ein weiteres ist zugesagt, an ihm werden derzeit ukrainische Soldaten ausgebildet.

Von der Leyen für EU-Beitrittsverhandlungen mit Ukraine

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine ab Ende Juni ausgesprochen.

Die Ukraine habe alle vereinbarten Reformschritte erfüllt, sagte von der Leyen am Dienstag in Berlin bei der internationalen Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine.

«Deswegen glauben wir, dass die Europäische Union Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine beginnen sollte, und zwar schon Ende des Monats.»

Die Ukraine hat derzeit den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Ein EU-Gipfel im Dezember vergangenen Jahres beschloss, mit ihr Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Bislang gibt es dafür aber noch kein vereinbartes Datum. Ungarn etwa hat noch Zusatzforderungen.

Aussenminister Cassis in Berlin

Auch Aussenminister Ignazio Cassis ist in Berlin vor Ort. «Unser Ziel ist es, ein Klima des Vertrauens zu schaffen, das die unterschiedlichen Perspektiven in diesem Konflikt überwindet», schreibt der Tessiner auf X.

Scholz fordert mehr Luftverteidigung

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf der internationalen Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine eine weitere Stärkung der Luftverteidigung des Landes gegen russische Angriffe gefordert.

Er rief die Verbündeten am Dienstag auf, eine entsprechende deutsche Initiative «mit allem, was möglich ist» zu unterstützen. «Denn: Der beste Wiederaufbau ist der, der gar nicht stattfinden muss.»

Scholz stellte dem von mehr als zwei Jahren Krieg schwer gezeichneten Land weitreichende und langfristige staatliche Zusagen für den Wiederaufbau in Aussicht. Dafür werde er sich auf dem G7-Gipfel der führenden westlichen Wirtschaftsmächte in Italien einsetzen, der am Donnerstag beginnt.

Der deutsche Kanzler verwies darauf, dass die Weltbank in den kommenden zehn Jahren mit einem Bedarf von 500 Milliarden US-Dollar Wiederaufbauhilfe rechne. Er rief auch private Unternehmen auf, sich mit Investitionen daran zu beteiligen. «Angesichts der Dimension, über die wir hier reden, muss privates Kapital hinzukommen.»

Hunderte deutsche Unternehmen seien weiterhin in der Ukraine aktiv, mit 35 000 Beschäftigten allein im Automobilsektor, betonte der Kanzler. Trotz des Kriegs gebe es keinen Abfluss deutscher Investitionen, das Handelsvolumen sei im Vergleich zur Vorkriegszeit deutlich gestiegen. «Das alles zeigt mir: Die Wirtschaft versteht, welches Potenzial die Ukraine hat.»

Steinmeier empfängt Selenskyj im Schloss Bellevue

Vor Beginn der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin ist deren Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag vom deutschen Präsidenten Frank-Walter Steinmeier empfangen worden.

Steinmeier will anschliessend auch an der Konferenz teilnehmen und die Rede Selenskyjs im Bundestag verfolgen. Über den Inhalt des bilateralen Gesprächs wurde nichts bekannt.

Steinmeier und Selenskyj hatten sich bereits im Mai vergangenen Jahres im Schloss Bellevue getroffen. Das Verhältnis zwischen beiden Präsidenten war nach Beginn des Ukraine-Krieges zunächst angespannt gewesen, nachdem Steinmeier im April 2022 von Kiew für einen Besuch ausgeladen worden war. Er wollte mit seinen Kollegen aus Polen und den drei baltischen Staaten in die ukrainische Hauptstadt reisen.

Steinmeier kam später allein nach Kiew. Inzwischen gilt das Verhältnis beider Präsidenten wieder als entspannt.

(sda/dpa/ome)

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36 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ich-möchte-verstehen
11.06.2024 15:39registriert April 2022
Das ist keine Frage, ob Deutschland liefert oder nicht. Es ist eine Frage, ob Europa (ich sage bewusst Europa und nicht Nato und meine Europa inkl Schweiz) bereit ist ihre Demokratien und Freiheiten selbst zu verteidigen indem die Ukraine vorbehaltslos gegen die imperialen Interessen von Putin unterstützt wird.
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