International
USA

USA: Secret-Service-Chefin nach Trump-Attentat im Kreuzfeuer der Kritik

U.S. Secret Service Director Kimberly Cheatle testifies before the House Oversight and Accountability Committee about the attempted assassination of former President Donald Trump at a campaign event i ...
Kimberly Cheatle wurde während der Anhörung hart angegangen.Bild: keystone

«Sollte wieder Doritos bewachen»: Vernichtende Kritik an Secret-Service-Chefin

Nach dem Attentat auf Ex-Präsident Donald Trump räumt Secret-Service-Chefin Kimberly Cheatle ein Versagen des Dienstes ein – lässt aber viele Fragen unbeantwortet.
23.07.2024, 04:00
Mehr «International»

In einer stundenlangen Anhörung im US-Kongress verwies Cheatle häufig auf laufende Ermittlungen. Rücktrittsforderungen wies sie zurück. Eine Übersicht zu den wichtigsten Punkten und Aussagen während der Anhörung.

Cheatle lässt wichtige Fragen offen

Der Schütze konnte sich unbehelligt auf einem Dach in der Nähe der Veranstaltung in Position bringen. Eine der drängendsten Fragen, weshalb dieses Dach nicht gesichert wurde, konnte oder wollte Cheatle nicht beantworten. Der 20-jährige Attentäter hatte freie Sicht auf die Bühne mit Trump und konnte mehrere Schüsse abgeben. Er wurde danach von einem Scharfschützen des Secret Service getötet. Eine seiner Kugeln traf Trump am Ohr, ein Teilnehmer der Kundgebung wurde getötet und zwei weitere verletzt. Sie habe sich persönlich bei Trump entschuldigt, sagte Cheatle.

Widersprüche bei Schutz-Strategie

Das Gebäude, von dem die Schüsse fielen, war rund 183 Meter von Trumps Bühne entfernt, wie Cheatle sagte. Es lag ausserhalb der vom Secret Service geschützten Sperrzone.

Stattdessen seien im Inneren des flachen Firmengebäudes Beamte der örtlichen Sicherheitsbehörden postiert worden, sagte Cheatle. Ausserdem sollte es von oben beobachtet werden – auf welche Weise genau, liess sie offen. Auch auf einem Wasserturm in der Nähe seien keine Mitarbeiter des Secret Service gewesen, räumte sie ein.

Zuvor hatte Cheatle in einem Interview gesagt, dass Schrägdach des Firmengebäudes sei als zu steil eingestuft worden, um Beamte darauf zu positionieren. Abgeordnete verwiesen darauf, dass das Dach hinter Trumps Bühne, auf dem Secret-Service-Scharfschützen sassen, noch steiler gewesen sei.

Mehrere Hinweise auf den Schützen vor Attentat

Die Secret-Service-Chefin räumte auch ein, dass es «zwei bis fünf» Hinweise auf den späteren Schützen gegeben habe, der unter anderem mit einem Entfernungsmesser aufgefallen sei.

Sie betonte jedoch, dass der Dienst zwischen verdächtig wirkenden Personen und klaren Bedrohungen unterscheide. Ein Rucksack oder ein Entfernungsmesser machten jemanden nicht automatisch zur Gefahr. Der Attentäter sei erst wenige Sekunden vor den Schüssen als Bedrohung eingestuft worden, sagte sie. Im Bereich ausserhalb der Sicherheitssperrzone war wie vielerorts in den USA das offene Tragen von Waffen erlaubt.

Der Secret Service ist in den USA für den Schutz ranghoher Politiker zuständig, darunter amtierende und frühere Präsidenten. Aktuell werden 36 Personen von der Behörde bewacht – sie ist auch bei Besuchen von Amtsträgern aktiv.

Republikaner wittern Verschwörung

Trump, der für die Republikaner im November wieder ins Weisse Haus einziehen will, war am 13. Juli bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Pennsylvania verletzt worden. Er sagte später, er habe kurz vor dem ersten Schuss den Kopf gedreht. Die Kugel streifte sein rechtes Ohr. Danach warfen sich Leibwächter des Secret Service auf ihn.

Einige Abgeordneten der Republikaner versuchten sich bei der Anhörung im Aufsichtsausschusses im Repräsentantenhaus am Montag in Verschwörungstheorien. «Was vertuschen sie?», fragte etwa Lisa McLain aus Michigan Cheatle. «Gab es eine Verschwörung, Präsident Trump zu töten?», wollte die rechte Republikanerin Marjorie Taylor Greene von ihr wissen. «Absolut nicht», antwortete die Secret-Service-Chefin.

Zugleich liess Cheatle unter anderem Fragen dazu unbeantwortet, wie der Schütze aufs Dach kam – und wie viele Patronenhülsen dort gefunden wurden.

