Auf einem Berg in Nidwalden wird in etwas mehr als einer Woche vielleicht Weltgeschichte geschrieben und das Ende des unsäglichen Ukraine-Kriegs eingeleitet. Es kann jedoch sein, dass der Berg nach langen Geburtswehen in den Worten des römischen Dichters Horaz ein Mäuschen zur Welt bringen wird. Derzeit deutet fast alles auf dieses Ergebnis hin.
Über den Stand der Dinge zur Konferenz auf dem Bürgenstock werden Bundespräsidentin Viola Amherd und Aussenminister Ignazio Cassis am Montag informieren. Schon jetzt aber zeichnet sich ab, dass am 15. und 16. Juni nichts aus dem grossen Wurf wird, den sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beim Besuch in Bern im Januar erhofft hatte.
Angesichts der erkennbaren militärischen Schwierigkeiten strebte er einen Durchbruch zumindest auf diplomatischer Ebene an. Die Schweiz mit ihrem in weiten Teilen der Welt intakten Image als neutrale und humanitäre Vermittlerin sollte ihm dazu verhelfen. Selenskyjs Ziel war eine möglichst breite Allianz für seinen 10-Punkte-Friedensplan.
Dieser richtet sich gegen den Aggressor Russland, den der Ukrainer ausdrücklich nicht dabeihaben wollte. Viola Amherd liess sich darauf ein, aus verständlichen Gründen. Als Verteidigungsministerin hatte sie den Ärger über die verweigerte Weitergabe von Kriegsmaterial im Westen direkter zu spüren bekommen als andere Mitglieder des Bundesrats.
Nun wollte die Walliserin die Chance ergreifen, die ihr Selenskyj anbot. Im Interview mit der «Schweiz am Wochenende» sprach sie von einem möglichen Friedensgipfel «auf Minister- oder Staatsoberhauptsebene». Zuvor hatte es drei niederrangige Treffen gegeben, eines davon vor dem WEF in Davos. Die Gefahr eines Scheiterns schloss Amherd nicht aus.
So weit wird es nicht kommen, das Treffen auf dem Bürgenstock findet statt. Aber die bisher bekannten Anmeldungen sind ernüchternd. Auf höchster Ebene vertreten sind erst die üblichen Ukraine-Unterstützer wie Frankreich, Deutschland, Polen, Kanada oder die EU. US-Präsident Joe Biden hingegen kommt nicht, er schickt Vizepräsidentin Kamala Harris.
Für Biden haben seine Wiederwahl und eine Spendengala mit Hollywoodstars Priorität. Das lässt darauf schliessen, dass er der Bürgenstock-Konferenz wenig zutraut. Immerhin wird er sich zweimal mit Wolodymyr Selenskyj treffen, an der Gedenkfeier zum D-Day in der Normandie und am G7-Gipfel in Apulien. Damit will er den Ukrainer wohl besänftigen.
Er hatte Biden und den chinesischen Staatschef Xi Jinping zuvor regelrecht angefleht, in die Innerschweiz zu kommen. Im Fall von Xi war das nie eine realistische Option. Letzte Woche erfolgte die offizielle Absage aus Peking, worüber sich Selenskyj an einer Konferenz in Singapur verärgert zeigte. Er warf China vor, den Bürgenstock-Gipfel zu sabotieren.
Das bezog sich in erster Linie auf die Länder des Globalen Südens, auf deren Teilnahme Selenskyj bei seinem Besuch in Bern besonderen Wert gelegt hatte. Einige werden kommen, doch ausgerechnet die «Schwergewichte», die den Anlass beträchtlich aufwerten und den ukrainischen Friedenshoffnungen einen Schub verleihen würden, zieren sich.
Von Brasilien, Indien, China und Südafrika, die zusammen mit Russland die BRICS-Gruppe bilden, liegt erst die Zusage der Inder vor. Und ob Ministerpräsident Narendra Modi, der ein enttäuschendes Wahlergebnis verdauen muss, persönlich anreisen wird, ist unsicher. Unklar ist auch, ob mit Saudi-Arabien ein weiterer bedeutender Player vertreten sein wird.
