Joe Biden klingt nicht wie ein Politiker, der eingesehen hat, dass seine Karriere zu Ende ist. «Ich bin die am besten qualifizierte Person» im Rennen um das Weisse Haus, sagte er am Donnerstag. Und: «Ich möchte die Arbeit, die ich begonnen habe, zu Ende bringen.» Weil nur er eine Rückkehr von Donald Trump ins Präsidentenamt verhindern könne.
Diese drei Sätze sagte der amerikanische Präsident an einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz. Während 50 Minuten beantwortete Biden zum Abschluss des NATO-Gipfels in Washington die brennenden Fragen des Pressekorps.
Ziel dieser Übung: Der Demokrat wollte die Zweifel aus der Welt schaffen, dass er als ältester Präsident in der Geschichte der USA den Anforderungen des Amtes nicht mehr gewachsen ist.
Diese Hürde – aufgebaut von aufgebrachten Wählern, nervösen Parteifreunden und verunsicherten Gönnern der Demokraten – übersprang Biden. Gerade die sicherheitspolitischen Fragen, die sich um die Zukunft der NATO, den Krieg in der Ukraine und eine wirtschaftspolitische Konfrontation mit China drehten, beantwortete er klar und nachvollziehbar.
Aber Biden wäre nicht Biden, hätte er sich nicht auch einige verbale Schnitzer geleistet. So nannte er seine Vizepräsidentin Kamala Harris «Vice President Trump».
Zuvor, während einer NATO-Veranstaltung, hatte Biden sich noch einen peinlicheren Versprecher geleistet: Als er Wolodymyr Selenskyj vorstellte, bezeichnete er den ukrainischen Präsidenten zuerst als «President Putin». Schnell korrigierte er diesen Schnitzer aber. Selenskyj nahm es mit Humor. «Ich bin besser» als Putin, sagte der Ukrainer.
I mean, FFS. pic.twitter.com/eyIYd7Jg17
— Piers Morgan (@piersmorgan) July 12, 2024
Auch griff der 81 Jahre alte Präsident an der Pressekonferenz auf rhetorische Kniffe zurück, die nach zahlreichen Einsätzen in Wahlkampfreden längst hätten schubladisiert werden sollen. So flüsterte Biden mehrmals ins Mikrofon. Das sollte wohl lustig wirken, funktioniert aber nicht. Auch griff Biden wiederholte Male auf rhetorische Floskeln wie «anyway» zurück, wenn er den Faden verlor. Und er räusperte sich auffallend oft.
Aber damit könnten die Demokraten wohl leben, wäre da nicht dieses grosse Problem, das derzeit sämtliche Qualitäten Bidens in den Schatten stellt: Die Tatsache, dass er 1942 geboren worden ist und man ihm dies ansieht.
Scherzhaft sagte der Präsident am Donnerstag, mit dem Alter komme die Weisheit. Gleichzeitig räumte der 81-Jährige ein, dass er sich körperlich schonen müsse: «Ich muss mein Tempo anpassen.» Aber eigentlich behauptete Biden erneut, dass er problemlos bis Anfang 2029 - dem Ende einer zweiten Amtszeit – einen der schwierigsten Jobs der Welt erledigen könnte. Krank jedenfalls sei er nicht.
An dieser Aussage zweifeln nicht nur die hochrangigen Politiker, die für den Jubiläumsgipfel der NATO nach Washington gereist waren. Biden sei in den vergangenen Tagen unter Dauerbeobachtung gestanden, hiess es am Donnerstag in der amerikanischen Hauptstadt.
Jede Wortmeldung, jeder Auftritt wurde von den Beobachtern seziert. So erzählte ein Vertreter eines europäischen Landes, dass am Dienstag sämtliche Zuhörerinnen und Zuhörer den Atem angehalten hätten, als Biden während des NATO-Festaktes eine Rede hielt. Und als er diese ohne Schnitzer beendete, da habe man gemeinsam erleichtert ausgeatmet.
An der Aussage, dass Biden noch fit genug sei, zweifeln auch viele Parteifreunde. Mittlerweile fordern gegen 20 Abgeordnete im Senat und im Repräsentantenhaus den Rückzug des demokratischen Präsidentschaftskandidaten. Und die Gerüchteküche brodelt weiter, wonach ein Massenaufstand gegen das Aushängeschild der Partei bevorstehe. Am Donnerstag meldete beispielsweise der Nachrichtensender CNN, dass sich Ex-Präsident Barack Obama und Ex-Speakerin Nancy Pelosi privat über die politische Zukunft von Biden besprochen hätten. Obama sei anscheinend auch vom Schauspieler George Clooney vorab informiert worden, als dieser in einem Gastbeitrag in der «New York Times» Biden in persönlichen Worten zum Rückzug aufgefordert hatte.
Aber all diese Gerüchte spielen keine Rolle, wenn Biden auf seiner Kandidatur beharrt. Und weiterhin behauptet, dass er allein den republikanischen Kontrahenten besiegen könne.
Wobei: Hier öffnete der Präsident an der Pressekonferenz die Tür einen Spalt breit. Wenn seine Berater ihm anhand von Meinungsumfragen beweisen könnten, dass er «auf keinen Fall» gewinnen werde, dann würde er sich einen Rückzug überlegen, verkündete Biden. «Aber niemand sagt das», zwei Wochen nach seiner desaströsen Darbietung in der TV-Debatte gegen Trump. Noch.
Das wars dann wohl liebe Demokraten.
Und ja. Ich wünsch mir Obama zurück. Der rechtspopulistische Lügner hätte keine Chance.