Donald Trump bestreitet weiter seine Niederlage bei der US-Präsidentenwahl und greift zu weiteren Klagen, um das Ergebnis der Abstimmung zu kippen. Im wichtigen Bundesstaat Pennsylvania greifen seine Anwälte die Stimmauszählung und das System der Briefwahl an. Trump bekräftigte in einer Serie von Tweets am Montag auch seine Betrugsvorwürfe zu der Wahl in Georgia, Nevada und Wisconsin. Es wurden nach wie vor keine Fälle von Wahlbetrug zu Gunsten des gewählten Präsidenten Joe Biden bestätigt.
«Nevada stellt sich als Jauchegrube falscher Stimmen heraus», schrieb Trump bei Twitter und versprach «absolut schockierende» Enthüllungen dazu. Twitter versah den Tweet des Präsidenten umgehend mit einem Warnhinweis, weil es sich um eine umstrittene Behauptung zur Wahl handele.
Trump schrieb ausserdem, dass er den Bundesstaat Georgia, in dem Biden vorne liegt, gewinnen werde - «so wie in der Wahlnacht». Biden hatte die Führung übernommen, nachdem die Briefwahlstimmen ausgezählt wurden. Der stellvertretende Gouverneur des Bundesstaates, der Republikaner Geoff Duncan, sagte am Montag im Fernsehsender CNN, ihm seien bisher keine nennenswerten Fälle von Wahlfälschung bekanntgeworden. Angesichts des knappen Ergebnisses ist ein Neuauszählung in Georgia sehr wahrscheinlich.
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Bemerkenswert auch Trumps Fall bei konservativen Medien: Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany unterstellte den Demokraten in einer Pressekonferenz am Montag, dass diese Betrug gutheissen würden. Der TV-Sender Fox News, der in den vergangenen Jahren auf der Seite des Präsidenten stand, schaltete daraufhin ab, weil die Vorwürfe nicht belegt seien.
FINALLY. @FoxNews cuts away from @PressSec Kayleigh McEnany as she makes unsubstantiated claims of voter fraud and illegality. @TeamCavuto: "...unless she has more details to back that up, I can't in good countenance continue to show you this..." pic.twitter.com/lhXaaZyD0K
— Amee Vanderpool (@girlsreallyrule) November 9, 2020
Zuvor hatte die ebenfalls zu Rupert Murdochs Medienimperium gehörende Zeitung «New York Post» den Sieg Bidens verkündet. Die «Post» stand zuvor immer auf Seiten des Präsidenten.
Noch-Präsident Trump hat seinen Verteidigungsminister Mark Esper entlassen. In einer schroffen Formulierung teilte der US-Präsident auf Twitter mit: «Mark Esper ist gekündigt», dankte ihm aber für seinen Dienst. Als kommissarischen Verteidigungsminister berief Trump den bisherigen Direktor des Nationalen Antiterror-Zentrums, Christopher Miller.
Gerüchte über eine Entlassung Espers gab es schon länger. Während Trump notfalls mit militärischer Gewalt gegen die Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung nach dem Tod von George Floyd vorgehen wollte, hatte sich Esper dagegen gewandt. Er ging so auf Distanz zu Trump.
Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, hat die Entlassung von Verteidigungsminister Mark Esper als Zeichen dafür gewertet, dass Präsident Donald Trump in den letzten Wochen seiner Amtszeit «Chaos säen» wolle. Die Demokratin Nancy Pelosi verwies auf Berichte, denen zufolge Trumps Schritt Vergeltung für Espers Weigerung gewesen sei, das Militär bei Unruhen im Inland einzusetzen. Diese Berichte bezeichnete Pelosi am Montag als «besorgniserregend». «Am beunruhigendsten ist jedoch, dass der Zeitpunkt dieser Entlassung ernsthafte Fragen zu Trumps geplanten Massnahmen für die letzten Tage seiner Amtszeit aufwirft.»
Am frühen Montagabend sorgte in den USA eine weitere Schlagzeile für reichlich Aufregung. Gemäss der Nachrichtenagentur AP habe der amerikanische Justizminister William Barr das Justizministerium autorisiert, bei stichhaltigen Beweisen eine Untersuchung der Wahlen zu starten.
Die Entrüstung war gross, gerade bei politischen Experten und Kommentatoren auf Twitter. Schnell tauchten Korruptionsvorwürfe und ähnliche Anschuldigungen auf. Scheinbar haben aber viele den Artikel der AP nicht genau gelesen, wie der Polit-Journalist Peter Hamby aufzeigte. Denn die Schlagzeile war deutlich schärfer formuliert, als Barr tatsächlich schrieb.
One lesson otherwise smart people have not learned in the Trump era: Read the fucking article before sharing.
