Wie kontrovers Donald Trumps Präsidentschaft war, lässt sich an der Liste der Amtsenthebungsverfahren in den USA ablesen: Erst vier solche Impeachment-Verfahren wurden seit dem Jahr 1868 vom Repräsentantenhaus gegen Präsidenten eröffnet, zwei davon gegen Trump – schon alleine dafür geht der 45. Präsident der USA in die Geschichtsbücher ein.
Etwas mehr als ein Jahr nach dem Freispruch in seinem ersten Verfahren – und 20 Tage nach seinem Ausscheiden aus dem Amt – nimmt der Senat an diesem Dienstag die Verhandlungen gegen den Republikaner auf. Das Ergebnis scheint nach jetzigem Stand schon klar – ganz unabhängig von der Schuldfrage.
In der Anklage des Repräsentantenhauses, die von den Demokraten und zehn Republikanern in der Kammer verabschiedet wurde, wird Trump «Anstiftung zum Aufruhr» vorgeworfen. Hintergrund ist die Erstürmung des Kapitols durch Anhänger des damaligen Präsidenten am 6. Januar. Die Krawalle sandten Schockwellen durch Amerika und die Welt. Unmittelbar vor dem Angriff auf den Kongress, der zu dem Zeitpunkt den Sieg des Demokraten Joe Biden offiziell machen wollte, hatte Trump bei einer Kundgebung seine unbelegten Behauptungen wiederholt, dass ihm der Sieg durch Wahlbetrug «gestohlen» wurde – und er hatte seine Unterstützer unmissverständlich zum Kampf aufgerufen.
Aus Sicht der Demokraten ist die Sache klar: Trump sei eine Bedrohung für die Nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung, heisst es in der Anklageschrift. Deswegen müsse er nicht nur vom Senat verurteilt, sondern künftig für alle Ämter auf Bundesebene gesperrt werden – eine etwaige Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2024 würde ihm damit verwehrt.
Die Republikaner fanden sich in einer heiklen Situation wieder: Führende Parteivertreter im Kongress haben Trump zwar eine Mitverantwortung für den Angriff gegeben, den sie am eigenen Leibe erlebt haben. Sie schrecken aber davor zurück, sich offen gegen Trump zu stellen – weil das seine vielen Anhänger verprellen und die eigenen Wiederwahlchancen schmälern dürfte.
Viele republikanische Senatoren setzen nun auf einen Balanceakt: Die allermeisten von ihnen argumentieren, dass das Verfahren an sich nicht zulässig sei, weil Trump gar nicht mehr im Amt ist. Sie dürften darauf hoffen, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Vorwürfen vermeiden zu können.
45 der 50 Republikaner im Senat unterstützten kürzlich einen Antrag aus den eigenen Reihen, mit dem das Verfahren für verfassungswidrig erklärt werden sollte. Das reichte zwar nicht dafür, dessen Fortgang zu verhindern.
Das Stimmverhalten machte aber deutlich, dass die für eine Verurteilung notwendige Zweidrittelmehrheit im Senat nicht absehbar ist – dafür müssten 17 Republikaner mit den 50 Demokraten im Senat votieren.
Tatsächlich ist unter Juristen umstritten, ob das Verfahren gegen einen Ex-Präsidenten im Einklang mit der Verfassung steht. Der Wissenschaftliche Dienst des Kongresses kommt allerdings zu dem Schluss, dass die meisten Gelehrten es für zulässig halten. Nicht zuletzt gibt es einen Präzedenzfall: US-Kriegsminister William Belknap trat 1876 unmittelbar vor der Abstimmung über die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens im Repräsentantenhaus zurück, um dem Prozess zu entgehen. Der Senat nahm das Verfahren trotzdem auf.
Die Ankläger des Repräsentantenhauses argumentieren jetzt, dass es nicht im Sinne der Urheber der Verfassung gewesen sein könne, die Nation «gegen den Verrat eines Präsidenten in seinen letzten Tagen» wehrlos zu lassen. «Ein Präsident muss sich umfassend für sein Verhalten im Amt von seinem ersten bis zu seinem letzten Tag im Amt verantworten», heisst es in ihrer 80-seitigen Stellungnahme. Die Anklagevertreter verweisen auch darauf, dass die Eröffnung des Verfahrens beschlossen wurde, als Trump noch im Amt war.
Trumps Verteidiger in dem Verfahren stehen erst seit vorvergangenem Sonntag fest. Der Sender CNN berichtete, das ursprünglich vorgesehene Team habe hingeschmissen, weil Trump verlangt habe, dass die Anwälte sich auf seine unbelegten Wahlbetrugsvorwürfe konzentrieren - statt die Rechtmässigkeit des Verfahrens in Frage zu stellen. Die Zeit für die Stellungnahme der neuen Verteidiger Bruce Castor und David Schoen war also knapp bemessen, worauf auch ein Rechtschreibfehler («Unites States Senate») gleich zu Beginn der 14 Seiten hindeuten mag.
Castor und Schoen argumentieren ebenfalls, dass das Verfahren gegen einen Ex-Präsidenten – und damit gegen eine Privatperson – verfassungswidrig sei. Sie stellen aber zudem in Abrede, dass Trump den Mob überhaupt aufgestachelt habe, was im Widerspruch zu Aussagen führender Republikaner steht. Trump hatte bei der Kundgebung unter anderem gesagt: «Wenn Ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet Ihr kein Land mehr haben.» Die Anwälte argumentieren nun, Trump habe damit nur die Notwendigkeit betont, «für die Sicherheit von Wahlen generell» zu kämpfen. Sie sehen Trumps Ansprache ausserdem durch das in der Verfassung verankerte Recht auf Redefreiheit gedeckt.
Trumps Wahlbetrugsvorwürfe haben nun ebenfalls Eingang in die Verteidigung seiner neuen Anwälte gefunden, auch wenn sie sich diese nicht zu eigen machen. «Es gibt nicht genügend Beweise, aus denen ein vernünftiger Jurist schliessen könnte, dass die Aussagen des 45. Präsidenten richtig waren oder nicht, und er bestreitet daher, dass sie falsch waren», schreiben sie in ihrer Stellungnahme. Das Online-Magazin Slate nennt das die «verrückteste Verteidigung: Trump denkt, dass er gewonnen hat, also ist er unschuldig». (sda/dpa)
Jagshemash!
2. wenn trump sein verhalten kurz vor dem ende seiner amtszeit nicht verantworten muss, wird damit ein "präjudiz" fall erzeugt, der abgewählte präsidenten alles erlaubt. gut, es bleibt ein politisches verfahren. die reps zeigen aber, dass sie an gerechtigkeit kein interesse haben. die dems tun gut daran, ihre mehrheiten im kongress auszunutzen.