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Ukrainischer Geiger gibt russischem Jurymitglied nicht die Hand

Eklat an Geigenwettbewerb: Ukrainer gibt russischem Jurymitglied nicht die Hand

Nach dem Sieg beim weltberühmten Concours Reine Elisabeth gibt Dmitro Udovychenko dem russischen Jurymitglied und Putin-Freund Vadim Repin nicht die Hand. Nun wird er kritisiert und gelobt.
05.06.2024, 04:3905.06.2024, 16:28
Christian Berzins / ch media
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Die Wogen in der Klassikwelt gehen wegen des Ukraine-Krieges erneut hoch. Diesmal ist es nicht Anna Netrebko, die für Schlagzeilen sorgt, sondern ein junger Geiger zeigt, wie politisch Bach, Mozart und Co. sind.

Stein des Anstosses ist eine deutliche Geste von Dmitro Udovychenko. Die einen nennen sie nun stark, die anderen beleidigend. Klassikblogger Norman Lebrecht machte den Fall auf seiner Plattform publik, wo er heftig diskutiert wird.

Nachdem der 25-Jährige den weltberühmten und wohl renommiertesten Geigenwettbewerb der Welt, den Reine Elisabeth, gewonnen hatte und ihm Jurymitglied Vadim Repin gratulieren wollte, verschränkte Udovychenko die Hände hinter seinem Rücken. Der Grund ist einfach: Dem Ukrainer gegenüber stand ein Russe, der sich nie von Putin distanziert hat – ganz im Gegenteil.

Udovychenkos Geste des Protests gegen den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands und den Putin-Unterstützer in der Jury.
Udovychenkos Geste des Protests gegen den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands und den Putin-Unterstützer in der Jury.screenshot facebook

Seine Heimatstadt wird von Putin bombardiert

Dmytro Udovychenko stammt aus Charkiw, wo seine Eltern unter Putins Bombenangriff stehen. Er gewann bisher unter anderem den Heifetz Wettbewerb in Vilnius sowie die Odessa Competition und holte Auszeichnungen an anderen Wettbewerben.

Vadim Repin ist Teil der russischen Kulturpropaganda, ebenso wie seine Frau, die Ballerina Swetlana Sacharowa. Im Jahr 2022 verlieh Putin dem Geiger den Titel des Volkskünstlers Russlands. Repin war zusammen mit anderen Putin-Anhängern wie dem berüchtigten Yuri Bashmet und Sergei Roldugin (das Zürcher Obergericht diskutierte letzte Woche über seine beziehungsweise Putins Finanzgeschäfte) in der Jury des 17. Tschaikowsky-Wettbewerbs, dem Putins Musikzar Valery Gergiev vorsteht.

Im März 2024 sandte Putin Grüsse an die Teilnehmer, Organisatoren und Gäste des Transsibirischen Kunstfestivals, das vom Staat unterstützt und von Repin geleitet wird.

Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks M
Vadim Repin bei einem Konzert im KKL mit dem Luzerner Sinfonieorchester im 11. März 2009.Bild: imago stock&people

Nun mag man die Belgier fragen, warum Repin immer noch in dieser mehr als 12-köpfigen Jury sitzt. Oder soll man tatsächlich fragen, warum Dmytro Udovychenko an einem Wettbewerb teilnimmt, wo Repin in der Jury sitzt?

Warum soll ein noch fast unbekannter Geiger einen Protest einlegen, den kaum jemand wahrnehmen würde, und damit seine Karriere gefährden? Er soll an diesem Wettbewerb teilnehmen. Und wenn ihn Putins Intimus aufs Schild hebt, ist das auch in Ordnung. Den Handschlag darf er ihm verweigern.

Dmitro Udovychenko.
Dmitro Udovychenko.Bild: zvg

Das findet auch die georgische Meistergeigerin Lisa Batiashvili, im Sommer Artiste étoile am Lucerne Festival. Sie gratuliert auf Facebook dem Ukrainer zum Sieg, unterstützt ihn für seine Geste und schreibt:

«Warum akzeptieren und respektieren wir nicht die Entscheidung eines jungen ukrainischen Musikers – dessen Land inzwischen völlig zerstört wurde und in dem Hunderttausende getötet, gefoltert, nach Russland deportiert usw. wurden – sich zu weigern, einem russischen Jurymitglied die Hand zu schütteln?»

Und dann skizziert sie kurz ihre Lebensgeschichte: Sie berichtet, wie die Russen 2008 Südossetien, ihr georgisches Land, besetzten und wie Dirigent Valery Gergiev alsbald vor den mit Georgiern gefüllten Gefängnissen ein Konzert dirigierte.

Sie schliesst ihr längeres Statement mit den Worten:

«Als europäische Bürgerin hoffe ich, dass wir dankbar sein können für das, was wir haben, und die Werte schützen können, die wir vertreten wollen. Skepsis, Ignoranz, Gleichgültigkeit oder falsche und naive Aussagen haben in der heutigen Welt keinen Platz.»
Lisa Batiashvili beim WDR Talk K�lner Treff am 11.01.2019 in K�ln WDR Talk K�lner Treff Weihnachten Spezial *** Lisa Batiashvili at the WDR Talk K�lner Treff on 11 01 2019 in Cologne WDR Talk K�lner T ...
Lisa Batiashvili sagt, dass der Ukrainer recht hatte, dem Russen die Hand zu verweigern.Bild: imago stock&people

Zu den legendären Siegern des Concours Reine Elisabeth zählten in der ferneren Vergangenheit der Jahrhundertgeiger David Oistrach oder Leonid Kogan (1937 und 1951). Speziell am Wettbewerb ist, dass es keine Juryberatung gibt: Die Juroren geben unabhängig ihre Punkte ab. 1997 erhielt der famose Nikolaj Znaider am meisten Punkte, 2001 die grossartige Baiba Skride und 2009 Ray Chen. 1989 gewann ein gewisser Vadim Repin.

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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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So oder so
05.06.2024 06:23registriert Januar 2020
Absolut hat Dmitro Udovychenko Recht , die Gefahr das der Händedruck von der Russischen Propaganda sogleich Missbraucht würde ist Gross da Repin ja Propaganda angestellter ist und dem Putin Regime zudienen muss.
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hgehjvkoohgfdthj
05.06.2024 06:30registriert März 2020
Ich verstehe den jungen Ukrainer zu 100%. Was Russland in der Ukraine anrichtet geht auf keine Kuhhaut. Als Ukrainer würde ich diesem russischen Nazi auch nicht die Hand geben. Der Russe soll froh sein, dass der Ukrainer so besonnen reagiert hat.
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Spama Lotto
05.06.2024 06:44registriert August 2019
" Die einen nennen sie nun stark, die andere beleidigend."
Wer nennt die Geste beleidigend? Ausser Putins Propagandaapparat und seine Fünftkolonisten der AfD, SVP, Junge Tat etc.?
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