Im Sommer 2019 hat Tucker Carlson die Welt vor einem Krieg bewahrt. Kurz nachdem iranische Streitkräfte eine amerikanische Drohne abgeschossen haben und Donald Trump einen Militärschlag gegen das Regime vorbereitet, geht der Moderator von Fox News auf Sendung. Vor einem Millionenpublikum warnt er in seiner Show «Tucker Carlson Tonight», ein Militärschlag wäre verheerend und könnte dem US-Präsidenten politisch schaden.
Einer der Zuschauer an diesem Abend: Donald Trump persönlich. Kurz darauf - die US-Kampfjets waren schon in der Luft - blies Trump den Angriff in letzter Minute ab. Einen neuen Krieg gab es nicht - aber eine neue Gewissheit: An Tucker Carlson führt in Amerika kein Weg vorbei. Wer das Ohr des US-Präsidenten hat, der hat Macht. Viel Macht.
Dabei landete Carlson, 52, vierfacher Familienvater und überzeugter Nicht-Trinker, nur durch Zufall in der bunten Welt des Fernsehens. Nachdem er als Jugendlicher kurze Zeit im Edel-Internat Collège du Léman am Genfersee die Schulbank drückte und in den USA einen Bachelor in Geschichte machte, wollte er eigentlich zum Auslandsgeheimdienst CIA. Doch die lehnten ab. «Geh in den Journalismus, die nehmen jeden», sagte ihm sein Vater.
Tucker folgte dem Rat, schrieb sich als Lokaljournalist quer durch die Gazetten der Vereinigten Staaten, landete beim «Wall Street Journal» und im Jahr 2000 schliesslich bei CNN. Sein Markenzeichen damals: eine viel zu klein wirkende Fliege, die er erst 2006 gegen die branchenübliche Krawatte tauschte.
Doch was üblich ist in der Branche, das interessierte Carlson nie. Ab 2009 stellte er sich in den Dienst von Fox News. Anfänglich als dauerlächelnder Showman in der Morgen-Sendung «Fox & Friends», ab 2016 dann mit seinem eigenen Format, der «Tucker Carlson Tonight»-Show. Dort zieht er allabendlich über Einwanderer und Abtreibungsbefürworter her, verbreitet krude Theorien zur Covid-Impfung oder der Todesursache von George Floyd und wirft US-Präsident Joe Biden vor, mit seiner Migrationspolitik den «Rassenmix im Land» verändern zu wollen. Brandgefährlich sei diese Rhetorik, findet die eine Hälfte Amerikas. Bitternötig sei sie, findet die andere. Und Tucker Carlson sitzt mit besorgtem Blick in der Mitte und dirigiert die Debatte nach Belieben.
Zu Spitzenzeiten hingen Carlson mehr als 5.3 Millionen Menschen live an den Lippen. Nach Trumps Abwahl sank die Quote auf durchschnittlich gut drei Millionen. Noch immer ist er der meistgeschaute Moderator der Vereinigten Staaten. Und noch immer gilt er als mächtigstes Sprachrohr des konservativen Amerikas.
Dabei unterscheidet sich Carlson stilistisch stark von seinen polternden Berufskollegen bei Fox News. Tucker Carlson ist wie ein Megafon im Flüsterton, dessen Phrasen in rhetorisch weicher Watte verpackt durch die Stuben des rechten Amerikas wummern und sich als Grundrauschen in den Köpfen von Millionen festsetzen. Sein Tonfall ist ruhig, seine Stirn meist in Falten gelegt, das volle Haar wuchtig zur Seite geföhnt.
Viele Anhänger hoffen darauf, dass Carlson sein Studio 2024 verlassen und als Präsidentschaftskandidat ins Rennen um das Weisse Haus steigen wird. Amazon führt die «Tucker Carlson 2024»-T-Shirts bereits im Sortiment. Und an Vorbildern, die als TV-Figuren zu Prominenz gelangten und dann ihre politischen Karrieren lancierten, daran mangelt es im Land von Ronald Reagan, Arnold Schwarzenegger und Donald Trump keineswegs.
Doch Carlson - wie sich das in diesem Stadium des Vor-Wahlkampfs ziemt - mimt den Desinteressierten. US-Präsident sei wohl «der unglücklichste Job der Welt», sagte er jüngst. Er bleibt lieber hocken, wo er ist: Mitten in der tiefen Spalte, die das Land so scharf durchzieht wie lange nicht mehr. (aargauerzeitung.ch)
Ihr beleidigt damit euren Job.