International
USA

Es kommt zum Showdown zwischen Trump und Biden

Riskanter Showdown zwischen Biden und Trump

Der US-Präsident ist entschlossen, endlich Klartext zu reden: Mehr denn je attackiert er Donald Trump. Doch die Strategie ist hochriskant.
01.09.2022, 20:52
Bastian Brauns / t-online
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Eigentlich wollte sich Joe Biden diese Woche in Wilkes-Barre im Bundesstaat Pennsylvania dazu äussern, wie er die Schusswaffengewalt in den USA bekämpfen will. Doch dann drohte der US-Präsident seinen politischen Gegnern ausgerechnet mit Kriegsrhetorik.

President Joe Biden points before boarding Air Force One at Wilkes-Barre Scranton International airport, Tuesday, Aug. 30, 2022, in Avoca, Pa. (AP Photo/Evan Vucci)
Joe Biden
Joe Biden teilt scharf gegen Rechtsextreme aus.Bild: keystone

Er habe eine Botschaft für jene «mutigen rechten Amerikaner», die vorgeben, es gehe ihnen nur um Unabhängigkeit und Sicherheit im Land, sagte Biden. Wenn jene Leute glaubten, unter diesem Vorwand die Vereinigten Staaten bekämpfen zu können, dann bräuchten sie «etwas mehr als eine Handfeuerwaffe». Biden sagte, sie würden dann schon «eine F-15 benötigen», also ein Kampfflugzeug.

Es ist nicht das erste Mal in letzter Zeit, dass der US-Präsident ungewöhnlich scharf und aggressiv vor allem gegen Rechtsextremisten und Trumps Anhängerschaft austeilt. Biden scheint es mit Trump und seiner Ideologie aufnehmen zu wollen.

Nur wenige Meilen vom Stadtzentrum Washingtons entfernt, hielt der US-Präsident vor einigen Tagen ebenfalls eine bemerkenswerte Rede. Vor Vertretern seiner eigenen Partei schlug Joe Biden westlich des District of Columbia, in dem kleinen Vorort Bethesda, einen neuen, einen deutlichen Ton gegenüber den Republikanern an.

Wenige Monate vor den wichtigen Zwischenwahlen im November, bei denen die Sitze in beiden Kammern des Kongresses neu verteilt werden, geht es für den Präsidenten um alles. Und es geht Joe Biden dabei um eine finale Auseinandersetzung mit seinem Amtsvorgänger Donald Trump, der womöglich kurz vor der Bekanntgabe einer erneuten Kandidatur steht.

«Was wir derzeit sehen, ist entweder der Beginn oder die Totenglocke einer extremen MAGA-Philosophie. Es ist nicht nur Trump. Es ist die gesamte Philosophie», sagte Joe Biden, der in seinen Reden kaum jemals den Namen seines Vorgängers erwähnt.

Trumps Erfindung, eben jene «Make America Great Again»-Philosophie, bezeichnete Biden vor seinen demokratischen Zuhörern als «semi-fascism», als Halb-Faschismus. Auf einer weiteren Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Maryland sagte er einen Tag später noch: «Ich respektiere konservative Republikaner. Ich respektiere diese MAGA-Republikaner nicht.»

Abteilung Attacke aus dem Weissen Haus

Seither diskutiert Amerika, ob diese Attacke taktisch klug war oder nicht. Kritiker verweisen auf eine Äusserung Hillary Clintons aus ihrem Präsidentschaftswahlkampf von 2016. Sie hatte die Hälfte von Trumps Anhängern als «Basket of Deplorables», als einen Haufen von Erbärmlichen bezeichnet. «Sie sind rassistisch, sexistisch, homophob, fremdenfeindlich, islamfeindlich», sagte sie damals. Clinton selbst schrieb in ihrem Buch «What Happened», dass dieser Satz ein Grund für ihre Wahlniederlage gewesen sei.

Doch das ist sechs Jahre her. Seither hat sich viel getan in den Vereinigten Staaten. Die Trumpisten haben sich weiter radikalisiert. Rechtsradikale Gruppierungen wie die «Proud Boys», die «Oath Keepers» oder die «Patriot Front» verbreiten Angst. Der Sturm auf das Kapitol und die zahlreichen laufenden Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten Donald Trump sind beinahe täglich das politische Hauptthema. Grund genug für viele Unterstützer Joe Bidens, endlich Klartext zu reden.

FILE - Former President Donald Trump speaks at the Road to Majority conference Friday, June 17, 2022, in Nashville, Tenn. As more details emerge about the Georgia investigation into possible illegal a ...
Donald Trump verlangte Neuwahlen. Bild: keystone

Tatsächlich haben die Worte des US-Präsidenten eine neue Qualität. Joe Biden, der Versöhner, der Respekt sonst stets für alle einfordert, erklärt, er habe keinen Respekt für Halb-Faschisten. Für die einen ist das eine notwendige Selbstverständlichkeit. Für andere ist es ein Affront, der das Land weiter spalten könnte. Die Entscheidung im Weissen Haus aber scheint gefallen zu sein: Für Biden und seine Demokraten ist die Zeit von vorsichtiger Ängstlichkeit und anbiedernder Versöhnung vorbei. Getragen von plötzlich immer besseren Umfragewerten, schwenken sie um auf Attacke. Von 37.5 Prozent im Juli schnellte die Zustimmung für Biden innerhalb weniger Wochen auf 42 Prozent.

