Chuck Schumer mag nicht mehr über den ehemaligen Präsidenten sprechen. «Wir schauen nach vorn», sagte der führende Demokrat im Senat am Dienstag, als er auf dem Nachrichtensender CNN eine Frage über Joe Biden hätte beantworten sollen. Die Moderatorin wollte sich mit dieser Antwort nicht abfinden. Sie hakte nach. «That's it», gab Schumer zurück, was sich sinngemäss mit «mehr gibt es nicht zu sagen» übersetzen lässt.
Reporter: "You said in June of last year that Biden was in command and impressive. Were you being straight with the American public?"
— TheBlaze (@theblaze) May 13, 2025
Schumer: "We're just looking forward."
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Wenn es doch so einfach wäre. Denn auch ein halbes Jahr nach der vernichtenden Wahlniederlage der Demokraten drehen sich (zumindest in Washington) viele Gespräche immer noch um die Person Joe Biden. Und darüber, wie die Partei aus dem Tal der Tränen herausfinden kann, in das der ehemalige Präsident die Demokraten geführt hat.
Das hat zum einen damit zu tun, dass der 82 Jahre alte Ex-Präsident wieder ins Rampenlicht drängt. In den vergangenen Tagen gab Biden zwei Fernsehinterviews, in denen er einmal mehr behauptete, dass er Donald Trump erneut hätte besiegen können – wenn er vom Parteiestablishment nicht zum Rückzug gezwungen worden wäre.
Wichtiger aber ist wohl, dass zu Beginn der kommenden Woche ein Buch erscheint, das erstmals einen vollständigen Einblick in den körperlichen und geistigen Verfall von Joseph Robinette Biden Junior geben soll. Das Werk heisst auf Deutsch «Hybris», und wurde verfasst von den beiden Journalisten Alex Thompson («Axios») und Jake Tapper (CNN).
Erste Auszüge aus dem Buch erwecken den Eindruck, dass Bidens Umfeld schon Monate vor dem Sommer 2024 gewusst haben musste, dass der Demokrat den Anforderungen einer weiteren Amtszeit nicht gewachsen wäre. Weder seine Familie noch seine Einflüsterer hätten ihn aber zum Rückzug gedrängt.
Die Autoren zitieren anonyme Berater mit Anekdoten über die Aussetzer des Präsidenten. So soll Biden im Juni an einer Spendenveranstaltung in Los Angeles den Schauspieler George Clooney – mit dem er jahrelang befreundet war – nicht erkannt haben.
Biden, soeben vom G7-Gipfel in Italien zurückgekehrt, habe ausgesehen, «als sei er nicht mehr am Leben», zitieren die Autoren einen anonymen Hollywood-Star. «Hi, George», habe Biden gemurmelt, und jeder Zeuge dieses Vorfalls habe gewusst, dass der Präsident in diesem Moment keine Ahnung gehabt habe, dass er mit einem der berühmtesten Schauspieler der Welt spreche. (Clooney veröffentlichte im Juli einen Meinungsbeitrag in der «New York Times», mit dem er den Rückzug des Präsidenten beschleunigte.)
Andere Passagen, die bereits veröffentlicht wurden, sprechen über die Angst der Berater vor einem weiteren Sturz des Präsidenten. Biden müsse aufgrund seiner Gehstörungen vielleicht bald im Rollstuhl sitzen, befürchteten die Einflüsterer im Weissen Haus. (Dazu kam es nicht.) Auch ist im Buch nachzulesen, wie der stolze Präsident den Wahlkampf seiner designierten Nachfolgerin Kamala Harris zumindest indirekt sabotiert habe. «Eine Abscheulichkeit», zitieren die Autoren eine namenlose Quelle.
Interessant daran ist, dass Tapper und Thompson angeblich gegen 200 Menschen interviewt haben – die meisten dieser anonymen Auskunftspersonen aber erst nach der Niederlage von Harris bereit waren, Licht auf die Vorgänge im Weissen Haus zu werfen. Dieselben Menschen, die nun über Biden herziehen, waren also in der ersten Hälfte des Wahljahres 2024 damit beschäftigt, ein möglichst positives Bild des greisen Präsidenten zu zeichnen. Dazu gehörte auch Chuck Schumer. Biden habe während einer gemeinsamen Sitzung eine gute Figur gemacht, und sei energisch aufgetreten, liess sich der Senator noch im vorigen Juni zitieren.
Die Wählerinnen und Wähler glaubten diesen Aussagen schon damals nicht. Die Mehrheit der Amerikaner fand bereits vor Beginn des Wahlkampfes um das Weisse Haus, Biden solle auf eine zweite Amtszeit verzichten. Und zwar nicht, weil er manchmal den Faden verlor, oder einen Spruch machte, der vielleicht im Jahr 1942 lustig gewesen war – sondern weil der Präsident gegen seinen Konkurrenten Trump alt aussah.
Biden hielt sich nur derart lange im Rennen, weil er der einzige Politiker ist, der Trump jemals an der Urne besiegen konnte, in der Präsidentenwahl 2020. Und weil er sich starrsinnig an sein Amt klammerte, wider besseres Wissen. «Das ist durch nichts belegt», antwortete Biden vorige Woche in einer Talkshow auf die Frage, ob er an Altersschwäche leide.
Das ist die «Hybris», auf die der Titel des neuen Buches anspielt.
1: Viel zu lange an Joe Biden festgehalten
2: Danach überstürzt auf die unbeliebte Kamela Harris gesetzt (Weil alternativlos da man keinen Kandidaten/In aufgebaut hatte).
Und das Schlimmste daran:
Die Demokraten weigern sich weiterhin, die beiden Fehler aufrichtig einzugestehen.
Keine guten Vorzeichen, um es künftig besser zu machen.