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US-Wahl: Die Angst vor Gewaltausbrüchen wächst

FILE - Supporters of President Donald Trump who are wearing attire associated with the Proud Boys attend a rally at Freedom Plaza, Dec. 12, 2020, in Washington. The supporter on the left is wearing a  ...
Radikale Trump-Supporter im Dezember 2020: US-Wähler befürchten, dass bewaffnete Milizen für einen Gewaltausbruch sorgen könnten. Bild: keystone

US-Wahl: Die Angst vor Gewaltausbrüchen wächst

Eine Umfrage zeigt: Viele Wähler rechnen mit Gewalt im Umfeld der US-Wahlen. Techfirmen sollen bei der Bekämpfung von Fakenews helfen.
23.05.2024, 04:16
Thomas Wanhoff / t-online
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Die Bilder sind noch gut in Erinnerung: Am 6. Januar 2021 stürmten Anhänger des damaligen US-Präsidenten Donald Trump das US-Kapitol in Washington, es gab Tote und Verletzte. Schon im Wahlkampf hatte es Übergriffe gegeben, kurz vor dem Wahltag wurde die Stimmung noch aufgeheizter, es gab Bedrohungen gegenüber Wählern. In diesem November steht die nächste Wahl zum US-Präsidenten an, und eine Umfrage zeigt: Die Sorge vor neuer Gewalt ist gross.

Bislang sind es nur weitgehend rhetorische Schläge zwischen den Hauptkandidaten Donald Trump und Joe Biden, die ausgeteilt werden. Aber eine Umfrage des Wirtschaftsdienstes Bloomberg und der Firma Morning Consult lässt aufhorchen: Die Hälfte der Wähler in den besonders umkämpften Bundesstaaten fürchten gewalttätige Auseinandersetzungen, wenn die Ergebnisse einlaufen. Für die Umfrage, die vom 7. bis 13. Mai durchgeführt wurde, wurden 4'962 registrierte Wähler in sieben Swing States, also den besonders umkämpften Bundesstaaten, befragt. Die Fehlermarge liegt bei plus/minus 1 Prozentpunkt.

Die Angst vor neuerlichen Gewaltausbrüchen vor, während und nach der Wahl ist laut Umfrage bei Wählern der Republikaner und der Demokraten gleich verteilt – noch besorgter zeigen sich die unabhängigen Wähler. Als Gründe werden neben Drohungen gegen Wahlkämpfer auch die Auseinandersetzungen an amerikanischen Universitäten nach Besetzungen von pro-palästinensischen Aktivisten genannt.

Papier gibt Ratschläge an soziale Netzwerke

Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Aufheizung des politischen Klimas in den USA spielen die sozialen Medien. Im März hatten sich Wissenschaftler und frühere Mitarbeiter von Techunternehmen getroffen, um zu überlegen, wie die Facebook-Mutter Meta, Tiktok, X und andere Firmen sich gegen Propaganda und Aufrufe zur Gewalt wappnen können, berichtet die «Washington Post». Jetzt liegt ein Papier vor, in dem sieben Vorschläge gemacht werden. Diese sind:

  • Auf Bedrohungen und Gewalt vorbereitet sein
  • Regeln einrichten, um den Bedrohungen zu begegnen
  • Ausnahmen für wichtige Politiker und Influencer abschaffen
  • Ressourcen schaffen, um Ansturm an Beiträge zu bewältigen
  • Transparenz bei der Moderation von Beiträgen
  • Zusammenarbeit mit Forscher und Aktivisten
  • Industriestandards entwickeln

Bericht: Milizen koordinieren 100 Facebook-Gruppen

Fraglich ist, ob und wie diese Empfehlungen umgesetzt werden. Ein Meta-Sprecher sagte der US-Zeitung, das Unternehmen arbeite bereits das ganze Jahr über Problematik und beschäftige weltweit etwa 40'000 Mitarbeiter, die sich um die Sicherheit kümmern – mehr als im Jahr 2020.

Das Unternehmen beschäftigt ausserdem Hunderte Mitarbeiter, die sich mit der Bekämpfung gefährlicher Organisationen befassen, und hat Tausende von Seiten bewaffneter Gruppen entfernt. Auch Tiktok verwies auf bereits vorhandene Regeln zu Beiträgen im Rahmen von Wahlen, die weit über die jetzt gemachten Vorschläge hinausgingen.

