Aus Verärgerung über ein Militärmanöver unweit seiner Grenze droht Nordkorea mit einer Absage des historischen Gipfels zwischen Machthaber Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump. Pjöngjang habe kein Interesse am Treffen, falls es auf «einseitigen» Forderungen nach einer Abkehr von Atomwaffen beruhe, teilte ein Regierungsvertreter mit.
Wenn die US-Regierung «uns in die Enge treibt und einseitig fordert, dass wir Atomwaffen aufgeben, haben wir kein Interesse mehr an Gesprächen», sagte der nordkoreanische Vize-Aussenminister Kim Kye Gwan am Mittwoch laut der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA. Eine Denuklearisierung Nordkoreas nach dem Vorbild Syrien käme nicht infrage.
Wegen dem Militärmanöver hatte Nordkorea wenig zuvor ein für Mittwoch geplantes Versöhnungstreffen mit ranghohen Vertretern Südkoreas abgesagt.
Stein des Anstosses ist aus Sicht Pjöngjangs ein jährlich stattfindendes Grossmanöver der südkoreanischen und amerikanischen Luftwaffe namens «Max Thunder», an dem auch Langstreckenbomber und Kampfjets beteiligt sind.
Die zweiwöchige Übung vom 11. bis 25. Mai simuliere einen Angriff auf den Norden und sei eine «bewusste militärische Provokation», kritisierte die von Machthaber Kim als Sprachrohr genutzte Nachrichtenagentur KCNA. Damit würden «die Friedensbemühungen und guten Absichten» des Nordens untergraben.
Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums erklärte, die Militärübungen seien lange angekündigt gewesen, es handle sich um regelmässige Frühlingsmanöver. Diese seien seit Jahrzehnten defensiver Natur und dienten dazu, Südkoreas Verteidigungsfähigkeit zu sichern.
Hintergrund ist die historische Gipfelerklärung der beiden koreanischen Nachbarländer vom 27. April. Im Grenzort Panmunjom hatten Kim und Südkoreas Präsident Moon Jae In eine gemeinsame Erklärung über Frieden und Aussöhnung unterzeichnet. Nordkorea erklärte sich darin auch zum Abbau seines Atomprogramms bereit.
«Es gibt eine Grenze dafür, guten Willen zu zeigen und Möglichkeiten zu eröffnen», hiess es in dem KCNA-Bericht. «Die historische Panmunjom-Erklärung kann nicht allein durch die unilateralen Bemühungen einer Seite umgesetzt werden.» Das «Schicksal des Gipfeltreffens zwischen Nordkorea und den USA» stehe auf dem Spiel, dessen müsse sich Washington bewusst sein.
Die für Mittwoch geplanten Versöhnungsgespräche mit Gesandten aus Seoul hätten wieder südlich von Panmunjom stattfinden sollen. Ziel wäre gewesen, den Worten vom Gipfel am 27. April weitere Taten folgen zu lassen und die Zusammenarbeit beider Staaten zu konkretisieren. Durch die Gespräche hätte Südkorea «die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung und einen dauerhaften Frieden schaffen» wollen.
Der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea schwelt seit Jahrzehnten und gilt aufgrund der atomaren Bewaffnung des Nordens als einer der gefährlichsten der Welt. Der Korea-Krieg (1950-1953) zwischen dem kommunistischen Norden und der Republik Südkorea mit Millionen Toten zementierte die Spaltung. Einen Friedensvertrag gibt es bis heute nicht.
Trump selbst hat sich noch nicht zu den jüngsten Entwicklungen geäussert. In Washington hingegen fiel die Reaktion gelassen aus. «Wir sind uns des Medienberichts aus Südkorea bewusst. Die Vereinigten Staaten werden prüfen, was Nordkorea unabhängig davon gesagt hat», erklärte Trumps Sprecherin Sarah Sanders.
Zuvor hatte das US-Aussenministerium bereits verkündet: «Wir machen weiter und treiben die Planungen für das Treffen von Präsident Trump und Kim Jong Un voran.»
Abwarten. In den vergangenen Wochen wurden die Hoffnungen auf eine Lösung des Konflikts wieder genährt – nicht zuletzt durch die Ankündigung des ersten direkten Treffens überhaupt zwischen den Staatschefs Nordkoreas und der USA, das nach bisherigem Stand am 12. Juni in Singapur stattfinden soll.
Zwar ist nach wie vor unklar, wie und bis wann die «komplette Denuklearisierung» der koreanischen Halbinsel erreicht werden soll. Doch hat der versprochene Rückbau des zentralen Atomtestgeländes im Norden laut Experten bereits begonnen. Nordkorea kündigte am Wochenende zudem an, die Testanlage zwischen dem 23. und 25. Mai zu sprengen. Allerdings gab es zuletzt ohnehin widersprüchliche Angaben dazu, ob das Testgelände nach den früheren unterirdischen Atomtests überhaupt noch nutzbar war.
In dem Komplex Punggye-ri hatte Nordkorea seine sechs Atomtests durchgeführt, den bisher letzten und stärksten im September 2017. Der UNO-Sicherheitsrat verschärfte daraufhin nochmals die Sanktionen gegen das abgeschottete Land. Die Führung in Pjöngjang will mit der Zerstörung des Atomtestgeländes demonstrieren, dass es das Land mit seinen Ankündigungen ernst meint und verhandlungsbereit ist. (sar/sda/dpa)