Schon seit Längerem nimmt die Zahl der Anti-Trans-Gesetze in den USA zu. Doch dieses Jahr gehen republikanische Gesetzgebende so aggressiv gegen trans Menschen vor, wie noch nie zuvor. 2023 bricht die Gesamtzahl zum vierten Jahr in Folge einen Rekord:
Die Website Trans Legislation Tracker protokolliert alle eingereichten Anti-Trans-Gesetze, um auf deren problematischen Inhalte aufmerksam zu machen. Auch die Menge machen sie dadurch ersichtlich: In der laufenden Legislaturperiode wurden bereits mehr als 492 Anti-Trans-Gesetze in 47 Staaten eingebracht. Das ist bereits mehr als doppelt so viel als im gesamten vergangenen Jahr.
Der Gründer von Trans Legislation Tracker Andrew Bales sieht darin eine gefährliche Entwicklung. Gegenüber Vice sagt er:
Wie die Website Trans Legislation aufzeigt, sind dieses Jahr bereits 492 Anti-Trans-Gesetze eingebracht worden. Was beinhalten diese und was fordern sie? Ein genauerer Blick auf sechs Anti-Trans-Gesetze.
Die House Resolution 115 ist ein Gesetzesentwurf auf Bundesebene, der zum Ziel hat, enge biologische Definitionen für Mann und Frau festzuschreiben. Im Entwurf, der am 9. Februar ins Repräsentantenhaus eingeführt wurde, heisst es beispielsweise:
Weiter heisst es, dass «jüngste fehlgeleitete Gerichtsurteile» der Definition des Begriffes «Geschlechts» zu einer «Gefährdung von Räumen und Ressourcen» geführt hätten, die Frauen gewidmet seien. Mit dem Gesetz solle deshalb bekräftigt werden, dass …
Die Abstimmung über den Entwurf steht noch aus.
Dem republikanischen Senator David Clemens aus North Dakota sind trans Menschen und ihre Pronomen ein Dorn im Auge. Deswegen reichte er im Januar den Gesetzesentwurf SB2199 ein, der eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Dollar vorsieht, wenn trans Menschen mit ihren korrekten Pronomen angesprochen werden. Laut dem Gesetzesentwurf müssten sie mit den Pronomen angesprochen werden, die ihnen bei der Geburt zugewiesen wurden.
Das Gesetz würde in Institutionen zum Zuge kommen, welche staatliche Mittel erhalten – so etwa öffentliche Schulen. In anderen Worten: Wenn Lehrkräfte die korrekten Pronomen ihrer trans Schülerinnen und Schüler oder ihrer Mitarbeitenden verwenden, riskieren sie eine Geldstrafe.
Im Gesetzesentwurf heisst es:
Bereits im Vorfeld empfahl der Justizausschuss des Senats, den Gesetzesentwurf nicht zu verabschieden, da er zum Teil schlecht geschrieben und schwer durchzusetzen sei. Schlussendlich wurde er aber dennoch in den Senat eingebracht, wo er am 20. Januar mit 39 zu 8 Stimmen abgelehnt wurde.
Der republikanische Senator David Bullard reichte in Oklahoma am 4. Januar die Senate Bill 129 ein. Dieser Gesetzesentwurf zielt auf Mitarbeitende im Gesundheitssektor ab und verbietet ihnen die geschlechtsangleichende Behandlung von trans Menschen unter 26 Jahren. Nur schon das weiter verweisen von trans Patienten an andere Gesundheitsfachleute kann als Straftat verurteilt werden. Die Strafmass liegt zwischen 1000 Dollar Busse und zwei Jahren Gefängnis.
Eine Ausnahme macht Bullard in einem Gesetzesentwurf jedoch: Geschlechtsangleichende Operationen an intersexuellen Kindern – also solche, die mit zwei Geschlechtern geboren worden sind – dürfen ohne deren Einverständnis durchgeführt werden.
Nachdem in Oklahoma gegen das Gesetz protestiert wurde, liess Bullard verkünden, dass das Alter im Gesetzesentwurf von 26 auf 18 gesenkt worden sei. Der Gesetzesentwurf liegt dem Senat jetzt als Senate Bill 613 vor.
