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US-Militär unterschätzt bei Drohnenkrieg zivile Opfer

US-Militär hat bei Zahlen zu zivilen Opfern «deutlich untertrieben»

19.12.2021, 04:02
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Einem Medienbericht zufolge haben die USA bei ihrem Drohnenkrieg im Nahen Osten verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung fahrlässig in Kauf genommen. Die «New York Times» berichtete am Samstag, dass eine Reihe vertraulicher Regierungsdokumente mit mehr als 1'300 Berichten über zivile Opfer die Darstellung der Regierung über einen Krieg mit «Präzisionsschlägen» gegen Dschihadisten widerlege.

FILE - In this Sunday, Aug. 29, 2021 file photo, Afghans inspect damage of Ahmadi family house after U.S. drone strike in Kabul, Afghanistan. The Pentagon retreated from its defense of a drone strike  ...
Im August wurden in Afghanistan fälschlicherweise nur Zivilisten bei einem Drohnenangriff getötet.Bild: keystone

Innerhalb von fünf Jahren hat die US-Armee mehr als 50'000 Luftangriffe in den drei Ländern geflogen. Sie hat zugegeben, dass sie seit 2014 bei Luftangriffen in Syrien und im Irak versehentlich 1417 Zivilisten getötet hat. In Afghanistan liegt die offizielle Zahl bei 188 seit 2018 getöteten Zivilisten. Die Recherchen der Zeitung zeigten jedoch, dass die vom Pentagon zugegebenen Zahlen «deutlich untertrieben» seien.

Demnach lagen die US-Streitkräfte mit ihren Einschätzungen über Ziele von Luftangriffen häufig daneben. Menschen, die zu einem bombardierten Ort liefen, wurden als Kämpfer der Gruppe «Islamischer Staat» und nicht als Helfer gesehen. «Einfache Motorradfahrer» wurden als «in Formation» fahrend identifiziert, was als «Zeichen» eines bevorstehenden Angriffs interpretiert wurde.

Den Pentagon-Dokumenten zufolge machten Fehlidentifizierungen nur vier Prozent der Fälle mit zivilen Opfern aus. Die von der «Times» durchgeführte Feldstudie zeigte jedoch, dass es in 17 Prozent der untersuchten Vorfälle Fehler gab und fast ein Drittel der zivilen Toten und Verletzten auf diese zurückging.

Schlechte Bildqualität oder zu kurze Beobachtungsdauer trug auch zu Fehleinschätzungen bei der Überprüfung von Berichten ziviler Opfer bei. Von den 1311 Fällen, die von der «New York Times» untersucht wurden, wurden nur 216 vom Pentagon als «glaubwürdig» eingestuft. Berichte über zivile Opfer wurden demnach zurückgewiesen, weil auf den Videos keine Leichen in den Trümmern zu sehen waren oder weil die Dauer der Aufnahmen nicht ausreichte, um Schlussfolgerungen zu ziehen.

Ein Sprecher des Zentralkommandos sagte der Zeitung, dass «selbst bei der besten Technologie der Welt Fehler passieren, sei es durch falsche Informationen oder durch eine Fehlinterpretation der verfügbaren Informationen». Das Militär tue «alles, um Schaden zu vermeiden». Es untersuche jeden «glaubwürdigen» Fall. «Wir bedauern jeden Verlust eines unschuldigen Lebens». (saw/sda/afp)

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21 Kommentare
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Kommissar Rizzo
19.12.2021 07:12registriert Mai 2021
Hier werden jetzt gleich wieder die Schönfärber ihre Relativierungen und Rechtfertigungen abliefern. Fakt ist: die USA begehen Verbrechen am Laufband und es ist daher kein Wunder, werden sie in vielen Ländern gehasst.
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BigDaddy
19.12.2021 06:52registriert Juni 2018
Mal ehrlich, hat jemand tatsächlich geglaubt, dass die offiziell angegebenen Zahlen der Kollateralschäden von kriegsführenden Nationen stimmen?
Also einiges sollten wir doch aus der Geschichte gelernt haben...
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Loose Unit
19.12.2021 05:21registriert Oktober 2020
Wo gehobelt wird fliegen halt Späne – zynischer geht es nimmer. Diese Angriffe sind allesamt illegal weil das UNO Gewaltverbot missachtet wird. Es wäre besser die NYT würde sich aktiv für die Freilassung von Julian Assange einsetzten.
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