Selenskyj wollte vor seiner Reise nach Singapur bei Kronprinz Mohammed bin Salman für die Konferenz werben, doch der Besuch wurde verschoben. Der ukrainische Präsident hat sich in letzter Zeit intensiv um mögliche Teilnehmer bemüht. Daraus spricht eine gewisse Ernüchterung, dass die Schweiz ihm nicht liefern kann, was er sich erhofft hatte.
Dabei kann man dem Aussendepartement EDA attestieren, dass es von Anfang an bestrebt war, den Ball flach zu halten. So wurde Genf als Austragungsort früh aus dem Spiel genommen. Das Renommee der Rhonestadt hätte überhöhte Erwartungen erzeugen können. In Nidwalden traf laut dem «Tagesanzeiger» schon Ende Januar eine Anfrage aus Bern ein.
Gleichzeitig richtete man den Fokus auf jene Punkte im Selenskyj-Plan, die für die Länder des Südens wichtig sind, wie die Nahrungsmittelversorgung und die Sicherheit von atomaren Anlagen. Man signalisierte Bereitschaft, über andere Friedensvorschläge zu sprechen. Selbst ein Einbezug Russlands wurde vom EDA nie vollständig ausgeschlossen.
Eine offizielle schriftliche Einladung, die die SVP am Dienstag in einer Fraktionserklärung forderte, gab es nicht. Das hätte Wolodymyr Selenskyjs Absichten widersprochen. Man habe aber in Moskau angeklopft und ein mögliches Interesse Russlands an einer Teilnahme auf dem Bürgenstock sondiert, sagte ein EDA-Diplomat im Gespräch mit watson.
Eine positive Rückmeldung blieb aus. Wladimir Putins Vorstellung von Frieden sei offenbar die Kapitulation der Ukraine, meinte der Diplomat. Diese Erkenntnis fällt in der Schweiz manchen schwer, wie das irritierende Votum des Zuger Mitte-Ständerats Peter Hegglin zeigte, in dem er der Ukraine und der NATO eine Mitschuld am russischen Angriff gab.
Russlands Reaktion auf die «Konferenz zum Frieden in der Ukraine», wie die offizielle und ziemlich unverbindliche Bezeichnung lautet, war von Beginn an zwiespältig. Anfangs war man nervös, doch nun ist man im Angriffsmodus, wie die Verhöhnung von Viola Amherd im russischen Fernsehen zeigte. Auch mit Cyberattacken ist zu rechnen.
Ein Flop ist das Bürgenstock-Treffen nicht. So sind Last-Minute-Zusagen wichtiger Länder immer noch möglich, selbst von China, das in diesem Krieg eine höchst widersprüchliche Rolle spielt. Xi Jinping zelebriert seine «Bromance» mit Putin und befeuert dessen Kriegswirtschaft. Gleichzeitig tut China so, als ob es an einem Frieden interessiert sei.
Es droht jedoch eine unausgewogene Teilnehmerliste auf dem Bürgenstock. Sie würde der Schweiz die Grenzen ihrer «guten Dienste» aufzeigen. Im besten Fall sei die Konferenz ein Schritt hin zu einem Frieden in der Ukraine, meinte der EDA-Diplomat und relativierte sogleich: «Der Friedhof der gescheiterten Friedenskonferenzen ist gross.»
Doch, das könnte sie!!
Gleich zu Beginn 2 Mia für die Ukraine sprechen - erledigt.
Dann ist es halt eine Geberkonferenz- who cares, wenn die Ukraine davon profitiert - aber alles andere wär beschämend und Putin gewinnt.
Wie wär's wenn wir EINMAL führen und nicht nur immer folgen?
Gruss
Chorche, ruhig aber wütend