Ins Rennen um seine Wiederwahl startet Donald Trump mit völlig anderen Voraussetzungen als im Wahljahr 2016.
Damals war Trump ein Aussenseiter, von seiner Partei verachtet, ohne professionelles Wahlkampfteam, bei den finanziellen Mitteln bis zum Ende seiner Konkurrentin Hillary Clinton klar unterlegen. Trotzdem gewann er.
Ins Wahljahr 2020 geht Trump mit einem gewaltigen Vorsprung. Partei und Wählerbasis stehen eng an seiner Seite, vor den Toren Washingtons arbeitet bereits eine professionelle Wahlkampfzentrale, und er sammelt seit dem Tag seines Amtsantritts Spenden für seine Wiederwahl. Über 150 Millionen Dollar hat er selbst schon eingeworben.
Trump geht also trotz Affären und Skandalen aus einer Position der Stärke ins Wahljahr. Er verfügt über den Amtsbonus, ist allgegenwärtig im Leben der Amerikaner. Die Wirtschaft brummt trotz aller zwischenzeitlichen Warnzeichen weiter: Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Börsenkurse klettern – überaus wichtig für die Abermillionen Amerikaner, deren Altersabsicherung an den Aktienmarkt gekoppelt ist.
Doch es gibt auch grosse Unwägbarkeiten: Trump hat seine Unterstützerbasis nicht ausbauen können – er bleibt mit Werten von knapp über 40 Prozent so unbeliebt wie eh und je. In der Mitte der Gesellschaft ist man ermüdet vom täglichen Drama um den Präsidenten.
Ob die Impeachment-Anklage die Aussichten für Trump und seine Gegner wirklich geändert hat, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Beide Seiten können damit wohl ihre Wähler mobilisieren.
Doch die grösste Unbekannte für Trump und für die Wähler lautet: Wen schicken die Demokraten gegen den Präsidenten ins Rennen?
Bei ihnen tobt seit Monaten der Vorwahlkampf: die Kandidaten sind im Land unterwegs, es gab bereits sechs grosse TV-Debatten. 13 Bewerber haben schon wieder aufgegeben, 15 sind noch im Rennen – zuletzt kamen sogar neue dazu. Das liegt daran, dass bei den Demokraten eine grosse Nervosität ausgebrochen ist.
Anfang Februar beginnen die parteiinternen Vorwahlen. Die demokratischen Kandidaten sind seit Monaten unablässig in den Bundesstaaten unterwegs, die ihre Abstimmungen zuerst abhalten: Iowa, New Hampshire, Nevada und South Carolina.
Doch bislang hat sich kein Favorit herausgeschält. Es ist sogar völlig unklar, ob die Demokraten einen sehr linken oder gemässigten Bewerber aufstellen. Und die meisten Kandidaten, die sich gute Chancen ausrechnen, müssen Fragen nach ihrer Schlagkraft in einem Duell mit Trump beantworten.
So werden zwei linke Kandidaten kritisch beäugt, ob sie wirklich massentauglich sind. Die Senatorin Elisabeth Warren, zwischenzeitlich in den Umfragen vorn, begeistert zwar ihre Anhänger mit ihren für Amerikas Verhältnisse radikalen Plänen für eine Reichensteuer, eine staatliche Krankenversicherung und eine kostenlose Universität – Wähler in der Mitte der Gesellschaft schreckt Warren allerdings noch ab. Bernie Sanders, der selbsterklärte Sozialist, verfügt immer noch über eine treue Anhängerschaft wie schon 2016, steht allerdings noch weiter links als Warren und muss sich wegen seines Alters von 78 Jahren und einem im Oktober erlittenen Herzinfarkt die Frage nach seiner Fitness gefallen lassen.
Noch lauter werden allerdings die Zweifel an Joe Biden geäussert. Der frühere Vizepräsident startete im Frühjahr als grosser Favorit ins Rennen. Doch in den TV-Debatten und anderen Auftritten wirkt der 77-Jährige nicht auf der Höhe. Ausserdem hat Trumps Ukraine-Affäre die problematischen Geschäfte von Bidens Sohn Hunter ins Bewusstsein der Wähler gerückt. Biden ringt mitunter um die richtigen Worte. Er punktet vor allem mit seiner Vergangenheit als Vizepräsident Barack Obamas und dem Versprechen, dass alles wieder werde wie früher. Trotz aller Abgesänge steht Biden in Umfragen weiter gut da. Doch kann er so gegen Trump bestehen?
Die Sorge um Biden hat eine ganz neue Dynamik ausgelöst. Zum einen profitierte ein Kandidat, der wie Biden die moderaten Wähler anspricht, aber sonst vollkommen anders ist: Pete Buttigieg, 37 Jahre alt, schwul, redebegabt, galt plötzlich als neue Hoffnung. Der bis vor wenigen Monaten völlig unbekannte Provinzbürgermeister aus dem Bundesstaat Indiana kletterte zuletzt in den Umfragen nach oben.
Und dann entschied sich im November doch noch der frühere New Yorker Bürgermeister Mike Bloomberg, ins Rennen einzusteigen. Bloomberg hatte eigentlich schon abgesagt, nach den ersten Abgesängen auf Biden hat er sich umentschieden – und sprengt sogleich die Werbeetats.
Der Multimilliardär hat allein in den ersten drei Wochen mehr als 100 Millionen Dollar für Fernsehwerbung ausgegeben – das ist mehr als die Favoriten zusammen im ganzen Jahr. Der ebenfalls schon 77-Jährige hätte also immerhin die finanziellen Mittel, um gegen Trump zu bestehen. Aber noch gibt es keine Hinweise darauf, dass die demokratische Wählerbasis tatsächlich einen Multimilliardär aus New York ins Rennen schicken will.
Es ist also wahrscheinlich, dass die Demokraten viele Wochen und Monate brauchen, um ihren Kandidaten zu finden. Ein Sieger steht indes schon fest: Je länger die Kandidaten Zeit, Kraft und Geld im parteiinternen Wettkampf aufwenden, desto besser für Donald Trump.
Ich würde ihn gerne schlagen.
Der Schlussthese im Artikel lässt übrigens einfach widersprechen mit der Gegenthese: Eine gut inszenierte Auswahl mobilisiert, schliesslich finden in allen Staaten Primaries statt, bevor dann am Nominierungsparteitag das grosse Feuerwerk gezündet wird.