Mit gemischten Gefühlen blickt man in der Ukraine auf den Alaska-Gipfel vom kommenden Freitag. Wenn sich US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin treffen, um über das Kriegsende zu verhandeln, so bleibt die Ukraine vorerst draussen vor der Tür. Trotzdem betont Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko: «Wir müssen eine diplomatische Lösung finden.»
Wie Klitschko, 54, in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit der deutschen «Bild»-Zeitung sagt, müsse die Beilegung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine über eine Verhandlungslösung erfolgen. Gleichzeitig zeichnet der frühere Box-Weltmeister ein schonungsloses Bild von der aktuellen Lage in seiner Heimat: «Jeder in unserem Staat, in unserem Land ist müde von diesem Krieg.»
Die Ukraine habe für diesen Krieg «leider einen riesigen Preis bezahlt: Die Leben von unseren Patrioten, von unseren Soldaten, von unseren Bürgern. Hunderte von Städten sind zerstört. Ein grosser Teil der Ukraine ist von Russland okkupiert.»
Was Putins Forderung nach Gebietsabtretung des gesamten Donbass angeht, so sagt Klitschko, es sei noch «viel zu früh» für solche Gespräche. Dabei schliesst er im Gespräch mit «Bild»-Reporter Paul Ronzheimer einen Verzicht auf Gebiete aber nicht explizit aus. Das sei eine Frage für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (den er nicht mag):
Denn ein Teil der Menschen in der Ukraine wird laut Klitschko nie dazu bereit sein, Teile des Landes an Russland abzutreten. Andere sind in ihrer Meinung zu Gebietsabtretungen gespalten. Die Nachrichtenagentur AP zitierte am Wochenende den 67-jährigen Kiewer Rentner Ihor Ussatenko. Dieser könne sich vorstellen, Gebiete abzutreten – «unter der Bedingung einer Entschädigung und möglicherweise einiger Reparationen. Es ist vielleicht keine Kapitulation, aber es wäre ein Verlust», beklagt er gleichwohl.
Die 31-jährige Anastassja Jemeljanowa erklärt ebenfalls, sie sei in der Frage innerlich gespalten. «Ehrlich gesagt habe ich zwei Antworten auf diese Frage. Die erste ist als Person, die ihr Land liebt. Ich will in mir selbst keinen Kompromiss eingehen», sagt sie zur AP. «Aber wenn ich all diese Toten sehe und weiss, dass meine Mutter jetzt in Nikopol unter Beschuss lebt und mein Vater kämpft, möchte ich, dass all das so schnell wie möglich endet.»
Generell sind die Ukrainerinnen und Ukrainer laut einer Umfrage zunehmend bereit, den Invasionskrieg Russlands durch Verhandlungen zu beenden. Die Deutsche Presse-Agentur (DPA) zitierte am Freitag eine Gallup-Umfrage von Anfang Juli. Darin sprachen sich sieben von zehn Ukrainerinnen und Ukrainern dafür aus, dass ihr Land so schnell wie möglich eine Einigung aushandeln sollte.
Dieses Ergebnis bedeutet eine deutliche Kehrtwende gegenüber 2022. Kurz nach Kriegsbeginn verlangten rund 75 Prozent der Befragten, bis zum Sieg weiterzukämpfen. Jetzt sind es nur noch knapp 25 Prozent.
Die meisten Ukrainer rechnen der Umfrage zufolge aber nicht mit einem baldigen Frieden. Nur etwa ein Viertel hält es für «sehr» oder «einigermassen» wahrscheinlich, dass die Kämpfe innerhalb der nächsten zwölf Monate enden werden. Dagegen hielten dies etwa 70 Prozent für «einigermassen» oder «sehr» unwahrscheinlich.
(Mit Material der DPA/aargauerzeitung.ch)