Viggo Kristiansen wurde im Jahr 2001 wegen Vergewaltigung und Ermordung zweier kleiner Mädchen verurteilt. Zu Unrecht, wie sich nun herausgestellt hat: Nach 21 Jahren in Haft ist der mittlerweile 43-jährige Norweger diese Woche wieder auf freien Fuss gekommen.
Der Fall war Anfang 2021 neu aufgerollt worden. DNA-Befunde wurden ausgewertet und konnten Kristiansen weder mit den Taten noch mit dem Tatort in Verbindung bringen. Dagegen waren Spuren eines mit ihm verurteilten Mannes an beiden Mädchen gefunden worden. Der Fall gilt als einer der grössten Justizirrtümer der norwegischen Geschichte.
In den USA gibt es allerdings noch viel schwerwiegendere Justizirrtümer. Im «National Registry of Exonerations», das von der University of California, der University of Michigan und der Michigan State Univeristy betreut wird, werden alle irrtümlichen Inhaftierungen seit 1989 dokumentiert. 3332 Personen sind in der Datenbank aufgeführt, die zusammen über 28'450 Jahre zu Unrecht im Gefängnis verbrachten. 228 Verurteilte waren jeweils über 25 Jahre inhaftiert – nachfolgend die vier schlimmsten Fälle.
Von 1973 bis 2021 unschuldig im Knast
Am 5. Juli 1972 fand die Bostoner Polizei im Schrank einer Wohnung die Leiche des 34-jährigen Bankdirektors Peter Armata. Die Wohnung gehörte Robert Anderson, doch der schob die Schuld auf Anthony Mazza ab. Sein damals 25-jähriger Kurzzeit-Mitbewohner habe den Banker erdrosselt. Obwohl Anderson nach dem Mord tagelang das gestohlene Auto des Opfers fuhr und Gegenstände aus dem Eigentum von Armata verschenkte, wurde am Ende nur Mazza des Mordes und Raubes für schuldig befunden.
Zwischen 1977 und 1995 reichte Anthony Mazza ohne rechtliche Hilfe vier Petitionen ein, um seinen Fall wieder aufzunehmen. Doch erst 2009 hatte er dank der Hilfe eines Anwalts Erfolg, nachdem eine nicht veröffentlichte Zeugenaussage von Andersons Bruder aufgetaucht war, die Mazza entlastete. Allerdings dauerte es nochmals 12 Jahre, bis dieser 2021 im Alter von 73 Jahren aus dem Staatsgefängnis in Norfolk entlassen wurde.
Von 1972 bis 2017 unschuldig im Gefängnis
Die Geschichte von Richard Phillips verlief ähnlich wie die von Anthony Mazza: 1972 wurde der Chrysler-Angestellte beschuldigt, einen Mann erschossen zu haben. Der eigentliche Mörder Fred Mitchell trat dabei als Kronzeuge vor Gericht auf, um von sich selbst abzulenken. Mit Erfolg: Phillips wurde wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Haft verurteilt.
Die Wahrheit kam erst viel später ans Licht. Mit Phillips wanderte 1972 auch ein Mittäter von Mitchell in den Knast, der vor einem Bewährungsausschuss im Jahr 2010 erstmals die Wahrheit erzählte. Doch es dauerte noch vier weitere Jahre, bis die «Innocence Clinic» von der University of Michigan von der brisanten Aussage erfuhr und eine Wiederaufnahme des Falls erzwang. Im Dezember 2017 wurde Phillips im Alter von 73 Jahren aus dem Gefängnis entlassen, als Entschädigung erhielt er rund 1,56 Millionen US-Dollar.
Von 1975 bis 2020 unschuldig im Gefängnis
Ein schwerwiegender Polizeifehler führte 1975 dazu, dass Isaiah Andrews wegen Mordes an seiner Frau zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Die Ermittler hatten damals einen anderen Mann im Verdacht, gingen zunächst aber von einer anderen Tatzeit aus. Doch für diesen Zeitraum konnte der Verdächtige ein Alibi liefern, also kam nur noch Andrews für den Mord infrage. Obwohl es keine Beweise gab, wurde er schliesslich verurteilt.
Andrews versuchte in der Folge mehrfach, das Urteil anzufechten, doch erst im Jahr 2017 konnte er mithilfe des «Ohio Innocence Project» eine DNA-Überprüfung erzwingen. Als der Fall schliesslich endlich erneut verhandelt wurde, ging es schnell: In gerade mal 90 Minuten wurde der Afroamerikaner 2020 im Alter von 83 Jahren freigesprochen. Nach langem Kampf erhielt er 2022 eine Kompensation von rund 2,5 Millionen Dollar für seine Zeit im Gefängnis. Der Fall bleibt dagegen ungeklärt, der ursprüngliche Verdächtige war bereits 2011 gestorben.
Von 1973 bis 2017 unschuldig im Gefängnis
Im Oktober 1971 wurde in Baton Rouge (Louisiana) eine Krankenschwester aus einer Parkgarage entführt und später vergewaltigt. Bei einer Gegenüberstellung drei Monate später erkannte die Krankenschwester den damals 19-jährigen Wilbert Jones als Täter. Obwohl das Opfer damals schon sagte, sie hätte ihren Peiniger grösser und mit rauerer Stimme in Erinnerung, wurde Jones 1973 zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Schon damals war klar, dass der Afroamerikaner nicht der Täter gewesen sein konnte. Dass die Krankenschwester wohl Opfer eines Serientäters wurde, der vier Wochen nach Jones’ Verhaftung erneut zuschlug, verschwieg der Staatsanwalt während des Strafprozesses allerdings. Erst 2017 im Alter von 65 Jahren kam Jones mithilfe des «Innocence Projects» wieder frei. Eine Kompensation hat er noch keine erhalten, in Louisiana würde das Maximum 250'000 Dollar betragen.
Glücklich
Ich habe in dieser Zeit meine Schule, meine Lehre, meine Familie gegründet usw., er sass in der Hölle für nichts.
Das ganze Leben hat man ihm und den Anderen im Artikel gestohlen und dies ist durch nichts zurück zubringen.
Das sind wirklich schreckliche Schicksale und man fragt sich, wie kann sowas passieren? Sie tun mir unendlich Leid!
Störsender
Schlaf
Muss ein ganz übles Gefühl sein, unschuldig im Knast zu sitzen.
Aber dann noch unschuldig auf dem Stuhl zu sitzen…