Republikaner mit heftigen Angriffen auf Cheatle

In dem oft entlang der politischen Trennlinien gespaltenen Ausschuss waren sich viele Republikaner und Demokraten diesmal einig, dass Cheatle nach dem Attentat zurücktreten müsse. Sie konterte, dass sie aus ihrer Sicht aktuell die beste Person sei, um den Dienst zu führen. Es werde eine gründliche Untersuchung und Konsequenzen geben. Die Ermittlungen dürften allerdings um die zwei Monate dauern.

Abgeordnete beider Parteien zeigten sich ungemein frustriert von Cheatles Antworten. Der republikanische Abgeordnete Pat Fallon rief ihr entgegen:

«Sie sollten sofort gefeuert werden und wieder Doritos bewachen.»

Die Erwähnung der Chips-Marke war eine Anspielung auf Cheatles zwischenzeitlichen Job als Sicherheitschefin beim Getränke- und Snackriesen PepsicCo. Sie war nach 27 Jahren beim Secret Service in die Wirtschaft gewechselt, bevor sie im September 2022 zur Chefin der Behörde berufen wurde. Die Republikanerin Anna Paulina Luna warf Cheatle vor, bei der Anhörung unter Eid nicht die Wahrheit gesagt zu haben.

Cheatle: «Schwerstes operatives Versagen seit Jahrzehnten»

Cheatle bezeichnete die Attacke als schwerstes operatives Versagen des Secret Service seit Jahrzehnten. Der Vorsitzende des Aufsichtsausschusses im Repräsentantenhaus, der Republikaner James Comer, sagte, dass der Angriff zu verhindern gewesen sei. Sein demokratischer Vize Jamie Raskin verwies unterdessen darauf, dass Schusswaffen-Angriffe in Amerika zu häufig passierten. Man habe nur geglaubt, dass wenigstens die vom Secret Service Beschützten vor Waffengewalt sicher seien, während das die Alltagsrealität für gewöhnliche Amerikaner sei. (sda/dpa/con)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Trump gelobte «Versöhnung» – und die Republikaner so
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
40 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
N. Y. P.
23.07.2024 06:05registriert August 2018
Das Gebäude, von dem die Schüsse fielen, war rund 183 Meter von Trumps Bühne entfernt, wie Cheatle sagte. Es lag ausserhalb der vom Secret Service geschützten Sperrzone.

Stattdessen seien im Inneren des flachen Firmengebäudes Beamte der örtlichen Sicherheitsbehörden postiert worden, sagte Cheatle.

Wie dumm ist diese Frau eigentlich. Sie kappiert es einfach nicht. Ein Fünfjähriger weiss, dass man mögliche Standorte für Schützen definieren muss und nicht einfach einen Umkreis von 150 m als Sicherheitszone definieren kann.

Ich bin sprachlos. Wie hat sie es geschafft, diesen Posten zu kommen.
5817
Melden
Zum Kommentar
avatar
Schlumpfieschen
23.07.2024 06:17registriert April 2015
« Im Bereich ausserhalb der Sicherheitssperrzone war wie vielerorts in den USA das offene Tragen von Waffen erlaubt.» Ein wichtiger Satz. Es ist einfach scheinheilig von den Republikaner:innen zu jammern, dass ein Schütze so nahe zu Trump gelangte. Wieso sollte sich der Secret Service um einen Waffenträger kümmern, wenn er ausserhalb der Sicherheitszone eine Waffe dabei hatte? Ist ja erlaubt und von den Reps so gewollt. Oder gilt das etwa nur, wenn es nicht Trump trifft?
6334
Melden
Zum Kommentar
avatar
Müller Lukas
23.07.2024 07:32registriert August 2020
Sie gibt selbst zu, dass es sich um das schwerste Versagen seit Jahrzehnten handelt, und lehnt den Rücktritt trotzdem ab?
Was genau müsste denn noch passieren, damit diese Frau Verantwortung übernimmt? 🙈
338
Melden
Zum Kommentar
40
«Das ist unmenschlich!»: Schwere Vorwürfe in der Syrien-«Arena» – und mittendrin ein Syrer
Diktator Baschar al-Assad ist gestürzt. Und jetzt? Syrer zurückschaffen, findet die SVP. Unmenschlich, finden die anderen. Für die Politiker in der SRF-«Arena» ist die Diskussion ein Polit-Theater von vielen. Für Syrer Husam Kelzi wird über seine Zukunft entschieden. Eine quälende Sendung.

Verfolgung, Unterdrückung, Überwachung, Folter, Mord. So sah das Leben für Syrerinnen und Syrer unter Diktator Baschar al-Assad aus. 24 Jahre lang. Rechnet man hinzu, dass davor sein Vater Hafiz al-Assad über Syrien herrschte, ergibt sich eine Schreckensherrschaft von 57 Jahren.

Zur Story