Was Biden mit seiner Wortschöpfung «Semi-Faschismus» meint, dürfte jedem geläufig sein, der die Entwicklungen in der Republikanischen Partei verfolgt. Die Grand Old Party (GOP) ist auf ihre Galionsfigur Donald Trump zugeschnitten. Noch nie in ihrer Geschichte hat eine Figur sie so dominiert. Abweichler wie etwa die konservative, aber Trump-kritische Liz Cheney werden gnadenlos aussortiert und durch Trumpisten ersetzt.

Vorbereitungen auf einen Bürgerkrieg?

Aktuelle Veröffentlichungen von geleakten Videos und Fotos von der Trump-freundlichen, sogenannten «Patriot Front» zeigen, wie sich das extrem rechte Spektrum auf bürgerkriegsartige Zustände vorzubereiten scheint. Kampftrainings und Marschübungen mit Schutzschilden und Nazisymbolen. Vonseiten der meisten Republikaner und erst recht der Trumpisten werden derlei Auswüchse wie so oft schweigend ignoriert und damit still geduldet.

Flankiert werden solche paramilitärisch-gewalttätigen Vorbereitungen, die an den Sturm aufs Kapitol erinnern, immer wieder von Äusserungen aus der ersten Reihe der Republikaner. Zuvorderst durch Donald Trump. Obwohl der Ex-Präsident in einem Wochenend-Posting auf seiner eigenen Social-Media-Plattform «Truth» seine Worte sorgsam wählte, war seine Botschaft deutlich: Die Beamten des derzeit mit Ermittlungen gegen ihn betrauten FBI sollten nicht weniger als meutern. «Wann werden die grossartigen Agenten und andere im FBI sagen: 'Wir werden das nicht mehr hinnehmen?'», fragte Trump rhetorisch.

In einem weiteren Posting forderte er seine sofortige Wiedereinsetzung als Präsident oder sofortige Neuwahlen. «Verkünden Sie den rechtmässigen Gewinner oder halten Sie JETZT Neuwahlen ab!» Schuld an der vermeintlich gefälschten Wahl 2020 seien etwa das FBI oder der Digitalkonzern Meta, zu dem Facebook gehört. Dessen Chef Mark Zuckerberg habe gezielt eine Enthüllungsgeschichte über Joe Bidens Sohn Hunter unterdrückt.

Trump steht wegen der derzeitigen Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft unter Druck wie lange nicht. Dass der Ex-Präsident zahlreiche «Top Secret»-Dokumente einfach geklaut und auf seinem Anwesen in Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida gelagert und auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht herausgerückt hat, könnte ihm womöglich tatsächlich eine Anklage einhandeln.

This image contained in a court filing by the Department of Justice on Aug. 30, 2022, and redacted by in part by the FBI, shows a photo of documents seized during the Aug. 8 search by the FBI of forme ...
Vom FBI beschlagnahmte Dokumente.Bild: keystone

Riskant für das ganze Land

Einer seiner vehementen Unterstützer, der Senator Lindsey Graham, schürte dazu gezielt die Angst vor Volksaufständen, sollte Trump wirklich angeklagt werden. In einem Interview beim Sender Fox News sagte der Mann, der vor kurzem mit dem CDU-Chef Friedrich Merz gemeinsam in Deutschland auftreten sollte: «Wenn es eine Anklage gegen Donald Trump wegen Missbrauchs geheimer Informationen nach dem Clinton-Debakel gibt … wird es Aufstände in den Strassen geben.» Graham spielte dabei auf zahlreiche E-Mails der ehemaligen Aussenministerin Hillary Clinton an, die diese einst von einer nicht-offiziellen Privatadresse verschickte hatte und dafür nicht angeklagt wurde. Donald Trump verbreitete ein Video dieses Graham-Interviews dann sogleich auf seinem «Truth»-Profil.

Die Angst vor Aufständen, ja vor einem echten Bürgerkrieg, ist in den USA immer wieder gemessen worden. Zuletzt hatte eine Umfrage von YouGov ergeben, dass 43 Prozent der Amerikaner glauben, ein Bürgerkrieg im kommenden Jahrzehnt sei sehr wahrscheinlich oder einigermassen wahrscheinlich. Anhänger der Republikaner erwarten demnach ein solches Szenario deutlich eher als Demokraten: 54 Prozent von ihnen glauben, ein Bürgerkrieg sei sehr wahrscheinlich oder einigermassen wahrscheinlich. 65 Prozent der Befragten sind überdies der Meinung, dass die politisch motivierte Gewalt seit 2021 zugenommen habe.

