Die wüsten Szenen, die sich am Mittwochnachmittag (Ortszeit) in Washington, D.C. ereigneten, werden sich ins kollektive Gedächtnis einbrennen. Nach einer Rede des noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump stürmte ein wütender Trump-Mob das Kapitol, wo das US-Parlament tagte.
Die Randalierer sprangen über Absperrungen, zerschlugen Scheiben und gelangten so ins Innere des Parlamentsgebäudes. Weder die hauseigene Polizei des Kapitols noch weitere, herbeigeeilte Polizisten konnten den Mob davon abhalten, ins Parlamentsgebäude einzufallen.
Die Welt blickt schockiert auf die Szenen und fragt sich: Wie konnte so etwas passieren? War die Polizei zu wenig vorbereitet? Hat sie die Gewaltandrohungen, die in den sozialen Medien kursierten, nicht ernstgenommen? Oder wurde den Randalierern gar geholfen?
Bewacht und im Notfall verteidigt wird das US-Kapitol (Sitz des Kongresses) von einer hauseigenen Polizei. Nach den terroristischen Anschlägen am 11. September 2001 stockte der US-Kongress die Anzahl Kapitol-interner Polizisten von 800 auf rund 2000 auf. Jährlicher Kostenpunkt: 460 Millionen US-Dollar.
Diverse Kongressmitglieder werfen der Kapitol-Polizei vor, dass sie sich nicht genügend auf die Ereignisse vorbereitet hätten. «Die Polizei macht zwar unter den gegebenen Umständen einen guten Job, man hat sich aber ganz klar zu wenig auf die Ereignisse vorbereitet», sagte der Demokrat Vincente Gonzalez gegenüber Reuters.
Vor dem Kapitol habe die Polizei lediglich niedrige Barrieren aufgestellt und die Beamten hätten anstatt Schutzausrüstung grösstenteils die normale Strassenuniform getragen, heisst es auch bei der Washington Post. Auch die Bundespolizei und die Nationalgarde hielten sich zurück – anders als bei den Protesten nach dem Tod von George Floyd.
«Es war, als würde ich Zeuge eines Live-Horrorfilms. Wir trainieren, planen und budgetieren, um genau solche Szenen zu verhindern», so Kim Dine gegenüber der «Washington Post». Dine war von 2012 bis 2016 Chef der Polizei im Kapitol. Auch er sei überrascht, dass die Polizisten die Randalierer überhaupt so nahe an das Gebäude ranliessen.
Das Sicherheitsdispositiv im Kapitol hat die Proteste offenbar auch massiv unterschätzt. Man habe nicht mit so vielen Trump-Anhängern gerechnet, hiess es von den US-Strafverfolgungsbehörden am Mittwoch. «Die Kapitol-Polizei hatte einen Plan, aber offenbar ging man davon aus, dass alles seinen gewohnten Gang nimmt», liess sich ein Polizeibeamter von der Washington Post zitieren. «Man erwartete nicht, dass Trump die Masse tatsächlich so anstacheln könnte, das diese gewaltsam Zugang ins Kapitol verschafft.»
Zahlenmässig waren die Kapitol-Polizisten dem Trump-Mob komplett unterlegen. Auch weil sich offenbar einige Polizisten mit Corona infiziert hatten oder aufgrund von Quarantäneregeln nicht eingesetzt werden konnten.
Hinzu kommt die Komplexität des Gebäudes: Mit so vielen Fenstern und Türen, sei es schwierig, alle Eingänge zu verteidigen, sagte Terrance Gainer, ein ehemaliger Kapitol-Polizeichef, gegenüber Reuters. «Verliert man die Kontrolle über die Treppen, verliert man sie auch über die Türen und Fenster.»
Als der Mob es geschafft hatte, die Treppen zu stürmen, schienen die Beamten des Kapitols komplett auf sich alleine gestellt. Und offenbar zögerte man auch damit, Hilfe anzufordern. Erst knapp eine Stunde nachdem die Randalierer in das Parlamentsgebäude eingedrungen waren, forderte man offenbar erst Hilfe von anderen Bundesbehörden an, so ein hoher Beamter gegenüber Reuters.
Gemäss zwei US-Beamten wollte man eine militärische Reaktion auf die Proteste möglichst vermeiden, um Bilder, wie sie bei den Black-Lives-Matter-Protesten kursiert hatten, möglichst zu verhindern. Die Beamten sagten aber auch, dass es unklar sei, warum es so lange gedauert hatte, bis die Polizei der Stadt Washington am Kapitol ankam.
Zudem kursieren in den sozialen Medien Videos, die Sicherheitsbeamten zeigen sollen, wie sie gemeinsam mit Demonstranten für ein Selfie posieren oder Barrikaden selbstständig wegräumen. Diese Videos sind jedoch nicht verifiziert und die darin enthaltenen vermeintlichen Informationen mit Vorsicht zu behandeln.
So sieht white privilege aus.
Sind es aber Menschen aus dem rechten, nationalistischen Spektrum, wird herzlich wenig gemacht. "Die werden schon nix tun"....