Die Sorgen der Experten, die die Empfehlungen vorlegten, sind begründet. Anfang Mai berichtete das US-Magazin «Wired» über etwa 100 Facebookgruppen, die von militanten Milizen in den USA koordiniert werden. Als Logos dienen oft Waffen und Personen in Militärausrüstung. «Diese Gruppen versuchen, die lokale Organisierung zu erleichtern, Staat für Staat und Bezirk für Bezirk. Ihre Ziele sind vage, aber viele ihrer Beiträge vermitteln ein allgemeines Gefühl der Dringlichkeit über die Notwendigkeit, sich auf einen 'Krieg' vorzubereiten oder gegen viele vermeintliche Feinde 'aufzustehen', berichtet «Wired».

FILE - Insurrectionists loyal to President Donald Trump breach the Capitol in Washington, Jan. 6, 2021. Russell Taylor, a California man who stormed the U.S. Capitol and later testified against one of ...
Der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 stellte bisher die grösste Eskalation dar.Bild: keystone

Erste Vorfälle mit Wahlhelfern

Eine Untersuchung der amerikanischen Stanford-Universität über die Entwicklung der Gewalt nach der Wahl von 2020 zeigt, dass es bereits vor den Wahlen Zwischenfälle gab und die Spannung langsam wuchs. Einen Monat vor der Wahl gab es erste Drohungen gegenüber Wahlhelfern, Republikaner-Anhänger zogen am Wahltag mit Flaggen vor einem Wahllokal auf. Trump hatte damals seine Anhänger aufgerufen, in die Wahllokale zu gehen und diese aufmerksam zu beobachten.

Die Lügen über vermeintliche Fälschung nach der Wahl 2020 werden von Trump-Anhängern (und ihm selbst) noch immer verbreitet und können den Boden für neue Kampagnen bilden.

«Wenn man den Leuten erlaubt, über frühere Wahlen zu lügen, schafft man die Voraussetzungen für die Behauptung, dass künftige Wahlen gestohlen werden», sagte der Mitverfasser des Berichts mit Empfehlen an soziale Netzwerke, Daniel Kreiss, leitender Forscher am Zentrum für Information, Technologie und öffentliches Leben an der Universität von North Carolina der «Washington Post». Und die ersten Anzeichen von Bedrohungen gibt es bereits. 20 Personen sind alleine im vergangenen März in den USA angeklagt worden, weil sie Wahlhelfer bedroht haben sollen.

Verwendete Quellen:

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31 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Musikuss
23.05.2024 05:45registriert September 2016
Es rächt sich nun, dass die Justiz Trump nach dem 6. Januar nicht sofort verhaftet und ihn wegen des Aufrufs zur Stürmung des Capitols des Landesverrates angeklagt haben. Jetzt haben Trumps Lügen das ganze Land vergiftet und werden eine faire Wahl verunmöglichen. Bewusstes Lügen unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit durchgehen zu lassen, ist eine Pervertierung des Freiheitsbegriffes und ist die wahre Ursache des gegenwärtigen Chaos in den USA.
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Voraus denken!
23.05.2024 07:01registriert März 2022
Das kommt dabei heraus, wenn man Rechtspopulisten gewähren lässt.

Denkt daran, bevor ihr das Kreuzchen bei den "gmögigen" machen wollt.
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Frank Kraschinsky-Rickenbacker
23.05.2024 06:28registriert Mai 2024
Die USA sind immer noch das Land der Freiheit und Demokratie. Jedoch muss man das nicht blind glauben. Viele Amerikaner müssen täglich ums überleben kämpfen, haben am Ende des Monats kein Geld aber Hunger. Die Kindersterblichkeitsrate ist gestiegen. Auf der anderen Seite haben private Unternehmen Milliarden auf der Seite, um auf die Regierung Einfluss zu nehmen oder eben Abgeordnete zu kaufen. Freiheit gilt für Leute mit Geld, wer kein Geld hat, lebt in den USA ein Leben eines Knechts, der den Launen des Herren oder des Marktes ausgesetzt ist.
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Seit Jahrtausenden, vermutlich seit der neolithischen Revolution, sind Frauen in fast allen menschlichen Gesellschaften schlechter gestellt als Männer. Bis in die jüngste Vergangenheit dominierte das Patriarchat als vermeintlich gott- oder naturgegebene Ordnung. Wohl zu allen Zeiten dürfte es Frauen gegeben haben, die den engen Spielraum auszuweiten suchten, den ihnen diese Ordnung zugestand.

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