Experten erwarten zwar keinen echten Bürgerkrieg, wie den Civil War. Im Sezessionskrieg, aus dem im 19. Jahrhundert die heutigen Vereinigten Staaten hervorgingen, kämpfte die Konföderation der vereinigten Südstaaten gegen die Nordstaaten. Stattdessen wächst heute mit der Spaltung die Sorge vor immer wieder aufflammenden, bewaffneten Unruhen. So hochgerüstet, wie die Privathaushalte in den USA sind, wäre das Risiko eines Flächenbrandes zumindest nicht klein.

Duell in Pennsylvania

Die Sorgen der Demokraten vor solchen Szenarien scheinen auch ungeachtet des beginnenden Wahlkampfs für die Zwischenwahlen im November gross zu sein. Für diesen Donnerstag hat das Weisse Haus eine weitere Rede von Joe Biden angekündigt. Dieses Mal soll der US-Präsident vor der geschichtsträchtigen Independence Hall in Philadelphia, ebenfalls in Pennsylvania, sprechen.

Das Thema der kommenden Rede von Joe Biden ist bereits bekannt. Das Weisse Haus teilte mit, der US-Präsident werde über den «fortwährenden Kampf um die Seele der Nation» sprechen und damit wohl auch wieder über die «semi-faschistischen» Entwicklungen bei den Republikanern, die noch immer zu seinem Amtsvorgänger halten.

Donald Trump wird am Samstag bei einer Rallye ausgerechnet in Wilkes-Barre auftreten. Also genau dort, von wo aus Biden die rechten Amerikaner gerade davor warnte, mit Waffengewalt gegen die Vereinigten Staaten vorzugehen.

Diese öffentlichen Redegefechte von Biden und Trump gelten als erster Showdown zwischen dem amtierenden und dem ehemaligen Präsidenten und werden als Auftakt für den Wahlkampf gewertet. Pennsylvania gilt als «Battleground» und «Swing State», also als extrem umkämpfter Bundesstaat zwischen Demokraten und Republikanern.

Über Donald Trumps Auftritte und seine Zukunft wird seit Wochen spekuliert. Im Zweifel wird es in seiner neuerlichen MAGA-Rede vor allem um ihn selbst gehen. Sollte er am Samstag tatsächlich seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2024 ankündigen, würde die Fieberkurve im Kampf um den Kongress rasant ansteigen. Die FBI-Durchsuchungen und eine drohende Anklage könnten ihn jedoch am Ende doch davon abhalten.

Denn Trump würde mit diesem taktischen Zug volles Risiko gehen. Der Druck auf ihn als neuerlicher Kandidat und auch auf Biden würde gleichermassen riesige Dimensionen annehmen. Der verantwortliche Verlierer der Zwischenwahlen im November dürfte kaum noch infrage kommen für eine erfolgreiche Kandidatur – weder bei den Demokraten noch bei den Republikanern.

Verwendete Quellen:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die besten Bilder der MTV Video Music Awards
1 / 15
Die besten Bilder der MTV Video Music Awards
Taylor Swift hat bei den MTV Music Awards gleich mehrere Preise geholt. Nebst dem begehrten «Video des Jahres» hat sie auch «Beste Regie» und «Langspiel-Musikvideo» gewonnen.
quelle: imago / imago images
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Dieser Typ isst Kebap vor Tierrechtsaktivisten – bis sie komplett durchdrehen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
54 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
YvesM
01.09.2022 22:01registriert Januar 2016
Es war schon lange überfällig, dass die Demokraten das Übel beim Namen nennt. Teile der Republikaner sind Faschisten und christliche Fundamentalisten, Brüder im Geiste der Taliban. Und wenn man sich anschaut, wer aus diesen Reihen den Trump beerben könnte, war Trump nicht mal das Schlimmste.
1006
Melden
Zum Kommentar
avatar
Snowy
01.09.2022 21:39registriert April 2016
Ich war lange auch dafür, dass die Demokraten nicht noch mehr spalten sollten. Aber nun ist es leider an der Zeit Tacheles zu reden.
Biden hat aufrichtig versucht die Nation zu einen . Leider erfolglos.

Ja, ein sehr grosser Teil der republikanischen Partei zeigt faschistische Züge. Und ja das muss nun auch von oberster Stelle klar so gesagt werden.

Ich hoffe, dass eines dieser beiden Dinge geschehen wird (in dieser Priorität):

- Trump muss ins Gefängnis
- Trumps Gesundheitszustand verschlechtert sich aufgrund seinem Lebenswandel sehr stark, so dass er nicht mehr kandidieren kann.
839
Melden
Zum Kommentar
avatar
stormcloud
01.09.2022 21:16registriert Juni 2021
Was soll denn dieser fiese Graham in Deutschland zusammen mit Merz?
Das ist doch Trumps' Speichellecker par excellence.....
Der soll im Bible Belt bleiben und sein verbales, verlogenes Gift nicht in Europa verspritzen!
716
Melden
Zum Kommentar
54
Denkmal für Queen Elizabeth soll bis zu 52 Millionen kosten – das gefällt nicht allen

Gut zwei Jahre nach dem Tod von Elizabeth II. beginnt in London die Ausschreibung für eine Gedenkstätte für die Queen.

Zur Story