— Peter Hamby (@PeterHamby) November 10, 2020
Barr schrieb, dass «Untersuchungen durchgeführt werden können, wenn es klare und scheinbar glaubwürdige Behauptungen über Unregelmässigkeiten gibt, die, wenn sie wahr sind, möglicherweise das Ergebnis einer Bundeswahl in einem einzelnen Bundesstaat beeinflussen könnten», heisst es in dem Artikel. Nichts Neues also, oder lediglich ein bisschen PR für Trump, wie ein Twitter-Nutzer kommentierte.
Trotzdem: Normalerweise dürfen Staatsanwälte erst tätig werden, sobald Endergebnisse vorliegen. Das könnte nach der Wahl vom 3. November, je nach örtlicher Rechtslage, noch Tage oder Wochen dauern. Die Bundesstaaten müssen ihre beglaubigten Endergebnisse bis spätestens 8. Dezember nach Washington gemeldet haben.
Ok, falls es also wirklich aus ist für Trump, erwägt er laut einem Medienbericht eine Kandidatur bei der nächsten Präsidentenwahl im Jahr 2024. Trump habe darüber mit seinen Beratern gesprochen, schrieb die Website «Axios» am Montag unter Berufung auf informierte Personen.
Scoop: President Trump had already told advisers he's thinking about running for president again in 2024. https://t.co/XmdzNfN8N5
— Jonathan Swan (@jonathanvswan) November 9, 2020
(Wenn wir schon bei «Axios» sind ... mögt ihr euch noch an das legendäre Trump-Interview von Jonathan Swan erinnern?)
Der Amtsinhaber hat immer noch nicht die Niederlage bei der Präsidentenwahl gegen Joe Biden vergangene Woche eingestanden. In den USA kann eine Person zwei Amtszeiten lang Präsident sein, egal ob diese aufeinander folgen oder nicht.
Mit einer Kandidatur 2024 würde Trump eine zentrale Figur in der Republikanischen Partei bleiben, die er in den vergangenen Jahren weitgehend unter seine Kontrolle gebracht hat. Zugleich könnte er damit weiter Spenden für einen Wahlkampf einsammeln. Als Kandidat für die Wahl 2020 hatte sich Trump gleich bei seinem Amtsantritt 2017 angemeldet.
Falls ihr es nicht mitbekommen habt: Am Montag gab es womöglich sehr gute Neuigkeiten in Bezug auf einen Corona-Impfstoff des Pharmakonzerns Pfizer.
Zufall, dass diese Neuigkeiten just am Tag nach dem entscheidenden Wahlwochenende bekanntgegeben wurde? Gemäss Trump nicht, er hatte die Bekanntgabe als politisch motiviert dargestellt. Pfizer «hatte nicht den Mut», die guten Nachrichten vor der Wahl bekanntzugeben, kritisierte Trump am Montagabend.
Trump kritisierte in seinem Tweet auch die für die Zulassung zuständige Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA) seiner Regierung. Die FDA hätte die Ergebnisse früher bekanntmachen sollen, klagte er. «Nicht aus politischen Gründen, sondern um Leben zu retten», schrieb Trump. Er hatte während des Wahlkampfs immer wieder versprochen, dass es noch vor der Abstimmung gute Neuigkeiten zu Impfstoffen geben werde – und sich davon offenbar politischen Rückenwind erhofft.
As I have long said, @Pfizer and the others would only announce a Vaccine after the Election, because they didn’t have the courage to do it before. Likewise, the @US_FDA should have announced it earlier, not for political purposes, but for saving lives!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) November 10, 2020
«Die FDA und die Demokraten wollten nicht, dass ich vor der Wahl einen Impfstoff-Erfolg habe, deswegen kam es fünf Tage später raus», schrieb Trump auf Twitter weiter. Die FDA seiner Regierung wird von Stephen Hahn geleitet, den der Republikaner Trump selbst ernannt hat.
Bisher gratulierten aufseiten der Republikaner nur vier Senatoren Biden zum Wahlsieg: Mitt Romney, Lisa Murkowski, Susan Collins und Ben Sasse. Sie waren schon vorher als Abweichler bekannt – und könnten für Biden als Präsident eine wichtige Rolle spielen, falls die Republikaner die Kontrolle über den Senat behalten sollten.
Entscheidend dafür dürften Stichwahlen für die beiden Senatssitze in Georgia Anfang Januar werden. Die republikanischen Amtsinhaber David Perdue und Kelly Loeffler forderten den Staatssekretär des Bundesstaates nach dem Wahlergebnis zum Rücktritt auf, weil die Abstimmung schlecht organisiert gewesen sei.
Dieser wies die Vorwürfe zurück. Es habe in Georgia sicherlich Fälle illegaler Stimmabgabe gegeben, schrieb Staatssekretär Brad Raffensperger bei Twitter. Aber es sei unwahrscheinlich, dass sie ein Ausmass gehabt hätten, das ausgereicht hätte, damit Trump den Bundesstaat gewinnen könnte.
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.
Wie ist das eigentlich in den USA? Dürfen vorbestrafte kandidieren?
Vielleicht macht er ja noch Ferien im orangenen Overall.