In Tennesse stehen noch mehrere Anti-Trans-Gesetzesentwürfe aus, zwei sind Anfang Mai bereits angenommen worden. Im einen neuen Gesetz wird es Minderjährigen verboten, geschlechtsangleichende Behandlungen in Anspruch zu nehmen.
Das zweite Gesetz betrifft Drag-Shows. Die in der Vorlage als «Erwachsenenkabinett» bezeichneten Shows sind im öffentlichen Raum ab dem 1. April verboten. Zudem müssen Veranstaltungsorte mindestens 300 Meter von Schulen und Kindergärten entfernt sein. Jack Johnson, der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat von Tennesse begründete das Gesetz auf Twitter folgendermassen:
My bill, Senate Bill 3, is now headed to @GovBillLee to become law. This bill gives confidence to parents that they can take their kids to a public or private show and will not be blindsided by a sexualized performance.
— Jack Johnson (@SenJohnson) March 2, 2023
Ein weiteres Gesetz wurde unter grosser Aufruhr im Bundesstaat Kentucky angenommen.
Der Gesetzesentwurf Senate Bill 150 gilt als einer der bisher strengsten und aggressivsten und beinhaltet folgende Punkte:
Sowohl das Repräsentantenhaus als auch der Senat stimmten dem Gesetzesentwurf am 16. März zu, worauf dieser dem demokratischen Gouverneur Andy Beshear vorgelegt wurde. Statt den Gesetzesentwurf zu unterzeichnen, legte er am 24. März das Veto dagegen ein.
Er begründete seinen Entscheid damit, dass der Gesetzesentwurf zu viele staatliche Eingriffe in persönliche Gesundheitsfragen zulasse und den Eltern die Freiheit nehme, medizinische Entscheidungen für ihre Kinder zu treffen.
Weiter betont er die hohe Selbstmordrate unter LGBTQ-Jugendlichen: Fast jede fünfte jugendliche trans Person hätte 2022 einen Selbstmordversuch unternommen. Dann zitiert er die American Medical Assocation, die berichtet ...
Mit einer Annahme des Gesetzesentwurfes sieht Andy Beshear die mentale Gesundheit von trans Jugendlichen in Gefahr. In seinem Veto warnt er:
Der Gesetzesentwurf ging nach seinem Veto wieder an die beiden Kammern zurück, die erneut darüber abstimmten. Mit einer einfachen Mehrheit beider Kammern kann in Kentucky das Veto des Gouverneurs gegen ein vorgeschlagenes Gesetz aufgehoben werden. Und genau das ist am Donnerstag passiert.
Fast alle Punkte des Gesetzes treten ab sofort in Kraft. Einzig die geschlechtsangleichenden Behandlungen werden ab Ende Juni verboten. Zu diesem Zeitpunkt müssen Ärzte und Ärztinnen solche Behandlungen zudem rückgängig machen.
Bereits jetzt werden trans Menschen häufig belästigt und bedroht. Die amerikanische Rechte schürt diese Hetze mit dem immer häufiger verwendeten Begriff «Trans-Terrorismus» noch mehr. So lag etwa der Fokus nach dem Amoklauf im amerikanischen Tennesse nicht auf den laschen Waffengesetzen, sondern auf der Tatsache, dass sich der Schütze als trans identifizierte.
Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass das Vorgehen gegen trans Menschen auch auf Gesetzesebene immer mehr an Fahrt aufnimmt: In diesem Jahr sind bisher 25 Anti-Trans-Gesetze angenommen und 43 abgelehnt worden. Bei über 424 Gesetzen steht der Entscheid noch aus.
Auch wenn viele der Gesetzesentwürfe wohl nicht durchkommen werden, so ist der Trend alarmierend. Chase Strangio, Anwalt der American Civil Liberties Union führt gegenüber der New York Times aus:
Aktivistinnen und Aktivisten befürchten zudem, dass die aggressivsten Gesetzesentwürfe – selbst wenn sie nie in Kraft treten – den Weg für spätere Gesetzesentwürfe ebnen. Mildere Gesetzesentwürfe könnten dadurch wie Kompromisse erscheinen, auch wenn sie die Rechte von trans Menschen Schritt für Schritt mehr einschränken.